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      6.4.3.1Lautstärke

      Fangen wir einmal ganz banal an: Je weiter hinten ein Signal ist, desto leiser ist es im Kontext zu den Signalen weiter vorne. Pro Verdopplung der Entfernung kann man von einer Reduktion von 6 dB ausgehen.

      6.4.3.2Frequenzverlauf

      Je weiter ein Signal entfernt ist, desto dumpfer wird es wahrgenommen. Bei Spuren, die du in den Hintergrund mischen willst, solltest du also die Höhen leicht absenken.

      6.4.3.3Panorama

      In der Realität verringert sich der Entfernungsunterschied zwischen dem Schallereignis und dem linken bzw. dem rechten Ohr zusehends, je weiter weg ein Schallereignis stattfindet. Daher nehmen wir weit entfernte Schallereignisse nur mit einer eingeschränkten Stereobreite wahr – das Signal rückt immer weiter zur Monomitte.

      Diesen Effekt musst du auch im Mix umsetzen. Im Hintergrund des Mixes dürfen daher nur ca. 20 - 30 % der Stereobreite genutzt werden. Ein weit entferntes Signal kann also nie weit außen im Panorama positioniert werden.

      6.4.3.4Raumeffekt

      Entgegen der allgemeinen Meinung erzeugt ein weiter hinten liegendes Schallereignis nicht zwingend mehr Hall als ein Signal in der Front. Im Gegenteil: da sich alle Signale grundsätzlich im selben Raum befinden, haben auch alle ähnlich lauten Signale den etwa gleichen Hallanteil. Daher ist es für eine authentische Tiefenstaffelung sinnvoll, den Sendregler im Prefader-Modus zu verwenden. So bleibt der Hallanteil immer gleich, egal, wie leise du den Kanal ziehst.

      Wenn man es ganz korrekt machen will, empfiehlt es sich, den gleichen Raumeffekt mit unterschiedlichen Predelays zu benutzen. Je näher dir ein Ereignis im Mix steht, desto länger benötigt es auch, um an den entfernteren (virtuellen) Wänden reflektiert zu werden. Daher bekommen die Signale in der Front den Effekt mit längerem Predelay verpasst.

      Fazit: Willst du ein Signal im Mix nach vorne bringen, machst du es lauter und klar im Klang und nutzt nach Belieben die gesamte Stereobreite aus.

      Soll das Signal im Hintergrund bleiben, machst du es leiser, senkst die Höhen ab und schränkst das Panorama ein. Wenn du willst, kannst du ein kürzeres Predelay im Raumeffekt wählen.

      Wenn du diese Regeln beachtest, sollte ein Mix mit Tiefgang kein Problem mehr darstellen! Durch das Anordnen der Signale hintereinander verminderst du zudem aktiv deren Maskingpotential.

      Produktionen werden dann besonders interessant, wenn es einige „Into-Your-Face-Sounds“ gibt, die einen eben buchstäblich anspringen. Dies schaffst du nur dann, wenn du letztlich viele andere Signale deutlich in den Hintergrund mischst!

      6.4.4Dimension 4: Zeit

      Nein, das ist jetzt keine Raum-Zeit-Theorie aus dem Reich der Science-Fiction. Die Zeit-Dimension ist schlichtweg das mächtigste Mittel, um Maskierungen von Signalen zu vermeiden. Instrumente, die nicht gleichzeitig spielen, können sich schließlich nicht stören. Daher: Hab den Mut, eventuell mühevoll aufgenommene Signale später doch nicht zu verwenden, wenn sie unnötig mit anderen Signalen konkurrieren sollten.

      6.5Die Soft-Skills des Produzierens

      Gemeinsames Musizieren ist auch bei kommerziellen Aufnahmen außerhalb des Freundeskreises etwas anderes als eine rein geschäftliche Zusammenkunft. Der Künstler gibt immer etwas von sich preis. Um dabei optimale Ergebnisse zu erzielen, muss eine gute Atmosphäre herrschen. Dies beginnt mit einer freundschaftlichen Begrüßung und einer kleinen Runde durch deine Räumlichkeiten. Ein guter Kaffee ist bei der Gelegenheit auch nie verkehrt.

      Besonders bei Studioneulingen ist es sinnvoll, dem Gast kurz das Equipment zu erklären, damit er die Scheu von der fremden Technik verliert.

      Die Studioräumlichkeiten sollten aufgeräumt genug sein, um nicht von der Arbeit abzulenken. Mit einer angenehmen Beleuchtung und frischer Luft schaffst du eine gute Atmosphäre.

      Eigentlich nicht nötig zu erwähnen, aber die Technik muss selbstverständlich verlässlich funktionieren. Knackende Kabel, zu laute Kopfhörer oder abstürzende Programme sind sehr nervig für Instrumentalisten oder Sänger.

      Für die Pausen sind Getränke und kleine Snacks praktisch, als Studiodienstleister bist du aber nicht grundsätzlich für die Verpflegung der Kunden zuständig. Am besten, ihr stellt dies und die anderen Spielregeln gleich zu Beginn der Zusammenarbeit fest.

      Viele Hobby-Produzenten nehmen in erster Linie sich selbst auf. Hierdurch entfällt ein maßlos unterschätztes Thema völlig: Lob und Tadel. Beim Aufnehmen anderer wird neben dem Techniker auch der Psychologe in dir gefordert! Du musst so fair zu deinen Kunden sein, dass du sie auch auf Fehler und Verbesserungen aufmerksam machst. Hier ist es aber extrem wichtig, dass die Kritik positiv formuliert und konstruktiv bleibt! Ich weiß, es erfordert teilweise eine engelsgleiche Geduld, lohnt sich aber.

      Ist ein Sänger bzw. Instrumentalist am Aufnahmetag schlecht drauf, versuche ihn aufzubauen, gönne ihm Pausen, weiche auf Alternativspuren aus (Backings oder Rhythmusgeschichten). Im schlimmsten Fall ziehst du freundlich aber bestimmt die Reißleine und brichst den Termin ab, um an einem anderen Tag weiter zu machen.

      Ihr könnt euch dann statt der Aufnahmen über das weitere Vorgehen unterhalten oder du fängst allein mit dem Schnitt der bereits gemachten Aufnahmen an - Carpe Diem!

      Ich muss entschieden davon abraten, zusammen mit euren Kunden zu mischen. Die Arbeit wird unnötig stressig und letztlich nicht objektiv. Jeder Instrumentalist will erfahrungsgemäß sein Instrument lauter und mit zu vielen Effekten versehen haben.

      Schließlich fehlt es den meisten Kunden einfach am Studiowissen und am nötigen Abstand zur eigenen Produktion, um wirklich sinnvolle Beiträge leisten zu können. Das erschrockene Gesicht während du durch ihr Instrument sweepst, um Resonanzen zu suchen, ist zwar immer wieder Gold wert, die unqualifizierten Bemerkungen und Fragen nebenher unterbrechen deinen kreativen Fluss aber immer wieder und stehlen dir Zeit.

      Daher: Ab dem Roughmix solltest du maximal das Band-Mastermind mit ins Studio holen.

      6.6Mut zum Wahnsinn

      Aller Logik und Erfahrung zum Trotz: Manchmal klingt eine absurde Effektkombination oder ein LoFi-Sample genau richtig!

      Typische Beispiele für gewollt „falsche“ Anwendungen:

       Vocals oder Gitarren über Leslie haben immer noch einen besonderen Charme.

       Samples auf der Basis von Natursounds können Titel sehr bereichern.

       Percussions aus geschlagenen Haushaltsgerätschaften oder Holzbrettern haben schon in Welthits für den Takt gesorgt.

       Gesang liegend oder weit entfernt vom Mikrofon aufzunehmen, eröffnet eventuell neue Hörizonte.

       Vocals über Gitarrenbox – dreckig und laut!

       Aufnehmen einer Effektspur mit Kopfhörer als Mikrofon, warum nicht?

       Von hinten ins Mikrofon singen, technisch falsch, aber tonal vielleicht genau richtig!

       Im Badezimmer aufnehmen – kein Effekt macht so einen schönen Kachelsound!

       Ein in den Vordergrund gemischtes Signal mit entferntem Hall aus dem Hintergrund klingt herrlich seltsam und kann der Earcatcher in einem Song sein!

       Melodiesound in mieser LoFi-Qualität klingt überraschend anders und lässt die anderen Spuren automatisch brillanter klingen.

      Was will ich damit sagen? Bei allem Perfektionismus kann eine gewollte stilistische Kante genau das Salz in der Klangsuppe bilden, das ein Song braucht. Mit derart ungewöhnlichen Aktionen kannst du einen

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