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weiter. Ich halte bei einem Nettoladen an, da gibt es nur öden Filterkaffee. Wieder weiter. Irgendwann lande ich bei einem anderen Nettoladen. Nettes Logo. Ein schwarzer Scotchterrier mit einem Korb im Fang auf gelbem Grund. Der Milchkaffee ist gut, das Croissant auch. Endlich kann der Tag anfangen.

      Dann fahre ich einfach los, ziemlich langsam und behindere natürlich den Verkehr für Menschen mit den Kennzeichen MOL. Halt, da steht schon das erste alte Gemäuer. Eine Kirche, außerhalb eines Ortes namens Grunow. Nach ein paar Fotos geht es weiter. Sophienfließ! Was für ein romantischer Name für einen Bach. Eigentlich sollte man sich jetzt an den Bach setzen und ein Gedicht oder eine kleine Geschichte darüber schreiben. Aber ich fahre weiter. Lasse mich von diesen langen und schnurgeraden Alleen in die Landschaft saugen.

      „Reichenberg“. Sofort fällt mir ein langer Bau auf. Ein altes Schulgebäude. Der Eingang sieht mit seinen schrägen Platten grotesk aus. Tolles Teil. Beim Weiterfahren entdecke ich einen kleinen Weg und dann auf einem Hügel ein altes Gutshaus.

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      Ein Streifen kleiner weißer Blüten legt sich wie ein Teppich im hohen Gras zur Treppe hin. Ledrige Pflanzen haben sich durch die Ritzen der Steinstufen gearbeitet. Das Haus ist absolut filmreif. Ich bin neugierig, will aber auch nicht distanzlos sein. Langsam gehe ich die Treppe hoch, bemerke dort einen Grill, einen alten Tisch, ein paar Stühle. Im Inneren erkenne ich Möbel. Also doch bewohnt. Dornröschen lässt grüßen. Sofort trete ich den Rückzug an. Es beginnt zu regnen. Als ich die Vorderfront erreicht habe, steht ein dicker Benz da. Vermutlich gehört er dem dazugehörigen Prinzen. Der Film in meinen Kopf ist jetzt endgültig zu Ende. Bei der Weiterfahrt sehe ich an der Ecke des Gutshofes ein besonderes Gebäude. Die Vorderfront des Hauses ist wunderschön mit unterschiedlich farbigen Steinen und Ziegeln gegliedert. Das wäre exakt das Möchtegernhaus einer Möchtegernfriesenbesitzerin. Ich meine diese großrahmigen Rappen mit ihren Puschelfüßen, der langen Mähne und eleganten Gangart im Verhältnis zu ihrem Aussehen. „O Du Fallada, da Du hangest“ sage ich vor mich hin, als ich im Wegfahren einen letzten Blick auf das Haus werfe. „O Du Jungfer Königin, da du gangest, wenn das Deine Mutter wüßte, ihr Herz tät’ ihr zerspringen“, höre ich es leise hinter mir nachklingen.

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      In fast allen dieser Orte ist uraltes Kopfsteinpflaster. Denkmalschutz? Ost pur? Hier können bestimmt ganze Werkstattgenerationen vom Tausch kaputter Stoßdämpfer leben. Der Bus rumpelt erbärmlich. Immer wieder halte ich und lasse meine entnervten Verfolger vorbei. Aber auch über die frisch geteerten Sträßchen hoppelt es, als würde man auf einer Nähmaschine reiten. Was zum Teufel haben die nur mit ihren Straßen angestellt! Irgendwann sehe ich es dann. Da wurde einfach über das Kopfsteinpflaster geteert. Die spinnen, die Ossis.

      Buckow! Als ich auf den Ort zufahre, fällt mir sofort ein sagenhaft witziger Andenkenladen an der Seestraße auf. Gut, dass er geschlossen hat. Ich würde sonst garantiert irgendeinen Kram kaufen, den ich so noch nie gesehen habe.

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      Daheim habe ich auf dem Dachboden geschätzte 10 Kartons mit Dingen, die ich so noch nie gesehen hatte. Noch sagenhafter ist ein angemaltes Hotel. Vermutlich war der Eigentümer nach der Wende in der Toskana und hat anschließend einen Trip durch Oberbayern angehängt, wo ihm die Lüftlmalerei an den Häusern gefallen hat. Und das hat er dann dem künstlerischen Lokalmatador daheim erzählt und der hat gesagt, dass man das irgendwie kombinieren könnte. Also die Toskana mit Oberbayern. Die Toskanitis ist eine typisch deutsche Architektenkrankheit. Oder ist es eher eine deutsche Bauherrenkrankheit? Jedenfalls sind diese Terrakottatöne hierzulande unerträglich. Zuerst fand ich die Rauchfarbe der DDR-Häuser irgendwie traurig, aber nach ungefähr dem zehnten Haus habe ich gemerkt, dass sie mit dieser reizvollen Landschaft eine Einheit bilden. Sie passen sich dezent an, machen sich nicht extra wichtig, wollen nicht um jeden Preis auffallen. Das hat Stil.

      Anschließend mache ich Brotzeit auf dem Parkplatz des Schlossparks. Überlege länger, hier zu übernachten. Ich hole Muck raus und kann gerade noch verhindern, dass er in kaputtgeschlagene Wodkaflaschen tritt. Nein, hier nicht. Das scheint der Treffpunkt der Dorfjugend zu sein. Nach einer kleinen Runde im Park werfe ich den Motor an, durchfahre den kleinen Ort, bewundere die kleinen Läden, vor denen hübsche Frauen in den 40ern stehen und sich lachend unterhalten. Sie stehen zu dritt da, Kundschaft kommt und die Blonde eilt zu ihrem Blumenladen. Hätte ich gewusst, dass das hier so nett ist – ich hätte lieber hier meinen Kaffee getrunken als im Bus. Weiter oben halte ich an einem Briefkasten und werfe den ausgefüllten Mutter-Teil des Bafög-Antrags für Lilli ein. Hatte ihn glatt vergessen. Komme an einem großen Waldparkplatz vorbei, den ich sofort in meinem Kopf abspeichere. Und entscheide mich zu einer weiter ausholenden Rundfahrt durch die kleinen Ortschaften. Ich gerate nach Münchehöfe, einem Weiler mitten im Wald. Von da aus komme ich nach Wulkow, wo ich wieder mal aberwitzige Häuser fotografiere, die eine ähnlich schräge Linienführung wie der Eingang in Reichenberg haben. Vermutlich späte 50er oder frühe 60er. Herrlich.

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      Langsam wird es dunkel und in einem weiten Bogen fahre ich nach Buckow zurück. Zum Waldparkplatz. Mache mit Muck den Abendspaziergang; er läuft mit hoher Nase und ich beobachte den Herrn Hund, nicht dass er mir auf seine alten Tage noch abhaut. Später mache ich im Bus alles dicht. Bei Kerzenlicht schreibe ich noch ein wenig. Ich will das Auto nicht voll beleuchten und Neugierige anlocken.

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