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sieht im 12 Millionen Jahre alten Danuvius guggemosi einen Primaten, von dem eine Entwicklungslinie zu nichtmenschlichen Primaten wie Orang Utan, Gorillas, Schimpansen und Bonobos ausgeht und eine zweite Entwicklungslinie zum aufrecht gehenden Hominiden führt mit einem ersten Fußabtritt vor 3,8 Millionen Jahren23. In bisher gängigen Vorstellungen ist der Mensch eine erfolgreiche Nebenlinie einer Entwicklungsreihe nichtmenschlicher- oder affenartiger Primaten: Vor ca. 5 bis 6 Millionen Jahren schert eine menschliche Linie von der Linie der affenartigen Primaten aus. Die Orangutangs oder Gorillas sind in dieser Vorstellung unsere Vorfahren, Schimpansen oder Bonobos sind unsere Nichten oder Neffen. Einmal beginnt die menschliche Entwicklungslinie vor ca.12 Millionen Jahren, dann wieder vor 6 Millionen Jahren. Beide Vorstellungen treffen sich in einer „East Side Story“: Sie besagt, dass vor ca. 6 Millionen Jahren tektonische Eruptionen den afrikanischen Graben schufen und eine Trennung zweier Entwicklungslinien bewirkte: Nicht menschliche Affen entwickelten sich in den Waldgebieten Afrikas westlich vom großen Graben. Die menschliche Linie bevorzugte die Savannen östlich des großen Grabens und wird dort zum Homo sapiens.

      Wir wissen nicht, wann die Entwicklung zum Menschen beginnt. Noch weniger wissen wir, wie sie beginnt. An Skelettresten lassen sich erste Veränderungen kaum erkennen, die eine neue Entwicklungsreihe, eine Entwicklung zum Menschen auslösen. Genetische Mutationen bewirken biologische Veränderungen, die zum Zeitpunkt ihres Entstehens Nutzen oder Schaden, Überleben oder Tod bedeuten können. Evolutionäre Entwicklung blickt aber nicht in die Zukunft. Sie orientiert sich allein an der Gegenwart, in welcher das Umfeld festlegt, ob ein biologisches Geschöpf überleben- oder verschwinden wird. Von genetischen Mutationen vollzogene Veränderungen sind in der Regel nur sehr kleine Schritte. Sie sind zum Zeitpunkt ihres Entstehens noch nicht deutbar. Evolution ist eine langsame und in kleinen Schritten sich vollziehende Entwicklung. Sie ist nur im Rückblick begreifbar.

      Vergleicht man aber Zwischenstufen einer Entwicklung, vergleicht man den aufrecht gehenden Hominiden mit nichtmenschlichen Primaten, so offenbart sich, wie viel in 6 bis 12 Millionen Jahren verändert werden musste, um aus nichtmenschlichen Primaten einen aufrechten Hominiden zu machen: Beim aufrecht gehenden Hominiden wird die Wirbelsäule S-förmig. Sie muss einen aufgerichteten Körper stabilisieren, der bei nichtmenschlichen Primaten unter der Wirbelsäule hängt. Das Rückenmark der Hominiden verlässt den Schädel an der Basis, wogegen bei nichtmenschlichen Primaten das Foramen occipitale an der Rückseite des Schädels sitzt. Beim Menschen werden die Vorderfüße zu Greifern und Stabilität bekommt der zweifüßige Geher, weil er beim Gehen ein Bein entlastet und dieses aus Stabilitätsgründen mitschwingt. Der zweifüßige Geher wird in den vielen Millionen Jahren vom nichtmenschlichen Primaten zum Hominiden auch zu einem schnellen Läufer: Das Fell der nichtmenschlichen Primaten verschwindet und Nacktheit entsteht. Nacktheit verhilft dem auf zwei Beinen Gehenden zum Schwitzen: Über lange Strecken kann er beim Laufen seine Körpertemperatur konstant halten und wird zum Langstrecken- oder Marathonläufer. Diese angesprochenen Veränderungen auf dem Weg zum Menschen sind vielleicht jene, die am meisten auffallen, aber nicht den gesamten Umbauprozess offenbaren. Nein, der gesamte Körper, jedes Glied und jedes Organ muss umgebaut werden, wenn aus einem nichtmenschlichen Primaten ein aufrecht gehender Hominide werden soll. Wie und wann aber diese Veränderung zum Menschen beginnt ist unbekannt, wird wohl auch im historischen Dunkel verborgen bleiben und ist allenfalls Anlass für Spekulation.

      2. Menschliche Linie ist nur rückwärts deutbar.

      Evolution ist ein Geschehen ohne Ziel und gleiches gilt auch für die mentale Evolution. Evolution ist, wie alle Entwicklungen, nur im Rückblick erklärbar. Je näher aber die evolutionären Epochen an unsere Gegenwart heranreichen, um so mehr entdeckt die historische Wissenschaft Befunde, die helfen eine Entwicklung zu deuten. Seit Aufkommen des heutigen Menschen existiert der Wunsch, die menschliche Herkunft zu erfahren. Mit dem Aufkommen der Evolutionstheorie durch Charles Darwin ist die Anthropologie zu einer modernen Wissenschaft geworden und hat die Suche nach Herkunft und Wesen des Menschen übernommen. Unterschiedliche Blickrichtungen und Spezifizierungen der Anthropologie liefern Befunde, mit denen man erklärt, wie sich die Entwicklung zum Menschen gestaltet haben könnte.

      Die anthropologische Archäologie findet Fundstücke, deren zeitliche Zuordnung zu Stammbäumen der menschlichen Entwicklung führt und Übergänge zur menschlichen Linie erkennbar werden. Aus Schädelumfang und Schädelinnenraum wird auf die Größe des Gehirns geschlossen und mit Vorfahren verglichen. Ein größer werdendes Gehirn wird gleichgesetzt mit einem Zugewinn an Intelligenz. Die Entwicklung des Gebisses offenbart veränderte Essgewohnheiten. Eine S-förmige Wirbelsäule ist Indiz für einen aufrechten Gang. Mit archäologischen Befunden gelingen erste Rückschlüsse auf das Verhalten von Tier und Mensch, zumal mentale Fähigkeiten der Archäologie verborgen bleiben. Vor ca. 2 bis 4 Millionen Jahren erreicht die Differenzierung zwischen der Reihe nichtmenschlicher Primaten und der menschlichen Linie einen Grad, in welchem erste mentale- oder psychologische Einflüsse die Entwicklung zum Menschen mitbestimmen: Der Hominide ist kein Baumbewohner mehr. Er bevorzugt die Savanne und versammelt sich im Schatten von Akazien. Das Leben wird zu einem Gruppenleben, in welchem ein mental gelenktes Miteinander wichtiger ist als individuelles Reagieren. Ein Ardipithecus ramidus oder „Bodenaffe“ richtet den Blick seiner Gruppe auf den Boden, wo sie Pflanzen, Beeren, Früchte, Knollen oder im Boden lebende Kleintiere sammeln. Mit dem Griff zwischen Daumen und Zeigefinger wird das Sammeln am Boden möglich. Das Gebiss der Savannenbewohner wird vom Greif- zum Kauwerkzeug. Backenzähne entstehen im kleiner werdenden Gebiss. Auch wird der bisherige „Fressapparat“ von Maul und Gebiss in eine zusätzliche Apparatur der Lautbildung und der Sprache verändert. Diese frühen Australopithecinen oder frühen Hominiden haben in Relation zum Körpergewicht ein bereits größer werdendes Gehirn. Der Umbau zum aufrecht gehenden Läufer und dessen neue Funktionen lassen das Gehirn wachsen.

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      Wohin der Weg des Menschen führen wird versuchen Verhaltensforscher mit dem Verhalten nichtmenschlicher Primaten zu antizipieren und deren Intelligenz mit dem Verhalten indigener Menschengruppen zu vergleichen. Man vergleicht die Intelligenz nicht menschlicher Primaten mit der des Menschen und prüft, was von Menschenaffen in die menschliche Linie übernommen wurde. Die Beobachtungen von Dian Fossey8, von J. Goodall oder Frans de Waal7,24, von Robin Dunbar9, von R. Seyfarth und D. Cheney12 und vielen anderen Verhaltensforschern, die jetzt nicht alle genannt sind, lassen in den Reihen nichtmenschlicher Primaten vom Orang Utan, über Gorillas, Schimpansen und Bonobos Verhaltenstendenzen erkennen, die sich in der menschlichen Linie fortsetzen:

       ° Primaten entwickeln sich von einem im Wald und auf den Bäumen lebenden Einzelgänger wie dem Orang Utang zu in der Savanne lebenden sozialen Wesen, welche zuerst als Familie zusammen leben wie die Gorillas und schließlich Gruppen aus mehreren Familien bilden wie Schimpansen und Bonobos.

       ° Die Gruppengröße und die verwandtschaftliche Heterogenität nimmt von den Orang Utangs über Gorillas, Schimpansen und Bonobos zu. Aus familiärer Identität und verwandtschaftlicher Heterogenität wird schließlich eine Gruppenidentität, bei Bonobos sogar die eigene Gruppe übergreifende Identität.

       ° Die geschlechtliche Differenzierung zwischen Männern und Frauen nimmt von den Orang Utangs, über Gorillas, Schimpansen und Bonobos bis hin zum Menschen ab.

       ° Innerhalb der größer werdenden Gruppen reduzieren sich hierarchische Strukturen. Die Gruppen werden egalitärer und durchlässiger.

      Diese Verhaltensformen nichtmenschlicher Primaten offenbaren Entwicklungstendenzen, die Auswirkungen auf die Hominiden haben werden. Neben gruppenspezifischen Verhaltensweisen beschreiben Verhaltensforscher an ihren Primaten mentale Äußerungen, die später das menschliche Verhalten mitbestimmen können: Menschenaffen zeigen Eigennutz, Machtgehabe, Aggressivität und Unterwürfigkeit. Sie suchen Verbündete und schaffen Verlierer. Sie ahmen nach, zeigen Emotionen und handeln altruistisch. „Nichts von dem, was wir tun ist wahrhaftig einzigartig“, schreibt Frans de Waal7,24. Diese oft anekdotisch berichteten Eigenschaften offenbaren eine mentale Vielfalt, die sich in allen Primaten- oder menschlichen Gruppen oder Gemeinschaften findet. Einige Eigenschaften werden sich durchsetzen,

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