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      Imprint

      Stein

      Begleiter des Menschen durch die Kulturgeschichte

      Erzählendes Sachbuch

      Sabine Korsukéwitz

      Stein, Printausgabe „Die Weisheit der Steine“ Kaiilash 2003

      published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

      eBook Konvertierung: Marte Kiessling, www.martemarte.de

      Copyright: © 2014 Sabine Korsukéwitz

      ISBN 978-3-8442-8411-9

      0. Ein Stein ist ein Stein ist ein Stein ...

      Denken Sie sich einen Stein. Einen, der Ihnen angenehm ist, den Sie gern in der Hand halten möchten. Einen, der Ihnen Ruhe, Wohlgefühl vermittelt.

      Es wird ein glatter Stein sein, ein rundlich geschliffener Kiesel vielleicht, etwas abgeflacht, oval. Langsam erwärmt er sich in Ihrer Hand, seine Farbe intensiviert sich.

      Ich bin sicher, die meisten von Ihnen haben nicht an einen eckigen Stein gedacht, einen Würfel oder an einen rauen Stein, frisch gebrochen mit kantiger Oberfläche.

      Es sind immer wieder die bereits geglätteten, rundlichen Steine, die uns unwillkürlich anziehen, nach denen wir uns bücken, mit denen wir uns am Strand die Taschen füllen. Diese und dann die mit den schönen Farben. Durchscheinende Steine, Kristalle. Sie sind greifbar gewordenes Licht und Menschen haben sie begehrt, solange es Menschen gibt.

      Vor mir auf meinem Schreibtisch steht eine kleine, sechskantige Amethystsäule, natürlich gewachsen, sieben Zentimeter hoch, etwa drei Zentimeter im Durchmesser. Sie hat eine Farbe, die mich berührt, ohne, dass ich sagen könnte warum. Nicht glasklar und rein – Amethyste sind selten klar, nicht so große Stücke. Mein Kristall ist wolkig, hat Risse und Einschlüsse, die das Licht brechen und ihn flüssig und irgendwie lebendig wirken lässt. Auf mich wirkt so ein Kristall, als wäre es ein flirrendes, lebendiges Wesen, dass durch einen Zauber in der Bewegung eingefroren, aus dem Lauf der Zeit genommen wäre.

      Manche glauben, dass Steine leben, ebenso wie Pflanzen und Tiere und Menschen, nur sehr viel langsamer. So langsam, dass wir ihre Bewegungen nicht wahrnehmen können und sie wahrscheinlich nicht die unseren. Ist es das, was uns am Stein so anzieht? Seine Ruhe, sein außer-der-Zeit-stehen?

      Stein hat viele Aspekte und Bedeutungen in der Kultur der Menschheit. Es ist das faszinierendste Material, das uns zur Verfügung steht, das vielfältigste und haltbarste, das erste Material, das vom Menschen bearbeitet wurde. An ihm versuchte sich der Mensch als Schöpfer. Und an dieser Arbeit schulte er viele Fähigkeiten: Beobachtung, kreative Veränderung seiner Umwelt, Logik, abstraktes Denken, Zusammenarbeit in der Gruppe, Kommunikation. Er erfand die ersten mechanischen Werkzeuge.

      Ich kenne kaum jemanden, der vom Stein ganz ungerührt bleibt, der niemals einen schönen Kiesel aus dem Bach oder vom Strand mit nach Hause genommen hat. Damit fängt es an.

      Lassen Sie uns zusammen einen Spaziergang machen durch die Kulturgeschichte der Menschheit und ein paar Steine aufheben, sie näher anschauen: eine Feuersteinknolle, wie sich aus ihr und um sie herum eine Industrie entwickelt hat und Handel. Ein schwärzliches Stück Himmelsmetall in Babylon zu einem magischen Schwert verschmolzen; ein anderes ruht wahrscheinlich in Mekka in einem Kubus aus Stein, von schwarzem Tuch verhüllt. Kein Christ wird es je anschauen oder untersuchen dürfen.

      Ein Findling – er erinnert an die sogenannten Hünengräber, an Kelten, an Stonehenge: Welche ungeheuren Mühen und welchen Erfindungsgeist hat man da entwickelt . Warum, wozu?

      Ein Türkis führt uns zu den Indianern von Arizona und New-Mexico, zu den alten Pueblo-Kulturen, Marmor zu den Bildhauern der griechischen Klassik. Die Steinbildhauer der Moderne bevorzugen Granit und sind zu den Ursprüngen lange vor dieser Klassik zurückgekehrt. Ich traf eine ostdeutsche Bildhauerin, die jetzt nur noch Landschaften mit Findlingen garniert. Sie bearbeitet sie gar nicht mehr.

      Bildhauer und Architekten von Babylon bis zum Dritten Reich haben sich vom Stein zur Hybris verführen lassen, haben ihn dazu missbraucht, sich eine Unsterblichkeit anzueignen, die ihnen nicht zustand. Die Ideen von Völkern und Epochen sind in Stein festgehalten. Auch die Erbauer der christlichen Kathedralen wussten sehr wohl um die einschüchternde Wirkung von Stein. Und dann sieht man, wie die uralten Stufen ausgetreten sind, als wären sie aus Ton, die Monumente bröckeln, und die Schrift der Grabsteine ist fast ausgelöscht. Das macht demütig – eine andere Wirkung von Stein.

      Edelsteine – viel mehr als Schmuck, mystifiziert in den Schriften der altägyptischen Magier so wie in der Bibel. Hartnäckig hält sich das Gerücht, die Atlanter hätten bereits Datenkristalle besessen – leider eine Fantasterei: Bei ihrem Erfinder, Platon, ist keine Rede davon. Hildegard von Bingen, eine gelehrte Klosterfrau des Mittelalters, entwickelte aufgrund von biblischen – heute einigermaßen fantastisch anmutenden – Vorstellungen ihre Edelsteinmedizin. Und der Mensch des 21. Jahrhunderts, inmitten seiner Hi-Tech-Welt, wendet sich ihr wieder zu, dieser Stein-Medizin, dem Schamanentum. Die Vertrauenskrise der Medizin und der Wissenschaft, der Verlust der Kontrolle treibt ihn zurück zu Dingen, die er fühlen, sehen und im wahrsten Sinne des Wortes be-greifen kann. Ich gebe zu, auf meinem i-Mac ruht ein Stück Rosenquarz – gegen den Elektrosmog, und weil es mir gefällt. Moderne Technik und Schamanentum widersprechen sich weniger, als man meinen sollte, im Gegenteil. Sie ergänzen sich und fügen zu einem Ganzen, was bisher unvollständig war. Wie so oft, ist der Mittelweg der richtige.

      Was war Stein nicht alles und ist er noch: Waffe ebenso wie Medizin, Symbol für das Göttliche und Unerreichbare, Bild für das Leben als auch für den Tod, Kälte und Wärme, Schutz und Bedrohung, Objekt der Kunst, Objekt der Gier und Spekulation, Fokus der Besinnung, der Meditation ...

      Je mehr ich darüber gelesen habe und mit je mehr Leuten ich mich über mein Thema unterhalten habe, desto umfangreicher wurde es. Jeder hatte etwas beizutragen: “Darüber musst du unbedingt schreiben: Die Kelten! Japanische Steingärten! Die Osterinsel! Die irischen fairies, die unter Steinen wohnen! Meteore, Steine aus dem All! Die Steinwesen bei Ann McCaffrey! Der Stein der Weisen! Plinius! Theophrast! Agricola!” Es nahm kein Ende. Ganz plötzlich schien es, als sei der Stein, unser sichtbar-unsichtbarer, geduldiger Diener, ganz unersetzlich und zentral im menschlichen Leben.

      Also lassen Sie uns ein wenig näher hinschauen, ein paar Steine umwenden...

      1. Die Steinzeitrevolution

      “Der Menschenaffe ist im Prinzip lernfähig, aber nicht immer lernwillig” – mit diesem Satz möchte die Wissenschaft die Affenfamilie von den Hominiden unterscheiden. Wir werden sehen, wie es mit der Lernwilligkeit der Hominiden steht...

      Vor zwei, manche sagen: drei Millionen Jahren – auf eine Million mehr oder weniger kam es damals noch nicht an – nahm ein Affe einen Stein zu Hilfe, um eine Nuss zu knacken, eine besonders harte. Damit war der erste Schritt in ein neues Zeitalter getan. Dieses erste Steinwerkzeug zog alle anderen nach sich und sollte unseren behaarten Vorfahren schließlich seines Fells berauben, ihm eine verkrümmte Wirbelsäule, degenerierte Muskeln und die Raumfahrt bescheren.

      Wie das? Dieser Hominide, Adam, lebte aller Wahrscheinlichkeit nach an einem See oder Fluss in Ostafrika. Bislang hatte er sich, wie alle anderen Affen auch, damit zufrieden gegeben, Pflanzliche Nahrung zu sammeln, allenfalls zu fressen, was schwächer und langsamer war als er. Vor allem was stärker war, rannte er davon.

      So wie man den alten Adam kennt, entdeckte er nun bald, dass sich mit so einem handlichen Stein nicht nur Nüsse, sondern auch die Schädel von Rivalen einschlagen ließen. Und schon war das Gesetz der größeren Muskelkraft unterminiert. Geschicklichkeit und Heimtücke konnten den Nachteil wett machen.

      Den nächste Schritt könnte man sich so vorstellen: Der Affe Adam schlug eine Nuss oder einen leckeren Markknochen auf zwischen zwei Steinen und – pling! – einer der Klumpen bricht auseinander. Da liegen hauchdünne, halbdurchsichtige Splitter herum und glänzen in der Sonne. So etwas hat Adam noch nie gesehen. Er hebt einen davon auf, fährt mit dem Daumen an der feinen Bruchkante entlang. Autsch! Etwas hat ihn gebissen! Ein böser Blick: Wer war das?! Nochmalige Probe

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