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Ich und der Fisch, der Fisch und ich. Dorothea Doris Tangel
Читать онлайн.Название Ich und der Fisch, der Fisch und ich
Год выпуска 0
isbn 9783738004403
Автор произведения Dorothea Doris Tangel
Издательство Bookwire
Als mich tags darauf, nach dem Telefonat mit diesem Knallkopf ein Straßenbahnfahrer nachts auf der Straße stehen ließ, weil er zu faul war die Tür noch einmal zu öffnen, obwohl er hundert Jahre an der Ampel warten musste, hatte ich die Inspiration für diese Ausstellung.
Erst hatte ich es noch freundlich versucht mitfahren zu dürfen, aber er grinste mich nur herablassend an und demonstrierte seine Allmacht, auf die er sich einen herunterzuholen schien und er genoss es richtig, keinen Bock auf Tussis haben zu brauchen. Es war ja spät, wer sollte ihn jetzt noch kontrollieren, es war ja kein Schwein mehr unterwegs!
Als er davonfuhr brüllte ich: „ja, iss es denn zu glauben? So ein Vollidiot!“, um mir den Frust von der Seele zu laden, damit ich es nicht noch ewig mit mir herumschleppen muss.
Um diese Uhrzeit fahren die Bahnen in dieser Gegend recht selten und es hätte ihn nicht einmal ein müdes Lächeln gekostet, sogar nur den halben Zeigefinger umzubiegen, um das kleine Knöpfchen zu drücken, mit dem sich die Türen automatisch öffnen. Er musste noch nicht einmal aufstehen oder den Arm heben! Er suhlte sich richtig darin, mich auflaufen zu lassen. Der Arsch!
Als ich zurück zum Trottoir ging, entdeckte ich hinter mir 5 weitere Frauen, die auch gehofft hatten noch mitkommen zu können. Ich sah sie an und sagte: Dieser Machoarsch!“, dabei schwenkte ich meine geballte Faust der davonfahrenden Bahn hinterher und musste lachen. Da nickten sie alle und lachten mit mir. Das lockerte den Frust etwas auf und ihre Anteilnahme war erfrischend.
Ich fühlte eine Verbundenheit wie schon lange nicht mehr. Wir waren nur Frauen und der Straßenbahnfahrer musste Frauen wirklich hassen, um uns nachts in dieser einsamen Gegend „mitten“ auf der Straße stehen zu lassen.
Während ich wartete, schaute ich mir meine Leidensgenossinnen an. Es waren 2 junge Studentinnen, mit großen Büchertaschen unterm Arm, eine ältere Dame in feinem Zwirn, wahrscheinlich auf dem Nachhauseweg vom Theater und noch ein mittelaltes Frauenliebespärchen, das sich an der Hand hielt. Da dachte ich: warum laufe ich eigentlich irgendwelchen Spinnern hinterher, um eine Ausstellung machen zu können? Ich brauche doch keine Erlaubnis von einem Mann. Warum wollte ich denn diesesmal als Frau in Mitteleuropa geboren werden? Um die Chance zu haben alleine, ledig und selbstständig leben und arbeiten zu können, ohne einen Mann der mich doch nur schlägt und vergewaltigt und verlangt mich zurückzuhalten. Auch wenn ich alles andere als Selbstständig bin, ich habe 4 Jahre gebraucht, um das Wort „Co- Abhängigkeit“ in vollem Umfang zu begreifen. Dabei habe ich es erfunden. Ich mache immer anderer Leut´ s Probleme zu meinen und vergesse dass eigene Bedürfnisse zu haben völlig in Ordnung ist.
Ich hatte gerade genug Geld und befand mich in einer manischen, also euphorischen Phase der Depression und das musste genutzt werden. So mietete ich mir das Bürgerhaus in Bockenheim, ein richtig großer Saal, suchte mir 30 Malerinnen über Anzeigen zusammen und organisiert alles selber. Dafür brauchte ich 5 Monate, kam kaum zum Schlafen, machte auch die Werbung und lernte zeitgleich wie man einen Computer bedient, wegen e-mail schreiben, verteilte Plakate und Flyer und machte so die erste große „Frauen in der Kunst Ausstellung“ in Frankfurt überhaupt und nannte sie: die Rettung der Venus.
Wenn die weibliche Energie nichts mehr zählt, geht alles vor die Hunde. Sie ist der Ausgleich zur materiellen Welt und bringt Wärme in den Alltag. Wenn wir das in uns nicht mehr achten, egal ob Mann oder Frau, bekommt unser Leben eine ungesunde Schieflage und wir werden keinen Frieden finden. Verbinden, nicht Trennen ist der Schlüssel zum Überleben der gesamten Menschheit, auch wenn es pathetisch klingen mag.
Heute ist es mir egal ob einer meine Sachen naive Malerei nennt und der Typ damals wollte sich nur an mir abreagieren und mich beleidigen. Sollen sie doch ihre eigenen Bilder malen wenn ihnen meine nicht passen, sie müssen ja nicht hingucken. Aber weggucken können sie dann auch nicht. Ich muss sowieso Kritik aushalten lernen. Sie schlagen mich ja nicht mehr.
Als ich diesen kleinen Raum von dem Dünnbrettbohrer entdeckt hatte, hingen dort nur Bilder von exakt abgemessenen Quadraten und es berührte mich im Innern nicht im Geringsten. Ich ging wie ich gekommen war. Nachdem ich das Bild „Guernica“ von Picasso gesehen hatte, oder Frida Kahlos Ansichten ihrer Wirbelsäule oder die über ihre Beziehung zu Diego war ich im Innern verändert. Ich war danach einfach nicht mehr dieselbe!
Meine Kunst ist leidenschaftlich und das ist alles was ich brauche wenn mich ein Bild anspricht, ich will dass mich etwas bewegt! Auch ein einzelner Strich kann sinnlich sein. Ich mache eher native als naive Kunst. Es kommt immer alles von ganz tief innen drin! Autsch!
Nix gegen Quadrate! Ich liebe Quadrate! Gerade die Viereckigen! Aber dieser Typ wollte mich in seine kleine Streichholzschachtelschubladenkommode quetschen, die sein unterentwickelter Kunstsinn zur Verfügung hatte, da er Angst hat genau hinzusehen und da habe ich noch nie hineingepasst. Seine Welt war einfach zu eng für mich.
An solchen Begebenheiten liegt es natürlich dass ich diesen Bildungsneid entwickelt habe, und er war nicht der einzige der meinte, nur Akademiker dürfen sich mit Kunst schmücken. Aber ich erschaffe Kunst, ich konsumiere sie nicht und ich habe schon in jungen Jahren Ähnliches erlebt, als ich mich am Städl bewarb.
Ich malte schon immer und seit meinem 15. Lebensjahr sogar in Öl und es war mir von Anfang an klar dass die Kunst mein Leben ist. Auch wenn ich mir einreden ließ, dass ich das nicht sein durfte. Irgendwie taten meine Eltern so als sei ich kriminell weil ich so veranlagt war. Ich machte aber von Anfang an nichts anderes als Dinge zu erfinden, herzustellen und bunt anzumalen. Mit 14 trug ich schon meine eigene selbstentworfene und selbst genähte Garderobe und auch wenn alle an der Straßenbahnhaltestelle blöd grinsten lief ich doch hocherhobenen Hauptes durch die Straßen damit, weil es mich mit unendlichem Stolz erfüllte etwas Eigenes geschaffen zu haben. Das war meins! Das war meine Idee und ich war nicht abhängig von den Sachen aus den teuren Läden in der Stadt, die wir uns sowieso nicht leisten konnten, ich war die Letzte in der Schule, die eine Jeans bekam. Ich machte nun meine eigene Mode!
So etwas ist angeboren und mein großer Traum war es nun Mal Kunst zu studieren. Das war meine Welt und damit wollte ich auch mein Geld verdienen, denn schon immer kamen Leute, auch im Kindergarten und nahmen meine Bilder mit und ich besitze nur noch ein einziges von vor 1984.
Aber bei der Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule war ich nicht kompatibel und passte nicht in die vorherrschende etablierte Gesellschaft. Der Direktor wollte mich nur schnell loswerden. Er sah meine Bilder noch nicht einmal an, als könnte er irgendwie riechen dass meine Nase grün war, sondern fragte mich stattdessen nur: „Was sind ihre Eltern von Beruf?“ Als ich brav und auch stolz geantwortet hatte: „Drucker und Krankenschwester“, reichte ihm das schon und ich war auf der Stelle durchgefallen. Ich verschwieg dass mein Vater ungelernt war und meine Mutter auch keine Ausbildung hatte. Sie holte das später, als sie 40 wurde nach.
Es kam zu einem riesen Krach weil alle Lehrer mich nehmen wollten, er aber unnachgiebig blieb. Eine Lehrerin hielt immer wieder eines meiner Gemälde oder eine Zeichnung hoch, während er mich mehrmals fragte: „Wie wollen sie das Studium finanzieren?“ „Irgendwie“ sagte ich immer wieder, „ich werde das schon hinkriegen“. Ich hatte immer irgendwelche Fahrerjobs und sang in Bands, damit konnte ich mich ganz gut über Wasser halten. Wo lag das Problem?
Aber er ließ sich nicht erweichen. Zum Schluss meinte er, ich sei viel zu jung zum studieren. Ich war zwar gerade 18 geworden, aber ich sah immer noch aus wie 14. Mit 26 ließ man mich ein Türsteher noch nicht einmal in die Disko, weil er meinte ich sei noch keine 16. Erst als ich meinen Ausweis zeigte ließ er mich rein. Wir Frauen mögen das, aber bei dieser Bewerbung war es eine Katastrophe.
Nach dieser Absage lief ich heulend am Main entlang nach Hause. Ich hatte eine extra große Stofftasche genäht, um die Ölschinken auf meinem Fahrrad transportieren zu können, die mir jetzt zwischen den Beinen baumelten. Alle Träume zerstört. Mein Leben war zu Ende und ich war wieder Mal