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auch steuern. Das Hotel ist ein Einheitsbau mit Einheitsmöbeln, wie wir es noch oft erleben sollten. Zwei getrennte Betten, ein Schreibpult. Nur die Hygiene läst doch arg zu wünschen übrig. Am Flur stinkt es nach Klo, Mäuse huschen umher und im Bad wachsen Schwammerl.

      Tashkurgan selber ist eine ziemlich typische chinesische Trabantenstadt im besetzten Gebiet. Irgendwo in Peking scheint es dafür einen Masterplan zu geben. Rechtwinklige Straßen, weiß gekachelte Betonklötze mit blauen Fenstern. Im Erdgeschoss sind in garagenartigen Löchern in der Wand jede Menge kleine Geschäfte, Garküchen und Werkstätten untergebracht. Tashkurgan ist hier die größte Stadt weit und breit, im Umkreis von 200 Kilometern nur Wildnis, ab und zu verstreute Siedlungen und Nomaden. Dementsprechend wichtig ist die Stadt seit jeher als Handelszentrum. Von alten Zeiten zeugt ein Steinfort am Rande der Stadt. An die 600 Jahre alt, aber deutlich dem Verfall preisgegeben, ragen Mauerreste wie Zähne über weites grünes Prärieland. Einmalig faszinierend sind die vielen Nomadenzelte, welche kleinen Zirkuskuppeln gleichen.

      Für uns gilt es zum ersten Mal, unsere Taschen richtig mit Lebensmitteln aufzufüllen, um die „Wildnis“ zu überstehen. Bis Kashgar gibt es keine große Möglichkeit mehr, um viel nachzukaufen. In Tashkurgan können wir in „Supermärkten“ noch aus dem Vollen schöpfen. Aber dabei muss man bei all dem chinesischen Zeugs erst mal das Essbare vom Ungenießbaren unterscheiden lernen. „Try and error“, aber wir bekommen bestimmt noch viel Gelegenheit unsere Lieblings-Nudelsuppe zu küren. Außerdem gibt es Schokolade, was will man mehr? Eben und so können wir uns getrost wieder radelnderweise in Richtung Kashgar auf den Weg machen. Den Karakorum Highway finden wir leider immer noch in einem trostlosen Zustand vor. Wir können es nicht fassen, in Zuge aufwendiger Sanierungsarbeiten wurde der wirklich auf der ganzen Länge erst mal zerkrümelt. So kommen wir jetzt schon in den Genuss von eigentlich für Tibet reservierten Schotter- und Waschbrettpisten. Letzteres ist der Horror eines jeden Radreisenden. Auf nicht befestigten Straßen schwingen sich die Stoßdämpfer der darüber bretternden Fahrzeuge auf, so dass sich kleine Wellen auf der Piste bilden. Das kann endlos gehen und für den armen Fahrradfreund bedeutet dies äußerst ungemütliches, holperiges Treten.

      Interessant ist aber, wie solche Großprojekte in China angegangen werden, nämlich in Handarbeit! Arbeitskräfte gibt es genügend und den Gesichtern nach zu urteilen werden die Leute von ziemlich weit hierher gebracht oder beordert, um die Straße wiederherzustellen. Schwere Maschinen sieht man selten. Es dominieren Schaufeln, Meißel und Maurerkellen. So wird das Fundament aufgeschüttet und der Straßengraben gemauert. Erstaunlich viele Frauen sind mit schwerster Arbeit beschäftigt. Auf heimischen Baustellen wäre dies ein eher ungewöhnliches Bild. In regelmäßigen Abständen sind Zeltstädte, Roadcamps, für die vielen Straßenarbeiter entstanden. Es gibt hier sonst nicht viel, nur wenig Dörfer. Man stelle sich das vor, den ganzen Tag Tonnen von Steinen durch die Gegend tragen, um dann in einem notdürftigen Zelt mit hundert anderen Schlaf zu finden. Das bei Wind und Wetter, solange bis die Straße fertig ist.

      Die Landschaft zeigt sich eher wüstenähnlich. Von den Bergen des Pamirs erreichen kleine Bäche das Tal und bilden Oasen, an denen sich das Leben sammelt. Ein großer Moment, als wir auf eine riesige Ebene radeln. Schnurgerade zieht die Straße darüber, viele Nomadenzelte säumen den Weg. Ab und an finden sich sehr orientalisch wirkende Dörfer mit kleinen Moscheen und Lehmhäusern mit Flachdächern. Beinahe den ganzen Horizont nimmt der Muztagh Ata ein. „Vater des Schnees“ heißt dies übersetzt, ein 7546 Meter hoher Gletschergigant. Der Berg baut sich rampenartig auf, dazwischen fließen aus Tälern Dutzende von Gletschern, die auf der Ebene enden. Unsere Hauptbeschäftigung für diesen Tag, diese Ebene zu überqueren.

      Gegen Abend wollen wir zum ersten Mal unser Zelt neben der Straße beziehen. Leichter gesagt als getan einen adäquaten Platz hierfür zu finden, weil erstens braucht man Wasser, klares wenn möglich, und zweitens sind alle guten Plätze schon von Straßenarbeitern besetzt und mittendrin wollen wir unseren Tempel doch nicht hineinstellen. Es würde eine Nacht mit wenig Schlaf werden. Mehr notdürftig verschanzen wir uns schließlich hinter einer Düne. Das Wasser aus einem nahen Fluss sieht sehr mineralreich aus, um es vorsichtig auszudrücken, soll heißen, schlammig sandig. Aber Sand ist nicht giftig, knirscht nur zwischen den Zähnen.

      Wir dachten zwar, einen einigermaßen ruhigen Platz gefunden zu haben, aber mit dem Arbeitseifer der Straßenbauer rechneten wir nicht. Ab und zu helfen auch viele Hände nicht, ein Bagger muss her und der Fahrer zeigt sich besonders fleißig. Die ganze Nacht arbeitet er lautstark ein paar Meter von unserem Zelt entfernt durch und bis zum Morgen hat er einen Hügel nebenan begradigt und uns um den Schlaf gebracht.

      Auf uns wartet jedoch der Ulugrabat-Pass, 4078 Meter hoch. Leider ziehen sich die Bauarbeiten bis darüber hinaus. Kurz vor dem höchsten Punkt hat jemand ein riesiges Schild mit dem Bild einer vierspurigen Autobahn aufgestellt. Soll so der neue Karakorum-Highway aussehen? Ich hoffe doch nicht. Im aktuellen Zustand kann man jedoch genauso gut getrost neben her querfeldein fahren, der Untergrund verschlimmert sich dadurch nicht. Geröll, Waschbrett, Sandpiste und ein bisschen Wind dazu. Da darf man schon mal ein wenig jammern.

      Das Wetter spielt zwar nicht ganz mit, aber die Aussicht oben vom Pass ist schon gut. Der Muztagh Ata erhebt sich gleich neben der Straße. Der Berg ist zwar hoch, aber technisch nicht allzu schwer, weswegen er bei Bergsteigern recht beliebt ist. Vom Karakorum-Highway liegt das Basislager in Sichtweite. Mehr als zwei Stunden Fußmarsch wären es sicher nicht gewesen. Direkt vor uns zeigt sich der Kongur, ein weiteres gewaltiges Gebirgsmassiv, die Gipfel auch deutlich jenseits der 7000 Metermarke.

      Nach jedem Aufstieg geht es wieder runter und nachdem wir seit Gilgit quasi nur bergauf treten mussten, genießen wir diese Abfahrt umso mehr. Amüsant sind zwei Schilder direkt nebeneinander am linken Straßenrand, beide mit „Turn left“ beschriftet. An sich ganz nett, international verständlich, aber nur auf einem Schild zeigen die Pfeile dann auch tatsächlich nach links. Das kann schon verwirrend sein und prompt scheint eine mit Motorrädern reisende Gruppe von Italienern auf Abwege geraten zu sein. Die Hauptpiste des Karakorum-Highway ist zwar hier soweit wiederhergestellt, aber für den Verkehr noch nicht freigegeben. Uns auf den Fahrrädern stört das wenig, die Italiener sind dagegen auf der ausgeschilderten Umgehung regelrecht versumpft. Die Motorräder stecken bis zum Sattel im Morast. Hilfsbereite Chinesen versuchen nun die Maschinen mit Lastwägen aus dem Morast zu befreien. Gerüchteweise sollen sie es auch geschafft haben, aber falls ihr mal vorbeikommt, wundert euch nicht über Motorradwracks im Dreck!

      Eingeklemmt zwischen Muztagh Ata und Kongur liegt auf zirka 3700 Meter Höhe der Kara-Kul-See. Neben Kashgar das touristische Highlight weit und breit, wenn man die entsprechenden Reiseführer zu Rate zieht. Dementsprechend verirren sich hierher doch ein paar Leute, wodurch so was wie eine touristische Infrastruktur entstehen konnte. Nun gut, nicht übertreiben, man hat die Wahl zwischen einem chinesischen „Ressort“ und betonierten Yurten. Letztere sind den Behausungen der hier einheimischen Kirgisen nachempfunden, auch ein nomadisch veranlagtes Volk. Wir stehen also etwas ratlos vor der chinesischen Absteige und werden bald von Jungs in sehr brüchigem Englisch angesprochen, ob wir eine Unterkunft suchen.

      „This chinese, this bad! Sleep in tent, follow me ...“

      Okay überzeugt, mehr braucht es nicht, um systemkritische Touristen rumzukriegen. So stapfen wir den beiden über Wiesen hinter her. Von den Gesichtszügen her erinnern sie eher an Mongolen, aber mit arabischem Einschlag. Rundliche Gesichter mit sanften Zügen. So sehen also Kirgisen aus. Und wie eine echte kirgisische Yurte aussieht, dürfen wir auch bald erleben. Die steht malerisch in der Nähe des Sees. Vollkommen mit Tierfellen abgedeckt, darunter ein Holzgerüst, welches die Behausung stützt, das Ganze gut abgespannt. Es scheint in der Gegend öfters mal ziemlich windig zu sein. Für 30 Yuan, also umgerechnet drei Euro hätten wir mit der Familie in der Yurte übernachten können. Mal kurz durchgezählt, Vater, Mutter und zwei Kinder, dazu die Oma. Das gibt bei geschätzten sechs Metern Durchmessern nicht mehr allzu viel Privatsphäre. Wir bauen also unsere Hightech-Yurte aus der Schweiz gleich daneben auf. Was die Familie wohl von unserer Unterkunft denken mag? Ein bisschen klein vielleicht. Auf die Bewirtung wollen wir aber nicht verzichten, es gibt Reis und Kartoffeln. Einfach, aber sehr lecker! Gelegenheit, um die Einrichtung mal genauer zu begutachten. Auf dem gestampften Boden sind Teppiche ausgelegt. In der Mitte steht ein Kanonenofen,

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