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line/> Mord ohne Schatten

      Danksagung

      Meine besondere Dankbarkeit und Liebe gilt meinem "computerfähigen" Sohn Michael. Weiterhin meiner Mutter, welche mir mit ihrem unschlagbaren Sprachgefühl zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung stand. Und zuletzt in memoriam an Benjamin.

      Kapitel 1

      Tack tack tack

      Tack, tack, tack ——- . Der eilige Begleitrhythmus einer gerade noch rechtzeitig Angekommenen. Leonora beeilte sich, im fensterlosen, daher muffigen Umkleideraum, baumelnde Silberohrgehänge gegen medizinische Goldstecker und schwarz silbrig- metallfarbene Halbschuhe gegen medizinisch weiße Stationsschleicher auszutauschen. Da fiel es ihr wieder ein: Saskia, das verschlagene intrigante Biest, harrte ihrer heute als Schichtleitung. Oh, oh was für Aussichten! Saskia, schräger Blick aus schiefergrauen Augen , sorgfältig geschminkter Schmollmund, der anscheinend außerstande war, die Worte „positives Denken und Reden“ auch nur auszusprechen. Und der außerhalb ätzender Kritik und übler Nachrede merkwürdig stumm blieb. Kunstblonde, leicht strähnige Kringellöckchen und Rauchschwaden schwerer Zigaretten, welche sie bei jeder Gelegenheit um sich verbreitete, rundeten das Bild ab. Doch vorerst blieb ihr die „liebe“ Saskia erspart. Stattdessen kam ihr Erika, die Nachtwache, entgegen. Bleich, das heißt bleicher als sonst nach einer turbulenten daher strapaziösen Nachtwache- „Ah, Leonora, gut, dass du kommst!“ „Was für Töne...“ schoss es Leonora fast befremdet durch den Kopf. Seit wann war sie auf der A1 – Station der Augenheilkunde willkommen? Momentan verdichtete sich eher ihre Ahnung, dass sie auch in Zukunft unwillkommen sein würde. Zuweilen fragte sie sich, ob sie das denn nötig hatte. Sie mit ihren dreiunddreißig Jahren und der zehnjährigen Berufspause! Sie mit ihrer allzu vorzeitigen Verwitwung und ihrem finanziellen Hintergrund, der eine Berufsausübung nicht zwingend vorschrieb. Ja, hatte sie es wirklich nötig, sich von einer Handvoll Leuten mit Intrigen, platten Bosheiten und üblem Geschwätz plagen zu lassen? Von dem destruktiven ach so „bewährten“ Kern des Stationsteams? Welch ein Trost, dass es allen Neuanfängern so ergangen sein sollte wie ihr. Wie man ihr hinter vorgehaltener Hand mitgeteilt hatte. Ach zum Kuckuck mit ihren Ahnungen und dem “Stations Klatsch!“ Vielleicht würde sich doch noch alles einrenken. Wenn sie. . . Leonora hält in ihren Gedanken inne. Ja was, wenn sie. . . . Erikas knapper Bericht über ein für eine Augenstation eher ungewöhnliches Ereignis – einen Exitus nämlich – ließ Leonora alles vergessen und versetzte sie in ein ungläubiges Staunen. Joachim Hitzbleck ? Der war doch noch keine vierzig! Leonoras graue Gehirnzellen liefen auf Hochtouren. Sie versuchte sich des Patienten genauer zu erinnern. Hitzbleck Joachim – grauer Star – beidseitig – OP erfolgreich... da war doch noch etwas... Ach ja, er war ein spritzenpflichtiger Diabetiker, allerdings mit einer niedrigen Insulineinheit. Hatte sich und sein kleines Malheur , O-Ton Hitzblecks, gut im Griff. Leonora versuchte weiter, sich an den Menschen Hitzbleck zu erinnern. Äußerlich unauffällig, ja mausig. Das Benehmen betont höflich aber beifallheischend. Ein Witzchen da, ein Witzchen dort. Nichts Derbes, aber immer und irgendwie auf Kosten weiblicher Mitmenschen. Blondinen, Hausfrauen und Schwiegermütter zum Beispiel. Leonoras Empfindungen entsprachen jemandem, der sich „verschnupft“ fühlte, aber definitiv nicht mehr sagen konnte, seit wann, wo und wodurch. Ansonsten schien es nichts zu geben, weswegen man sich des Toten hätte erinnern können. Nun, drei Tage waren auch eine allzu kurze Zeit. Etwa dreiundzwanzig Stunden nach der Operation war der Exitus eingetreten. Ursache unbekannt. Ein Pathologe würde sich der Sache annehmen. Soviel wusste Erika zu berichten. Sie gähnte und zog sich ihre grau-bunte Strickjacke, selbst gestrickt während sich lähmend dahin ziehender Nachtwachenstunden, über und beeilte sich sichtlich, dem Ort des Schreckens zu entkommen. Ein hastiges Ade – und weg war sie. Leonora begann fast mechanisch, den Verbands- und Medikamentenwagen für die Uhr Runde herzurichten, als eine nicht nur wie üblich schlecht gelaunte, sondern geradezu düstere Saskia mit Sven im Schlepptau erschien und wortlos die Regie, sprich den Medikamentenwagen übernahm. Leonora verzog sich wohlweislich und eilends mit Sven, dem hellblonden, schlaksigen, ökobewussten Jungpfleger zum Betten. Wie immer. Im Laufe des Morgens gab es natürlich mehr Geheimniskrämerei als sonst. Leonora übergangen und geschickt ausgeschlossen. Auch wie immer. Ach, die konnten ihr doch den Buckel runterrutschen! Leonora fand einen gewissen Trost bei dem Gedanken an die morgige Samstagsbeilage der Tageszeitung. Sparte Stellenangebote – examinierte Krankenschwester für Teilzeit gesucht... Falls sich doch nichts einrenken würde. Hitzbleck wurde merkwürdigerweise nicht mehr erwähnt. Leonora ging ins Wochenende und vergaß ihn. Montags, fünf Uhr in der Früh. Leonora versuchte in die Gänge zu kommen. Morgenmuffel war eine zu schwache Bezeichnung für ihren Datozustand. Morgenekel wäre treffender gewesen. Ihr zehnjähriges Herzblatt – Sohn Robin – war gut und sicher bei ihren Eltern untergebracht. Die Samstagsbeilage hatte kein brauchbares Angebot enthalten, und sie bekam schlechte Laune, wenn sie nur an die A1 dachte. . . Leonora schlürfte gedankenlos Kaffee aus dem Herzchenbecher und verbrannte sich prompt die Lippen. Sie zischte ein „allen Kindern verbotenes Wort“, goss sich fettarme H-Milch nach und verleibte sich ihren merklich abgekühlten Milchkaffee durstig ein. Dann wiederholte sie in einer Art kindischem Wohlgenuss und Erleichterung jenes „allen Kindern verbotene Wort“. Robin, ihr kleines Echo auf zwei Beinen, und die Eltern, ihre Ex-Erzieher, waren ja außer Hörweite. Und das Gruselkabinett A1 war nah... vor allem zeitlich gesehen. Sie musste los, da half nichts. Seufzend machte sie sich auf den Weg. . . Morgens um sechs in der Früh. Auf der A1 das gewohnte Bild eines Frühdienstbeginns. Missmut, Gähnen, erkalteter Restkaffee der Nachtwache und der verheißungsvolle Duft eines neu Aufgebrühten. Wieder oder immer noch kein Wort von Hitzbleck. Die übliche Arbeitsteilung war angesagt. Leonora und Sven - Betten und Pflegen diverser gebrechlicher Patienten. Saskia und ihrer kommissarischen Stellvertreterin Conny – heimlich und lieblos Wabbelbacke genannt – blieben die reinlicheren, weniger strapaziösen Tätigkeiten vorbehalten. Wabbelbacke war übrigens Saskias Busenfreundin und hatte Kleidergröße „Doppelzelt“ – aber ein hübsch geschnittenes Gesicht mit einer schmalen, etwas spitz zulaufenden Nase, die sie oft genug neugierig vor streckte und Leonora an eine schnuppernde, schnüffelnde Ratte denken ließ. Doch an diesem Montag gab es übermäßig viel zu tun. Der OP nahm allzu pünktlich seine Tätigkeit auf. Dazu wartete vor dem Stationszimmer eine ganze Schlange zu früh eingetroffener stationär aufzunehmender Patienten. Irgendwelche Gedanken an die intrigenfreudigen Kollegen oder den Exitus sanken für Leonora zur Bedeutungslosigkeit herab. Sie rannte, machte, tat und erledigte. Zeitweise zwei, drei Dinge auf einmal und sagte sich, dass dieses Hochleistungsniveau nur begrenzt durchzuhalten sei. Die Frühstückspause bzw. das, was von ihr übrig geblieben war – bestand aus einem angeknabberten Honigbrötchen. Hastig hinunter geschlungen – zwischen Tür und Angel. Angesichts der Arbeitslawine, die über sie hinweg rollte, wurde Saskia absolut ungenießbar. Ihre Stimmung erreichte einen rekordverdächtigen Tiefpunkt. Jeder, der ihren Weg kreuzte, wurde mit Grobheit und ätzendem Gefauche bedacht. Ausgenommen waren nur Busenfreundin Conny und die Ärzteschaft. Saskia wusste doch, was sich gehörte! Getreten wurde selbstverständlich immer nur nach unten! Leonora sah zu, dass sie sich möglichst da befand, wo Saskia nicht zugegen war! – Ein Unterfangen, das leider nur teilweise in die Tat umzusetzen war, denn solche Allgemeinorte wie Stationszimmer und Funktionsräume waren nicht dauernd zu umgehen. Die Stunden flogen dahin, bis sich das Personal verspätet zur Übergabe einfand. Als Leonora sich auf den wackligen Stuhl fallen ließ, durchschoss sie zum ersten Mal ernsthaft der Gedanke an eine fristlose Kündigung ihrerseits. Was um Himmelswillen... was?... war nur aus der Klinik, in der sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester gemacht hatte, geworden? Obwohl wenn sie ehrlich mit sich selbst sein wollte, musste sie sich eingestehen, dass bereits vor zehn Jahren die Augenstation mit einem Ruf des Schreckens bei dem Klinikpersonal behaftet war. Eine „Horrorstation“ in dem leicht abgelegenen Trakt eines ansonsten ganz brauchbaren Klinikums im Kraichgauer Hügelland. Sie hätte es wissen müssen, hatte es aber nicht wissen wollen – in ihrem Bedürfnis, nach zehnjähriger Berufspause wieder einzusteigen! Nun ja, die Kündigung würde sich leicht bewerkstelligen lassen, da sie sich ja noch in der Probezeit befand. Doch wie so oft kam alles anders als sie dachte. Zu der Übergabe fand sich ein Überraschungsgast ein, der ihr quasi einen Strich durch die Rechnung machte. Er stand mit verschränkten Armen halb im Schatten heruntergelassener Jalousien an den Türrahmen gelehnt. Niemand hatte sein Kommen bemerkt. Kühl und sehr ruhig lag sein Blick auf der Runde. Als sie ihn bemerkte, trat er aus dem Halbschatten und stellte sich als ermittelnder Beamter vor. Schlagartig verstummte jedes Gespräch. Leonora

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