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Leibgarde. Es trug ein weißes Kleid mit vielen Rüschen. Das lange, blonde Haar hing zerzaust um ein stoppeliges Gesicht. Moment mal – Stoppeln?? Ganz deutlich war da ein dunkler Stoppelbart zu sehen. Und so richtig lieblich sah das Gesicht auch nicht aus.

      Das Wesen kümmerte sich nicht weiter um die Zuschauer. Es hob die Arme und schnüffelte an sich herum. „Ja, eine Dusche wäre wirklich nicht schlecht. Man will ja schließlich einen guten Eindruck machen.“ Mit einer schnellen Handbewegung riss es sich die blonde Mähne vom Kopf. Darunter kamen kurze, pechschwarze Haare zum Vorschein. Und lebhafte, schwarze Augen musterten nun neugierig die Bewohner der Burg.

      Mister Fletcher tippte dem König auf die Schulter. Aber der rührte sich nicht, obwohl er jetzt den Gast hätte begrüßen sollen. Er war in einem Zustand völliger Erstarrung und brachte kein Wort heraus. Also trat Mister Fletcher vor.

      „Eure durchlauchtigste Morgentauprinzessin, wir fühlen uns sehr geehrt, dass Ihr zu uns gekommen seid.“

      „Bleib cool, Alter. Ist ja eine nette Begrüßung, aber ich glaube, die gilt nicht mir.“ Das Wesen kratzte an den Bartstoppeln herum. „Tut mir leid, dass ihr euch so viel Mühe gemacht habt. Aber ich bin nur die Vertretung. Die Morgentauprinzessin kann nicht kommen.“

      Die Köchin Mathilde schnappte nach Luft, und die Zofen mussten die Königin stützen, damit sie nicht in Ohnmacht fiel.

      Mister Fletcher setzte seine strenge Amtsmiene auf. „Und wer seid Ihr?“

      Das Wesen grinste ihn an. „Ich bin Ull, ein ganz normaler Typ. Keine Durchlaucht oder so was. Einfach Ull. Ich bin sozusagen die Vertretung. Ihr wisst ja wie es so ist mit Prinzessinnen. Ganz hübsch, aber super empfindlich. Ein bisschen Kopfschmerzen, und schon hat sie sich krank gemeldet. Na ja, da haben sie eben auf die Schnelle keinen anderen gefunden als mich. Ich soll sie dieses Jahr hier vertreten. Ist schon klar, dass das alles nicht so richtig hinhaut, weil ich ja nun mal ein Kerl bin. Aber wir werden das schon irgendwie auf die Reihe kriegen. Ich bin auch nicht gerade begeistert davon. Zu Hause könnte ich es mir gemütlich machen. Aber Schwamm drüber.“ Ull kratzte sich am Kopf, so dass seine Haare in allen Richtungen vom Kopf abstanden.

      „Aber das Allerschlimmste ist, dass sie mich in dieses Kleid gesteckt haben. Ich konnte mich nicht wehren, drei Mann haben mir das Ding übergezogen. Und erst diese Perücke! Die juckt und beißt, als hätte sich da eine ganze Horde von Flöhen einquartiert.“ Wieder kratzte Ull an seinem Kopf herum und zerrte dann an dem Kleid. „Erst einmal muss das Ding hier weg. Das ist ja zum aus der Haut fahren.“

      Ull versuchte, mit einer Hand den Reißverschluss hinten am Kleid zu erreichen. Da huschte Josefine nach vorn und machte einen kleinen Knicks. „Ich bin Josefine, die Zofe der Königin. Es wäre mir eine Ehre, Euch behilflich zu sein.“ Sie lief feuerrot an, ganz erschrocken über ihre eigene Kühnheit.

      „Josefine – ein hübscher Name“, sagte Ull. Er drehte ihr den Rücken zu, und sie werkelte emsig am Reißverschluss des Kleides herum. Dann trat sie einen Schritt zurück und drehte verlegen den Kopf zur Seite.

      Ull zwinkerte ihr zu. „Keine Panik, ich hab unter dem Kleid meine normalen Sachen an.“ Er röhrte ein lautes Lachen, das in einen gewaltigen Husten überging.

      „Es hatte ziemlich trockene Luft da oben“, murmelte er und suchte nach einem Taschentuch, das aber offenbar nicht zur Hand war. Lautstark zog er die Nase hoch.

      Josefine war ganz entsetzt über seine schlechten Manieren. Aber gleichzeitig fand sie ihn auch sehr interessant. Sie zupfte an ihrem Kleid herum und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Sicher sehe ich furchtbar aus, dachte sie. Da fiel ihr Blick auf Antonio, der zornig die Hände zu Fäusten geballt hatte. Er sah so aus, als wolle er sich gleich auf diesen frechen Kerl stürzen. Josefine machte sich ganz klein und verdrückte sich schnell in der Menge der Plimpis.

      Wie ein zerplatzter Luftballon fiel das Rüschenkleid zu Boden. „Aaah, das fühlt sich schon viel besser an.“ Ull krempelte die Ärmel seines schwarzen Hemdes herunter und stopfte die Hemdzipfel in die ebenfalls schwarze Hose. Dann verschwand er in seinem Fahrzeug. Er wühlte dort eine Weile herum und zog schließlich einen gewaltig großen Schrankkoffer heraus. Antonio staunte nicht schlecht. Das Ding sah ganz schön schwer aus, aber dieser Ull hielt es ganz locker mit einer Hand. Muskeln hatte er, das musste man ihm lassen. Auch die Plimpis waren kräftig, und er als Anführer der Leibgarde war stolz darauf, richtig durchtrainiert zu sein. Aber ob er es mit diesem Besucher aufnehme konnte? Na, das wird sich bald zeigen, dachte er finster.

      Noch immer standen die Plimpis da wie angewurzelt. Sogar Mister Fletcher hatte es jetzt die Sprache verschlagen.

      „Gibt’s hier keinen Gepäckträger?“, fragte Ull. „Würd‘ mich ziemlich enttäuschen. Man hat mir eine Erste-Klasse-Behandlung zugesagt. Hab‘ mich schon darauf gefreut.“

      Er klopfte Mister Fletcher kräftig auf den Rücken, so dass der fast vornüber gefallen wäre. Der schnipste mit den Fingern, und sofort traten vier Mann der königlichen Garde vor. Mit vereinten Kräften luden sie den Schrankkoffer auf ihre Schultern.

      Ull baute sich breitbeinig vor dem König auf. „Guten Abend, Herr König. So wie ich das sehe, bist du wohl der Chef der Truppe. Also noch mal ganz langsam: Die Morgentauprinzessin ist verhindert. Also hab‘ ich den Job hier übernommen.“ Er wischte seine rechte Hand an der Hose ab und hielt sie dem König hin. Automatisch griff der danach und betrachtete dann irritiert die klebrigen Stellen auf seiner Rechten.

      „Hm, ja, also“, stotterte er herum. „Dann ein herzliches Willkommen. Danke, dass Sie aushelfen. Es wäre ja eine Katastrophe, wenn der Besuch der Mor…, also, tja, wenn der Besuch ausgefallen wäre.“ Er schüttelte den Kopf, wobei niemand wusste, was schlimmer war: Dass der Besuch um ein Haar ausgefallen wäre oder sein Entsetzen über diesen merkwürdigen Ull.

      Der Rückweg über die Wiese lief lange nicht so geordnet wie der Hinmarsch. Ull scheuchte Mister Fletcher vor sich her, denn er hatte es eilig. Sein Magen knurrte wie ein wütender Hund. Und vor lauter Durst war seine Zunge schon ganz verschrumpelt. Empört trippelte der Minister auf seinen viel kürzeren Beinen, so schnell er nur konnte. Die Glühwürmchen umschwirrten das Volk wie eine kleine Lichtwolke. Jeder hatte es nun eilig. Denn keiner wollte verpassen, wie es mit dem Ull weiterging. Ganz zum Schluss hüpften die ‚Super Grillen‘, die sich mit ihren Musikinstrumenten abschleppten. Wegen der großen Eile kamen sie total aus dem Takt. Die Musik klang ziemlich jämmerlich und hörte schließlich ganz auf. Fridolin hatte sich das weiße Rüschenkleid unter den Arm geklemmt, das der Ull einfach auf der Wiese hatte liegen lassen. So schnell er konnte, lief er hinter den anderen her.

      So wurde aus dem feierlichen Einzug in die Burg, den sich Mister Fletcher so schön ausgemalt hatte, ein ziemliches Gerenne und Geschubse. Und er überlegte, warum es dieser Ull eigentlich so eilig hatte. Da stimmte doch etwas nicht. Und wenn da was nicht stimmte, dann würde er es herausfinden, so wahr er Minister war.

      Schwer atmend lehnte er sich an die Eingangspforte der Burg und war froh, dass dieser Marsch ein Ende hatte. Wie man es mit diesem Ull einen ganzen Monat aushalten sollte, konnte er sich nicht vorstellen.

      „Rrrums“, machte es da neben ihm. Ull rieb sich den Kopf, den er sich am Türbalken angeschlagen hatte. „Diese Burg ist für einen wie mich einfach zu klein, das weiß ich jetzt schon“, murmelte er. Er betastete vorsichtig die Stelle an seinem Kopf, an der sich eine große Beule zu bilden begann. „Wie ich es hier einen ganzen Monat aushalten soll, kann ich mir nicht vorstellen.“

      Und so waren Mister Fletcher und der Ull das erste Mal der gleichen Meinung, auch wenn sie es gar nicht wussten.

      Viertes Kapitel, in dem der Ull eine Rede halten soll

      Ull hatte Hunger und Durst, und so langte er tüchtig zu. Schüssel und Teller mit leckerem Essen wurden vor ihn hingestellt. Die Plimpis hatten sich vor dem Ehrentisch versammelt und sahen staunend zu, welche Mengen er verdrücken konnte. Als es ihm nicht schnell genug ging mit Messer und Gabel, nahm er sich einen großen Löffel und schaufelte damit alles in seinen Mund. Sein

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