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      Anatol Flug

      Aufwachstory

      Dieses eBook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       EINS

       [1]

       [2]

       [3]

       [4]

       [5]

       [6]

       [7]

       [8]

       [9]

       [10]

       [11]

       [12]

       [13]

       [14]

       [15]

       [16]

       ZWEI

       [17]

       [18]

       [19]

       [20]

       [21]

       [22]

       [23]

       [24]

       [25]

       [26]

       [27]

       [28]

       Impressum

       EINS

       [1]

      Als mein Bewusstsein beginnt, langsam wieder Konturen zu gewinnen und sich aus den Tiefen des Schlafes zu schälen, ist das Meeresrauschen schon längst da. Ich halte die Augen geschlossen und lasse mich eine Zeit lang vom Geräusch der Brandung wiegen. Die einzelnen Wellen sind deutlich voneinander abgesetzt zu hören, das zunehmende Rauschen, das seinen Höhepunkt erreicht und dann im Sand verläuft; der Sog, der die nächste Welle vorbereitet, ist nicht zu hören, erst wieder das langsam anschwellende Rauschen.

      Es kommt äußerst selten vor, dass ich aufwache ohne auch nur irgendeinen Anhaltspunkt. Aber jetzt habe ich keine Vorstellung, nicht nur davon, ob Mittwoch oder Sonntag ist, mir ist nicht einmal bewusst, ob dieser Unterschied in meiner derzeitigen Lebensphase von praktischer Bedeutung ist oder nicht.

      Ich öffne die Augen. Stockfinstere Nacht, nichts zu erkennen. Ich schließe die Augen wieder und denke nach. Ich kann mich nicht erinnern, jemals für längere Zeit an der Küste gelebt zu haben. Ich bin also wohl auf Reisen. Das Meeresrauschen ist sehr nahe, ich bin wahrscheinlich direkt am Strand. Was habe ich gestern Abend zuletzt gemacht? Ich erinnere mich an die Nacht. Ich wurde durch ein Geräusch geweckt. Ich lag auf meiner Schlafmatte im Sand und das Geräusch war eigentlich sehr leise, kaum zu hören. Ich war etwas unbeweglich in der Bauchlage und drehte mich vorsichtig und etwas unbeholfen nach links. Ein Schatten war zu erkennen, der sich über das Gepäck eines Nachbarn zu unserer Linken beugte.

      Ich hörte ein leises Zischen über mir. Es kam von den Felsen, die vielleicht einen halben Meter von meinem Kopf entfernt begannen und dann steil anstiegen. Immer noch in Bauchlage, drückte ich den Kopf so weit wie möglich in meinen Nacken, um sehen zu können, was sich auf dem Felsen unmittelbar über meinem Kopf befindet. In der Dunkelheit sehr undeutlich konnte ich einen Mann erkennen, der über meinem Kopf auf dem Felsen saß und einen großen Felsbrocken in seinen auf die Knie gestützten Händen hielt. Er zischte: „Shut up – sleep“. Ich legte meinen Kopf zurück auf die Matte. Die Situation war eindeutig – die Nachbarn wurden bestohlen und er stand Schmiere. Was konnte ich tun? Am Bauch liegend, mit dem Gesicht nach unten, und einem schweren Felsbrocken in der Luft über meinem Kopf, gab es nicht viele Handlungsmöglichkeiten. Ich schloss die Augen wieder, um weiter nachzudenken.

      Es deutet nichts darauf hin, dass ich verletzt wurde. Wahrscheinlich bin ich in der ausweglosen Situation tatsächlich einfach eingeschlafen. Verdrängung. Ich erinnere mich, dass die Nachbarn später aufwachten. Sie entdeckten den Diebstahl und waren wütend und aufgedreht. Einer packte eine Peitsche aus, die wohl als Waffe zur Verteidigung gedacht war, und fuchtelte damit in der Luft herum. Nach dieser Abreaktion besprachen sie kurz die Lage und brachen dann auf.

      Ich öffne meine Augen nochmals. Eigenartig, dass es völlig dunkel ist und gar nichts zu erkennen. Ich weiß nicht mal, ob meine Freunde noch da sind. Sollte ich zur Sicherheit gleich um Hilfe rufen? Nein. Ich schließe meine Augen wieder. Graeme ist auch mitgegangen an den Strand, Lisa, Henrik. Aber Su, meine Liebste, war auf jeden Fall in Sicherheit, sie war im Hotel geblieben. Ich würde es nicht verkraften, sie zu verlieren oder auch nur ohne Anhaltspunkt von ihr getrennt zu werden.

      Kennen gelernt haben wir uns im Herbst. Die Sommerferien waren gerade zu Ende gegangen und mein drittes Jahr an der Uni hatte begonnen. Ich hatte den ganzen Sommer gearbeitet, um Geld zu verdienen, in derselben Fabrik wie schon in den beiden Jahren zuvor. Ich hatte alle wieder getroffen, die schon vor zwei Jahren und wieder vor einem Jahr – wie ich selbst auch – erklärt hatten, dass sie das nie wieder machen würden bzw. im Fall der fix dort Arbeitenden, dass sie sich einen anderen Job suchen würden so schnell wie möglich. Es war aber sehr einfach, diese Arbeit wieder zu bekommen. Man brauchte nur einen Monat vor Beginn der Ferien anzurufen. Es wurden seitens der Personalabteilung dann zwar keinerlei

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