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Eins, zwei, dr..!« sagte der Bärenvater und hob langsam die eine Tatze, denn er hoffte bis zuletzt, daß der Junge sich ergeben werde.

      Im selben Augenblick hörte der Junge etwas in der Nähe klirren, und er sah einen blanken Büchsenlauf ein paar Schritte von ihnen entfernt. Er wie auch der Bärenvater waren so von ihren eigenen Angelegenheiten in Anspruch genommen, daß sie nicht beachtet hatten, wie ein Mensch ganz dicht an sie herangeschlichen war.

      »Bärenvater!« rief der Junge, »hört Ihr nicht, daß jemand den Hahn eines Gewehrs spannt? Lauft! Sonst werdet Ihr totgeschossen!«

      Der Bärenvater machte sich schleunigst aus dem Staube, hatte aber doch Zeit genug, den Jungen mitzunehmen. Ein paar Schüsse knallten, als er davonstürzte, und die Kugeln pfiffen ihm um die Ohren, aber er entkam glücklich.

      Wie der Junge jetzt dahing und aus dem Rachen des Bären herausbaumelte, fiel es ihm ein, daß er sich wohl noch nie so töricht benommen hatte wie in dieser Nacht. Hätte er nur geschwiegen, so wäre der Bär erschossen, und er selbst wäre frei gewesen. Aber er hatte sich so daran gewöhnt, den Tieren zu helfen, daß er tat, ohne darüber nachzudenken.

      Als der Bärenvater eine Strecke in den Wald hineingekommen war, blieb er stehen und setzte den Jungen an die Erde. »Hab' Dank, kleiner Mann,« sagte er. »Die Kugeln hätten sicher besser getroffen, wenn du nicht gewesen wärest. Und nun will ich dir dafür einen Dienst erweisen. Solltest du jemals wieder einem Bären begegnen, so sage ihm nur, was ich dir jetzt zuflüstere. Dann rührt er dich nicht an.«

      Damit flüsterte der Bär dem Jungen ein paar Worte ins Ohr und eilte davon, denn er glaubte zu hören, daß die Hunde und Jäger ihn verfolgten.

      Der Junge aber stand allein im Walde, frei und unbeschädigt, und konnte kaum begreifen, wie das möglich war.

      ***

      Die Wildgänse waren den ganzen Abend hin und her geflogen, hatten gespäht und gerufen, ohne jedoch Däumeling finden zu können. Sie suchten noch lange, nachdem die Sonne untergegangen war, und als es schließlich so dunkel wurde, daß sie sich hinstellen und schlafen mußten, waren sie sehr mißmutig. Alle ohne Ausnahme glaubten sie, der Junge habe sich im Fall verletzt und läge nun tot im Unterholz, wo sie ihn nicht sehen konnten. Aber am nächsten Morgen, als die Sonne über die Berge guckte und die wilden Gänse weckte, lag der Junge wie gewöhnlich mitten zwischen ihnen und schlief, und er konnte sich des Lachens nicht enthalten, als er erwachte und sie vor Erstaunen schreien und gackern hörte.

       Sie waren so neugierig zu erfahren, was sich mit ihm zugetragen hatte, daß sie nicht auf die Weide fliegen wollten, ehe er alles erzählt hatte, was ihm begegnet war. Schnell und munter erzählte der Junge sein ganzes Abenteuer mit den Bären, aber dann war es, als wolle er nicht mehr erzählen. »Wie ich zu euch zurückgekommen bin, das wißt ihr wohl schon?« sagte er. – »Nein, wir wissen nichts. Wir glaubten, du hättest dich totgefallen.« – »Das ist doch sonderbar,« sagte der Junge. »Ja, als der Bärenvater von mir ging, kletterte ich in eine Tanne und schlief ein. Aber beim ersten Tagesgrauen erwachte ich davon, daß ein Adler über mich dahinsauste, mich in seine Fänge nahm und mich entführte. Ich dachte natürlich, jetzt sei es aus mit mir. Aber er tat mir nichts, flog nur hierher und ließ mich mitten zwischen euch fallen.«

      »Sagte er nicht, wer er sei?« fragte der große, weiße Gänserich.

      Er war verschwunden, ehe ich auch nur danke hatte sagen können. Ich glaubte, Mutter Akka habe ihn gesandt, um mich zu holen.«

      »Das ist doch sonderbar!« sagte der weiße Gänserich. »Bist du auch sicher, daß es ein Adler war?«

      »Nie in meinem Leben habe ich einen Adler gesehen,« antwortete der Junge. »Aber er war so groß, daß ich ihm keinen geringeren Namen geben kann.«

      Der Gänserich Martin wandte sich nach den Wildgänsen um, er wollte hören, wie die hierüber dachten. Aber sie standen da und sahen in die Luft hinauf, und es sah so aus, als dächten sie an ganz andere Dinge. »Wir dürfen aber doch nicht ganz vergessen, heute zu frühstücken,« sagte Akka und erhob die Flügel zu schnellem Flug.

      XXVIII. Der Dalelf

      Freitag, 29. April.

      An diesem Tage bekam Niels Holgersen das südliche Dalarna zu sehen. Die wilden Gänse lenkten ihren Flug über das gewaltige Grubenfeld von Grängesberg, über die großen Anlagen bei Ludvika, über das Eisenwerk von Ulvshytten und das alte, verlassene Werk von Grängshammar, bis ganz hinauf zu den Ebenen von Stora Tuna und dem Dalelf. Als Niels zu Anfang der Fahrt hinter jedem Bergrücken Fabrikschornsteine aufragen sah, meinte er, das Ganze sei wie in Vestmanland, aber als er über den großen Elf kam, sollte er etwas Neues kennen lernen. Es war der erste richtige Fluß, den der Junge sah, und es machte einen gewaltigen Eindruck auf ihn, diese große, breite Wassermasse durch das Land dahingleiten zu sehen.

      Als die Wildgänse die Floßbrücke von Torsång erreicht hatten, machten sie Kehrt und flogen nach Nordwesten an dem Elf entlang, als wollten sie ihn zum Wegweiser benutzen. Der Junge saß da und sah auf die Ufer hinab, wo eine ganze Strecke lang ein Gebäude neben dem anderen lag. Er sah den großen Wasserfall bei Domnarfvet und Kvarnsveden und die großen Fabriken, die er zu treiben hatte. Er sah die Floßbrücken, die auf dem Elf ruhten, die Fähren, die er zu tragen hatte, die Balken, die er von dannen führte, die Eisenbahnen, die an ihm entlang liefen oder quer über ihn hinweg, und nach und nach wurde es ihm klar, was für ein großes und merkwürdiges Gewässer dies war.

      Der Elf machte einen großen Bogen nach Norden. In der Krümmung war es öde und menschenleer, und die Wildgänse ließen sich auf einer Wiese nieder, um zu grasen. Der Junge lief von ihnen fort bis ganz an den Abhang, um den Elf zu betrachten, der in einem breiten Bett tief unter ihm dahinfloß. Eine Landstraße führte ganz an den Elf heran, und die Reisenden wurden auf einer Fähre übergesetzt. Das war etwas Neues für Niels, und es belustigte ihn es anzusehen, aber plötzlich wurde er von einer schrecklichen Müdigkeit befallen. »Ich muß ein wenig schlafen. Ich habe diese Nacht ja kaum ein Auge geschlossen,« dachte er, kroch in einen dichten Grasbüschel hinein, verbarg sich, so gut er konnte, unter Gras und Stroh und schlief ein. Er erwachte davon, daß er einige Menschen, die auf der Wiese saßen, sprechen hörte. Sie waren auf der Landstraße gekommen, konnten aber nicht über den Elf gesetzt werden, weil große Eisstücke stromabwärts schwammen und die Überfahrt hinderten. Während sie warteten, gingen sie auf die Wiese, setzten sich dort hin und redeten darüber, wie beschwerlich es doch mit dem Elf sei.

      »Ich möchte wohl wissen, ob wir in diesem Jahr wieder eine solche Überschwemmung haben werden wie im vergangenen,« sagte ein Bauer. »Da ging der Elf daheim bei uns ganz bis an die Telephonstangen hinauf und nahm unsere ganze Floßbrücke mit fort.«

       »Im vergangenen Jahr hat er in unserer Gegend keinen sonderlichen Schaden angerichtet,« sagte ein anderer, »aber das Jahr vorher nahm er mir eine ganze Scheune voll Heu weg.«

      »Nie vergesse ich die Nacht, als er die große Brücke bei Domnarfvet zerstörte,« warf ein Eisenbahnarbeiter dazwischen. »In der Nacht hat niemand auf dem ganzen Werk ein Auge geschlossen.«

      »Freilich richtet der Elf viel Schaden an,« sagte ein großer, stattlicher Mann, »aber wenn ich euch so schlecht von ihm reden höre, kann ich nicht umhin, an den Propst daheim zu denken. Es war ein Fest im Hause des Propstes und die Leute sahen da und beklagten sich über den Elf, genau so, wie ihr es jetzt tut, da aber wurde der Propst ganz zornig und sagte, er wolle uns eine Geschichte erzählen. Und als er geendet hatte, war da niemand, der auch nur ein böses Wort über den Dalelf hatte sagen können, und ich möchte wohl wissen, ob es euch nicht ebenso ergangen wäre, wenn ihr mit dabei gewesen wäret.«

      Als die Wartenden das hörten, wollten sie alle wissen, was der Propst von dem Elf gesagt hatte, und der Bauer erzählte dann die Geschichte, so gut er sich ihrer entsinnen konnte.

      »Oben an der norwegischen Grenze lag ein Bergsee. Dem entströmte ein Bach, der gleich von Anfang an trotzig und heftig war. So klein er war. wurde er doch Storaa, der große Bach, genannt, weil es so aussah, als könne

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