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Die große Ratlosigkeit. Anton Weiß
Читать онлайн.Название Die große Ratlosigkeit
Год выпуска 0
isbn 9783847692089
Автор произведения Anton Weiß
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Издательство Bookwire
Die oft bis ins Einzelne gehenden Vorschriften der EU, die das tägliche Leben regeln wollen, werden von vielen als unerträglich empfunden, wie z. B. dass künftig eine Kaffemaschine nach fünf Minuten abschalten muss, damit kein unnötiger Strom verbraucht wird - von den Vorschriften für korrekte Lebensmittel wie der Krümmung von Gurken, der Länge des Spargels und der Makellosigkeit von Äpfeln gar nicht zu sprechen.
Der Limburger Bischof Tebartz-van Elst veruntreut Stiftungsgelder in Millionenhöhe, um die Rechnungen für den Bau des Diözesanen Zentrums bezahlen zu können, dessen Kosten statt der ursprünglich veranschlagten fünf bis sechs Millionen jetzt auf über 30 Millionen gestiegen sind (SZ 17.2.14). Es sind Gelder aus einer 1949 gegründeten Stiftung, deren Erträge für arme, kinderreiche Familien verwendet werden sollten.
Die massenhafte Verabreichung von Antibiotika in der Tierzucht – Lachsfarmen kommen ohne Antibiotika nicht aus, aber auch in der Schweine- und Geflügelzucht werden Antibiotika eingesetzt, zum Teil zur Abwehr von Krankheiten, zum Teil zur schnelleren Fleischgewinnung – hat eine zunehmende Resistenz von Krankheitsbakterien zur Folge, so dass die WHO betont, dass die Resistenz „jetzt eine der Hauptgefahren für die Gesundheit“ ist (SZ 2.5.14).
Es geht immer ums Geld. Auch denjenigen, die predigen, dass Geld nicht alles ist, geht es ums Geld. Jeder kennt den Ausspruch: „Geld macht nicht glücklich“, und es ist heute nachgewiesen, dass ab einem bestimmten Einkommen das Glück nicht mehr zunimmt.
Die Kirche, die im Geist Jesu sagt: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ hält sich in keiner Weise daran, das Geld gering zu achten. „Fest im Glauben an hohe Renditen’“ ist die Überschrift eines Artikels in der SZ vom 1.2.14, der aufzeigt, wie der Finanzchef der evangelischen Kirche Gelder in hochriskante Anleihen investiert hat.
Steuerhinterziehung galt lange Zeit als Kavaliersdelikt. Das änderte sich im Bewusstsein der Öffentlichkeit, als zunehmend deutlich wurde, welche Millionenbeträge dadurch jährlich dem Gemeinwesen entzogen wurden. Deshalb schlug es dann hohe Wellen, als sich herausstellte, dass auch so Prominente wie Uli Hoeneß und Alice Schwarzer Steuern hinterzogen - bei Hoeneß waren es von anfangs zugegebenen 3,5 Millionen am Ende 28 Millionen - --- hinterzogene Steuern wohlgemerkt, nicht Einkommen, von dem er die Steuern nicht bezahlt hätte! Dabei empörte nicht nur die Höhe der hinterzogenen Steuern, sondern insbesondere die Enttäuschung darüber, dass die genannten Personen für integer gehalten worden waren.
Jährlich werden schätzungsweise 40 Millionen männliche Küken vergast oder geschreddert, weil sie „weder Eier legen noch genügend Fleisch ansetzen“ (SZ 15.5.14).
I/2. im gesellschaftlichen und sozialen Bereich
Ich glaube, nicht zu hoch zu greifen, wenn ich behaupte, dass die Plagiate von Karl-Theodor zu Guttenberg und Annette Schavan, mit denen sie ihre Doktorarbeit erschlichen haben, die bundesdeutsche Gesellschaft erschüttert haben.
Enttäuschend bei Guttenberg war gar nicht so sehr die Verfehlung, seine Doktorarbeit zu erheblichen Teilen abgeschrieben zu haben, ohne die Quellen zu nennen, sondern dass sein Erscheinungsbild eine Korrektheit und eine moralische Integrität vermittelt, die eben nicht gegeben, sondern nur vorgetäuscht sind.
Ähnlich ist es bei Annette Schavan, die noch dazu die Stirn besaß, sich an der Universität München als externes Mitglied des Hochschulrats wählen zu lassen (1.10.13), also an den Ort (Universität), an dem ihre Verfehlung stattgefunden hat, obwohl der Plagiatsvorwurf schon im Mai 2012 erhoben wurde. Ihre Glaubwürdigkeit bedeutete ihr wohl nichts.
Beiden wurde inzwischen der Doktortitel aberkannt. Schavans Doktorarbeit trug ironischerweise den Titel: „Person und Gewissen“. Auch das ein Beispiel, wie sehr hehre Ideen und die eigene Lebenswirklichkeit auseinander klaffen, was ich in Teil II darlegen werde.
Für repräsentative Großprojekte ist immer Geld vorhanden, sei es für den Berliner Großflughafen BER, der inzwischen Milliarden verschlungen hat und immer noch nicht eröffnet werden konnte, den Transrapid von München zum Franz-Josef-Strauß-Flughafen, für den ebenfalls Milliarden vorgesehen waren, dann aber nach erheblichem Widerstand doch nicht gebaut wurde, oder den unterirdischen Bahnhof von Stuttgart, der ebenfalls Milliarden kosten wird - aber für soziale Dienste wie Bezahlung von Krankenschwestern, Pflegeberufe, Lehrer an Gymnasien und anderen Schularten, Behinderteneinrichtungen, Bekämpfung der Drogensucht etc. werden nur ungenügend finanzielle Mittel bereitgestellt.
Viele Menschen leben heute umwelt- und gesundheitsbewusst. Da stößt es auf Unverständnis, wenn Bio-Lebensmittel weite Wege zurücklegen und immer mehr aus dem Ausland herbeigeschafft werden (SZ vom 13.2.14).
Deutsche Kartoffeln werden zum Waschen nach Italien transportiert, Unterwäsche wird, nur um die Ränder zu säumen, von Deutschland nach Portugal verfrachtet und wieder zurückgebracht.
Die EU-Kommission war drauf und dran, das Wasser zu privatisieren. Nur ein Proteststurm – zwei Millionen Unterschriften gegen die Privatisierung – hielt sie schließlich von diesem Vorhaben ab. Aber selbst an ein solch überwältigendes Votum aus der Bevölkerung wäre sie nicht gebunden gewesen!
Die Kluft zwischen Arm und Reich nimmt immer mehr zu (SZ 27.2.14). Als dies 2013 im Armutsbericht der Regierung stehen sollte, legte die FDP Widerspruch ein. Die Aussagen „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt“ und dass 2010 „mehr als vier Millionen Menschen für einen Bruttolohn von unter sieben Euro“ arbeiteten und die Aussage: „Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken“ mussten auf Drängen der FDP aus diesem Bericht gestrichen werden. Die FDP hat damit verhindert, dass der Armutsbericht ungeschönt veröffentlicht wird und darauf gedrungen, dass das zunehmende Auseinanderklaffen von Reichen und Armen in Deutschland verschleiert wird (SZ 6.3.13).
Ebenfalls auf Drängen der FDP wurde im Hotelgewerbe ein Mehrwertsteuersatz von nur 7 statt 19 % eingeführt.
„Das oberste eine Prozent häuft Reichtümer an, hat aber dabei den 99 Prozent nichts als existenzielle Unsicherheit beschert“ heißt es in einem Bericht der SZ vom 8./9.2.14 über prominente Steuerhinterzieher in Deutschland.
Das viel beachtete Buch von Thomas Piketti „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ – ich zitiere aus der Rezension von Thomas Steinfeld in der SZ vom 22.4.14 – zeigt überzeugend auf, dass das landläufigste aller Vorurteile, „dass die Reichen immer reicher werden, während die Armen meistens arm bleiben“ zutrifft. In den USA haben etwa 10 % der Amerikaner über 70 % des nationalen Reichtums, das oberste eine Prozent hat über die Hälfte. Während John f. Kennedy im Jahr 1963 noch überzeugt war, dass „eine Flut alle Boote hebt“, womit er ausdrücken wollte, dass vom Wirtschaftswachstum zwar die einen mehr, die anderen etwas weniger, am Schluss aber alle etwas davon haben, kann Piketty nachweisen, dass dies ein Irrtum war: Etwa 60 % des Zuwachses an Produktivität kam keineswegs denen zugute, die ihn hervorgebracht haben, sondern Investoren und ihren Managern. Die Tatsache, dass sich mehr Leistung für die Menschen nicht lohnt, rührt an die Grundlagen dieser Gesellschaft. Obwohl sich Piketty streng an empirische Daten zu halten versucht, kann er nicht umhin zu konstatieren, dass dies „schreckliche“ Folgen für den Zusammenhalt der Gesellschaft haben könne.
In München werden Wohnungen luxussaniert. Die alteingesessenen Bewohner werden oft mit üblen Methoden zur Räumung veranlasst – wie Absperren des Wassers oder des Stroms. Für die meisten ehemaligen Mieter sind die Wohnungen nach der Renovierung unerschwinglich.
Ratlosigkeit entsteht auch dadurch, dass viele einzelne Menschen, aber auch Organisationen wie Amnesty Inernational oder Greenpeace oder auch einzelne Staaten darum bemüht sind, mehr Menschlichkeit, mehr Gerechtigkeit und