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      Vorwort

      „Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“

      (Benjamin Franklin)

      Dieses Buch soll den Lesenden einen Mehrwert bieten. Wer sich noch nie mit dem Genossenschaftsrecht beschäftigt hat, erhält hier einen Schnellflug durch die Geschichte der Genossenschaften bis in die Neuzeit. Es wird gezeigt, wie diese Rechtsform mit der eigenen Familie gegründet werden kann. Das Konstrukt einer Familiengenossenschaft ethisch zu hinterfragen, hat es bislang in der deutschen Literatur nicht gegeben. Höchste Zeit, das zu ändern! Im Rahmen meines berufsbegleitenden Studiums der „Angewandten Ethik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster konnte ich genau diesem Wunsch nachgehen. Der Inhalt des Buches entspricht daher meiner Hausarbeit zur Erlangung des „Master of Advanced Studies in Applied Ethics“.

      Es handelt sich tatsächlich um eine Gute-Nacht-Geschichte. Entweder wird es den Lesenden zu komplex und sie schlafen ein. Oder sie verstehen das Konstrukt, schlafen eine Nacht darüber und fangen dann an zu Handeln.

      In diesem Sinne: Hauen wir eine Delle ins Universum!

      Gute Unterhaltung wünscht

      Martin Campe

      Münster, im Herbst 2020

      Rechtlicher Hinweis

      Diese Aufzeichnungen geben meine persönlichen Erfahrungen und Interpretationen der Rechtsprechung, Literatur, Gesetze und rechtlichen Kommentare zum Zeitpunkt der Erstellung wieder. Sie ersetzen auf keinen Fall eine einzelfallbezogene, individuelle rechtliche und steuerliche Beratung durch den eigenen persönlichen, rechtlichen und steuerlichen Berater der Lesenden.

      Einleitung

      Ausgangssituation und Aufgabenstellung

      Bei der Gründung eines Unternehmens stehen die Gründer vor vielfältigen Herausforderungen. Die Wahl der Unternehmensform stellt eine zentrale Aufgabe dar. Mit der Unternehmensform legen die Gründer die wirtschaftliche Ausrichtung fest. Grundsätzlich sollte jedes Unternehmen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg anstreben. Spannend wird es bei der Frage, wie sehr dabei auf die Menschen geachtet wird. Steht der Mensch oder das Kapital im Vordergrund? Wie kann ein Unternehmen neben dem wirtschaftlichen Nutzen auch den prudentiellen Nutzen (Wohlergehen) der einzelnen Personen einbeziehen? Wie kann ein Unternehmen seinen moralischen Ansprüchen gerecht werden?

      Unter diesen Aspekten soll die Gründung einer Familiengenossenschaft detailliert analysiert werden.

      Studienüberblick

      Am 01.10.1889 trat das deutsche Genossenschaftsgesetz in Kraft. Somit wurde eine rechtliche Rahmenordnung bereitgestellt, die es erlaubt, eine Genossenschaft zu gründen. Im Jahr 2006 kam es zu einer Novellierung des Gesetzes. Die Mindestanzahl der Mitglieder wurde von sieben auf drei geändert. Somit sollte die Gründung von Kleinstgenossenschaften gefördert werden. Zudem wurde der Förderzweck der Genossenschaften um soziale und kulturelle Belange erweitert. Das Jahr 2012 wurde von der UNO zum Jahr der Genossenschaften erklärt. Seit dem 30.11.2016 ist die „Idee und Praxis der Organisation gemeinsamer Interessen in Genossenschaften“ auf der repräsentativen UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit eingetragen. Im Jahr 2018 wurden 200 Jahre Friedrich Wilhelm Raiffeisen gefeiert. Raiffeisen gilt als einer der Gründerväter der genossenschaftlichen Idee. Aktuell sind in Deutschland über 22 Millionen Menschen Mitglied in einer von über 8.000 Genossenschaften.

      Bei der Wahl der Unternehmensform liegt die Genossenschaft jedoch klar hinter anderen Unternehmensformen zurück. So wurden laut dem statistischen Bundesamt im Jahr 2017 ca. 64.000 GmbHs gegründet. Die Zahl an Genossenschaften betrug im selben Zeitraum nur 217. Wie kommt es zu so einem großen Unterschied? Schon im Jahr 2015 gab das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hierzu eine Studie in Auftrag. Berater von Kienbaum und die Universität Köln sollten „Potentiale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft“ klären. Die 358 Seiten starke Studie erörtert zunächst die Genossenschaft selbst und spricht dann aufgrund empirischer Studien (Auswertung von Interviews) politische Handlungsempfehlungen aus.

      Die Studie gibt einen allgemeinen Überblick. Jedoch geht sie nicht explizit auf die Gründung von Kleinstgenossenschaften bzw. Familiengenossenschaften ein. Zudem werden als Hemmnisse zumeist wirtschaftliche Aspekte, in Form von hohen Gründungskosten oder fehlende Rechtssicherheit der Gründer, angeführt. Die Werte und Merkmale von Genossenschaften werden zwar angeführt, eine ethische Auseinandersetzung erfolgt jedoch nicht.

      Ziel der Arbeit und Vorgehensweise

      Es gilt zu klären, ob die Familiengenossenschaft eine moralisch empfehlenswerte Unternehmensform darstellt. Hierzu werden zunächst in den theoretischen Grundlagen die zentralen Begriffe und Grundprinzipien vorgestellt. Als Vergleich zu der Genossenschaft wird die Gründung eines Vereins und die Gründung einer GmbH herangezogen. Im Kapitel drei werden die Entwicklung der Genossenschaft sowie zentrale Thesen der Unternehmensethik dargestellt. Anschließend wir die tatsächliche Gründung einer Genossenschaft mit der eigenen Familie analysiert. Die hierbei auftretenden moralischen Aspekte werden umfassend beleuchtet. Die daraus resultierenden Erkenntnisse und das abschließende Fazit runden diese Arbeit ab.

      Theoretische Grundlagen

      Dieses Kapitel dient zur Einführung in die Thematik und dem Aufbau eines Grundwissens rund um die Genossenschaft, ihrer Gründung und den damit einhergehenden wirtschaftsethischen Herausforderungen. Was zeichnet eine Genossenschaft aus? Wie läuft eine Gründung ab? Was bedeutet Unternehmensethik? Diese Fragen gilt es zu klären.

      Genossenschaftsidee

      Der Ausspruch „Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele“ von Friedrich Wilhelm Raiffeisen beschreibt die Grundausrichtung einer eingetragenen Genossenschaft (eG) durchaus treffend. Einzelne Persönlichkeiten schließen sich zu einer Gemeinschaft zusammen, um gemeinsam mehr zu erreichen. Die Genossenschaft stellt sich hierbei jedoch niemals über die Einzelpersönlichkeit. Dann würde die Genossenschaft zu einem Kollektiv, welches die freie Einzelpersönlichkeit verleugnet (vgl. Paulick 1956, S. 12). Genossenschaften gründen sich freiwillig.

      Die drei Grundprinzipien der Genossenschaft sind:

      1 Selbsthilfe

      2 Selbstverwaltung

      3 Selbstverantwortung

      Durch diese Grundeinstellung nimmt die Genossenschaft ihr Schicksal bis zu einer gewissen Grenze selbst in die Hand. Sie vertraut nicht ausschließlich darauf, dass sich wirtschafts- und gesellschaftspolitische Angelegenheiten durch den Markt selbst regulieren. Die Mitglieder helfen sich gegenseitig, um gemeinsam ihre Situation zu verbessern. Wie sehr sich die Mitglieder für das Wohl der anderen Mitglieder einsetzen, hängt stark von den sozialen Beziehungen der Mitglieder untereinander ab. Da diese Arbeit die Familiengenossenschaft beleuchtet, wird der Begriff Familie im Folgenden definiert.

      Familie

      „Familie bezeichnet die rechtlich gesicherte Lebens- und Hausgemeinschaft eines Ehepaares mit seinen eigenen (unmündigen) Kindern“ (vgl. Gukenbichl 1986, S. 83). Laut Artikel 6 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland steht die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dies ist nicht verwunderlich, da die Familie mit der Reproduktion und Sozialisation unverzichtbare Funktionen in der Gesellschaft übernimmt (vgl. Klein 2013, S. 10). In der hier vorliegenden Arbeit ist die Familie eine Gruppe von Menschen, die in einem direkten verwandtschaftlichen Verhältnis stehen, sowie deren Ehepartner und gemeinsame Kinder. Die oftmals als elementar angesehene Hausgemeinschaft muss nicht bestehen.

      Abgrenzung der Rechtsform

      Im Folgenden wird auf zentrale Gründungsaspekte einer Genossenschaft im Vergleich zu einem eingetragenen Verein (e.V.) oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung

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