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ihrem Dompteur. Doch diesmal ging alles schief. Ein Zuschauer in der ersten Reihe schwenkte vor lauter Begeisterung einen Leuchtstab direkt vor Mimis Gesicht. Mimi machte einen Satz nach hinten, flappte mit den Ohren und trompetete vor Schreck. Ihr Dompteur fiel von ihrem Rücken, bekam den Mund voller Sägemehl und konnte nur noch „Mmpf!“ sagen. Vielleicht sollte das „Ganz ruhig, Mimi!“ heißen, aber Mimi verstand bestimmt kein Wort. Sie trampelte los. Überall sprangen Zuschauer auf und rannten weg.

      Erschrocken duckten sich Alex und seine Eltern. Zum Glück lief Mimi nicht in ihre Richtung.

      Unter Mimis riesigen Füßen gingen Stühle und Bänke der ersten Reihe zu Bruch, überall flogen Holzteile herum. „Nur keine Panik, meine Damen und Herren! Nur keine Panik!“, rief die Zirkusdirektorin, aber niemand hörte zu. Drei Männer, die wie Tierpfleger aussahen, versuchten Mimi mit einem Seil einzufangen. Doch das klappte nicht und Mimi sah noch ängstlicher aus als vorher.

      Mama packte Alex´ Hand und sprang auf. Da stand plötzlich Tommy vor ihnen, diesmal ohne Brüllmähne. „Ihr wollt schon gehen?“, sagte er und sah enttäuscht aus. „Bleibt doch noch ein bisschen! Mir wird schon was einfallen!“

      Tommy zwickte sich in die Nase, vielleicht konnte er so besser nachdenken. Dann leuchteten seine Augen auf. „Gebt mir eure Zuckerwatte!“, sagte er, und in Windeseile hatte Tommy von allen Leuten in der Nähe Zuckerwatte eingesammelt. So viel davon trug er, dass er fast aussah wie eine dicke, rosa Wolke.

      Damit rannte er auf die wilde Mimi zu. Alex hielt den Atem an. Jetzt stand Tommy direkt vor ihren stampfenden Füßen.

      Zuerst passierte gar nichts. Doch dann schnupperte Mimi. Und schnupperte noch mal. Jetzt sah sie schon nicht mehr ganz so erschrocken aus. Vorsichtig streckte die Elefantendame den Rüssel aus und Tommy hielt ihr eine Zuckerwatte hin. Mimi stopfte sie ins Maul und fraß sie auf. Mit Stiel. Dann schnaufte sie. Es klang sehr zufrieden.

      „Wenn du jetzt wieder lieb bist, kriegst du noch eine“, sagte Tommy, und Mimi schnupperte gierig. Ganz ruhig folgte sie Tommy zurück in die Manege. Erleichtert klatschten und jubelten die Zuschauer. Mimis Dompteur hatte sich inzwischen erholt und brachte seine Elefantendame zurück in ihren Stall.

      „Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie bekommen natürlich sofort neue Zuckerwatte – kostenlos!“, verkündete die Direktorin. „Und dann geht die Vorstellung weiter.“ Schon trugen die Zirkusleute die kaputten Bänke hinaus. Alle anderen Zuschauer rutschten ein bisschen zusammen, damit jeder einen Platz fand.

      Und Alex dachte ganz für sich: Tommy kann sagen, was er will. Ich jedenfalls finde, er ist doch der mutigste Junge der Welt!

      3. Geschichte, in der Tommy sehr viele Bratwürstchen isst und Alex’ Familie ein tolles Angebot erhält

      Nach der Vorstellung zerrte Alex seine Eltern zu Tommys Wohnwagen, damit sie seinem neuen Freund Hallo sagen konnten. Aber sie fanden Tommy Löwenfreund nicht dort, sondern hinter dem Zelt. Er versuchte gerade, einen Holzstuhl zusammenzusetzen, den Mimi in sieben verschiedene Teile zerlegt hatte. Es klappte nicht besonders gut. Traurig blickten die Zirkusdirektorin und ihre Leute auf all die kaputten Sachen herab. „Ach Gott, ach Gott!“, seufzte die Direktorin. „Wer soll das nur reparieren?“

      Alex´ Papa räusperte sich. „Na, zum Beispiel ich“, sagte er.

      Verblüfft schauten alle ihn an. Alex. Alex´ Mama. Tommy. Und natürlich sämtliche Zirkusleute.

      „Ja“, erklärte Alex stolz. „Mein Papa kann das!“

      Da strahlte die Zirkusdirektorin, stellte sich als Madame Bartelli vor und gab Alex´ Papa freundlich die Hand. „Das ist aber nett, dass Sie helfen“, sagte sie, und sein Papa zog sich die Jacke aus und machte sich an die Arbeit. Er begann, die Stuhlteile zusammenzuleimen, sodass sie über Nacht trocknen konnten. Mama machte auch mit. Alex überlegte, ob er mithelfen sollte, doch Tommy rief: „Komm, ich zeig dir meinen Wohnwagen!“ Alex und Tommy liefen los und Brüllmähne kam natürlich mit. Er zwängte sich geschickt durch die Tür des Wagens.

      Von innen war der Wohnwagen noch bunter als von außen. Überallhin waren kleine Löwenbilder gestempelt – auf dem Tisch, auf den Wänden, sogar auf den Fenstern. „Für jeden Auftritt eines“, sagte Tommy, presste einen Stempel auf ein Tintenkissen und drückte ihn dann genau über dem Sofa gegen die Wand. „Ich weiß noch nicht, was ich tun werde, wenn die Wände voll sind. Wahrscheinlich mache ich einfach an der Decke weiter.“

      Neugierig schaute sich Alex um. Der Wohnwagen war sehr gemütlich eingerichtet, es gab ein geschnitztes Bett und ein großes knautschiges Sofa, eine winzige Küche und ein noch winzigeres Bad, eine Spielecke mit Kissen und Regale voller Krimskrams. Es roch nach Bratwürstchen und ein bisschen nach Löwe.

      Was natürlich daran lag, dass im Wagen auch jede Menge Löwe drin war. Brüllmähne hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht, doch er war so groß, dass er nicht ganz daraufpasste. Sein Hinterteil und seine Vorderpfoten hingen an den Seiten herunter. Alex nahm seinen ganzen Mut zusammen und streichelte ihn vorsichtig. Wie schön weich sich sein Fell und seine dichte Mähne anfühlten! Brüllmähne schaute ihn aus seinen goldbraunen Augen freundlich an.

      „Glaubst du, er mag mich?“, fragte Alex schüchtern und Tommy nickte. „Ja! Er sagt, du riechst gut und ob du ihn bitte hinter dem linken Ohr kraulen könntest, das juckt manchmal ein bisschen.“

      Alex kraulte Brüllmähne hinter dem großen, pelzigen Ohr. „Wieso kannst du denn mit ihm reden?“

      Tommy runzelte die Stirn und zwickte sich in die Nasenspitze. „Keine Ahnung. Als wir noch in Afrika gelebt haben, kam er immer wieder zu unserem Zelt, und irgendwann habe ich ihm einfach mal „Guten Tag“ gesagt. Na ja, und da kam gleich ein „Guten Tag“ zurück! So einfach war das.“

      „Was sagt Brüllmähne jetzt gerade?“, wollte Alex wissen.

      „Dass er jetzt was gucken will“, sagte Tommy und schaltete einen kleinen Fernseher an, der in einer Ecke des Wagens stand. Es lief gerade eine Sendung über Zebras. Brüllmähne legte zufrieden den Kopf auf die Pfoten und schaute zu.

      Neugierig sah sich Alex um und fragte: „Wo sind eigentlich deine Eltern?“

      „Die sind noch in Afrika“, sagte Tommy. „Sie suchen gerade den berühmten blauen Diamanten. Und du weißt ja, wie Eltern sind. Wenn die sich etwas in den Kopf gesetzt haben, dann ist da nichts zu machen. ´Tom´, haben sie gesagt, ´fahr ruhig schon mal mit deinem Löwen mit dem Schiff nach Deutschland, zu deiner Tante Junilla. Wir kommen nach, sobald wir können!´“

      Tommy holte ein kleines Kästchen aus geschnitztem Holz hervor. Gespannt beugte sich Alex vor, um zu sehen, was darin war. Feierlich klappte Tommy den Deckel hoch. „Aber … das ist ja leer!“, sagte Alex.

      „Nee!“, sagte Tommy. „Schau doch mal genau hin! Da haben meine Eltern ganz viele Bussis für mich reingetan. Ich nehme mir jeden Tag mindestens einen und manchmal sogar zwei oder drei, aber es sind noch ziemlich viele übrig.“

      Alex hätte gerne gefragt, warum Tommy nicht bei seiner Tante Junilla war, sondern beim Zirkus, aber jetzt sprang sein neuer Freund plötzlich auf.

      „Ich habe einen ganz schrecklichen Hunger! Wenn ich es mir genau überlege, fühle ich mich sogar schon ganz schwach.“

      Zum Glück war Tommy noch nicht zu schwach zum Kochen. Blitzschnell holte er aus seiner winzigen Küche eine Pfanne und eine Riesenpackung Bratwürstchen hervor. Bevor sich Alex versah, duftete es im ganzen Wohnwagen so lecker, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Dann aßen sie erst einmal. Alex schaffte sechs Bratwürstchen mit Ketchup, Tommy vierzehn und Brüllmähne zwanzig.

      Danach fühlte sich Alex zum Platzen satt. „Meine Eltern werden sich wundern, warum ich kein Abendessen mehr möchte“, seufzte er zufrieden und rieb sich den Bauch.

      „Dann machen wir ihnen einfach auch was, Hunger haben die bestimmt“, schlug Tommy vor. Fünf Minuten später liefen sie mit zwei vollen Tellern los, um Alex´ Mama und

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