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Epigenetik in der hausärztlichen Praxis. Joachim Strienz
Читать онлайн.Название Epigenetik in der hausärztlichen Praxis
Год выпуска 0
isbn 9783754123140
Автор произведения Joachim Strienz
Жанр Медицина
Издательство Bookwire
Durch die Kompaktheit dieser Konformation können Gene stillgelegt oder auch wieder aktiviert werden, je nachdem mit welchen Substanzen mit den kurzen Aminosäureketten der Histone reagieren.
Auch hier spielt der Methylierungs-Grad eine große Rolle. Ein geringer Methylierungs-Grad fördert nämlich die Genexpression, ein hoher hemmt sie.
Aber eigentlich hängt die Genexpression hauptsächlich von einem Wettbewerb zwischen Acetyl- und Methylgruppen an den Histon-Armen ab. Denn wenn diese überwiegend acetyliert sind, dann wird die Genexprimierung gefördert. Im Gegensatz dazu setzen hochgradig methylierte Histone in der Regel die Genexpression wieder herab.
Diese Acetylgruppen senken dann auch den pH-Wert. Dies scheint auch einen Einfluss auf die Aktivierung zu haben.
Woher kommen denn eigentlich die Methylgruppen?
SAM liefert die Methylgruppen. SAM ist die Abkürzung für S-Adenosyl-Methionin. Wir werden später noch ausführlicher den Methionin-Zyklus kennenlernen. Durch diesen Zyklus wird SAM bereitgestellt.
Das für die Acetylierung erforderliche Acetyl kommt vom Acetyl-Coenzym A.
3. Zinkfingerproteine
So genannte Zinkfinger sind Strukturen von Proteinen, die eine Schlüsselrolle bei der Genaktivierung spielen. Damit Gene überhaupt abgelesen werden können, müssen sich zunächst bestimmte Proteine, die Transkriptionsfaktoren genannt werden, an das entsprechende Gen anheften. Nur so kann die Transkription, also das Auslesen der Gene, beginnen. Die Transkriptionsfaktoren müssen dann ihre spezielle Bindungsstelle an der DNA ausfindig machen. Jeder dieser Transkriptionsfaktoren ist für eine ganz bestimmte Stelle an der DNA spezialisiert. Ihre Aminosäurekette ist aufgrund eines formbestimmenden Zink-Ions so gefaltet, dass sich Vorsprünge ausbilden können, die man dann als Zinkfinger bezeichnet, weil sie wie Finger aussehen. Bisher hat man mehr als 200 Zinkfinger-Proteine nachweisen können. Zu den Zinkfingerproteinen zählen beispielsweise auch die Rezeptoren für die Steroidhormone.
Die Hauptfunktion der Zinkfingerproteine besteht also in der Bildung eines stabilen Komplexes mit der DNA.
4. Leucin-Zipper
Dies ist auch ein Transkriptionsfaktor.
Das Wort „Zipper“ kommt aus dem Englischen und heißt übersetzt „Reißverschluss“. Diese Bezeichnung geht aus der Strukturbeschreibung bestimmter Proteine hervor. Bei diesen Proteinen treten in einem bestimmten Abschnitt in regelmäßigen Abständen Leucin-Reste auf. Leucin ist eine Aminosäure. Alle Leucine befinden sich auf einer Seite der DNA und sie weisen alle in die gleiche Richtung und sehen dann aus wie die Reißverschlusszähne, die auf einer Naht sitzen. Auf diese Weise wird ebenfalls das Ablesen bestimmter Gene reguliert.
5. Micro-RNA
Micro-RNA (miRNA) sind kurze RNAs, die eine wichtige Rolle in dem komplexen Netzwerk der Genregulation spielen. Micro-RNAs regulieren also auch die Genexpression.
Micro-RNA ist eine Variante der RNA. Sie scheint eine Transkription einzelner Gene zu unterdrücken und übt damit quasi eine entgegengesetzte Funktion aus wie die mRNA.
Micro-RNA erkennen spezifische Basenpaarungen an der mRNA und bindet sich an diese, was dann die Translation reguliert. Zusätzlich fördern sie die Bindung von speziellen Proteinen an bestimmte DNA-Abschnitte und verändern durch Modifikation von Histonen die Genexpression. Damit spielen sie eine wichtige Rolle bei der Zellproliferation und Zelldifferenzierung.
Micro-RNAs steuern also die Aktivität der Gene in unseren Zellen. In den Nervenzellen im Gehirn beeinflussen sie so unser Verhalten oder unsere Reaktion auf die Umwelt. Es sind Prozesse, die oft bei psychischen Erkrankungen fehlreguliert sind. Jetzt wurden Micro-RNAs gefunden, die beispielsweise als körpereigenes Antidepressivum wirken oder einen angemessenen Umgang mit stressigen Situationen ermöglichen.
Das An- und Abschalten von Genen geschieht auf unterschiedliche Weise. Wie es geschieht ist zunächst nicht wichtig. Letztendlich aber ist es doch wichtig, weil wir nur so weitere Erkenntnisse bekommen und weitere Therapien entwickeln können.
Wichtiges für die hausärztliche Praxis:
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Gene an- oder abgeschaltet werden. Am häufigsten geschieht dies über die Methylierung der DNA. Viele Steuerungs-Mechanismen sind allerdings bisher noch immer nicht in allen Einzelheiten geklärt.
4. Was beeinflusst das Epigenom?
© Gabi Schoenemann_pixelio.de
Epigenetische Prozesse führen zu Reaktionen, ohne dass dabei unsere Gene verändert werden müssen. Es werden nämlich dabei nur Gene aktiviert oder deaktiviert. Das ist neu. Das ist noch nicht allgemein bekannt. Epigenetische Veränderungen entstehen durch Umweltfaktoren und Lebensstil, Bewegung und Ernährung. Oder auch durch ein Suchtverhalten. Umgekehrt haben günstige Umweltbedingungen oder ein gesunder Lebensstil einen vorteilhaften Einfluss auf die epigenetischen Modifikationen.
Epigenetische Prozesse scheinen bei vielen Krankheiten eine Rolle zu spielen. Epigenetische Veränderungen sind aber beeinflussbar und auch wieder reversibel. Die Pharmaindustrie versucht jetzt intensiv neue Medikamente zu entwickeln, die einen Einfluss auf die Epigenetik haben. Aber auch bereits heute existierende Substanzen sind ebenfalls einsetzbar. Darüber wird später noch ausführlich berichtet werden. Die natürlichen Substanzen sind allerdings für die Pharmaindustrie nicht interessant, weil sie nicht patentierbar sind. Es müssen also neue Stoffe entwickelt werden.
In diesem Kapitel sollen epigenetische Veränderungen verschiedener Erkrankungen aufgezeigt werden.
Adipositas (Übergewicht)
Die Anzahl der Menschen mit Übergewicht nimmt in den westlichen Ländern stetig zu. Dies führt dann auch zu einem Anstieg von Diabetes mellitus und anderen Stoffwechselerkrankungen. Auch der Blutdruck steigt weiter an und muss dann behandelt werden. Neben Ernährungsfehlern und Bewegungsmangel tragen auch epigenetische Mechanismen dazu bei, dass diese Erkrankungen zunehmen. Übergewicht entsteht dann, wenn die Kalorienzufuhr den Energieverbrauch übersteigt. Ein Lebensstil, der diesen Mechanismus begünstigt, wird in vielen westlichen Ländern gepflegt.
In diesem Bereich stellt die Epigenetik eine wichtige Verbindung zwischen der menschlichen Genetik und den vorhandenen Umweltfaktoren dar. Essverhalten und körperliche Aktivität haben einen Einfluss auf epigenetische Mechanismen und damit auch auf Übergewicht und Diabetes. Die Untersuchungsergebnisse sprechen auch hier für eine DNA-Methylierung in metabolisch relevanten Organen wie Leber, Bauchspeicheldrüse, Muskulatur und Fettgewebe. Aber auch Histon-Modifizierungen treten bei Adipositas auf.
Im Vergleich zu Krebserkrankungen ist aber das Ausmaß der epigenetischen Veränderungen bei Stoffwechselerkrankungen geringer und noch viel weniger erforscht. Es sieht derzeit so aus, dass es dabei nicht zu einem kompletten Abschalten der Gene kommt, sondern eher zu einer Feinregulierung von verschiedenen Genen, die alle am Stoffwechsel beteiligt sind.
Hunger und Mangelernährung erzeugen epigenetisch vermittelte Auswirkungen auf den menschlichen Organismus. Diese Veränderungen werden dann auch auf nachfolgende Generationen vererbt. Dies konnte durch Studien eindeutig belegt werden. Ungeborene, die während der Embryonalzeit Hunger litten und dadurch ein erniedrigtes Geburtsgewicht hatten, entwickelten in ihrem späteren Leben häufiger ein Übergewicht und Diabetes mellitus als die Durchschnittsbevölkerung. Die Ausprägung des Übergewichts war abhängig vom Entwicklungsstadium, in dem der Hungerzustand erstmals auftrat.
Bislang