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und ganz zu entfalten. Ich glaube fest daran, dass das Leben ungeahnte Überraschungen bereit hält, wenn man der kosmischen Intelligenz, die für mein Empfinden alles koordiniert, Gelegenheit gibt, sich zu manifestieren.

      Sämtliche Freunde und Bekannte sind begeistert von meinem Vorhaben. Nur meine Mutter ist ein wenig gekränkt, weil sie so lange ohne mich auskommen soll. Sie ist so erzogen worden, dass man zuerst an alle anderen denken soll und seine eigenen Wünsche und Träume dem unterzuordnen hat. Das ist meines Erachtens eines der Grundprobleme unserer Gesellschaft. Meine Lebensphilosophie lautet, dass wir einen Planeten voller glücklicher Menschen hätten, wenn jeder dafür sorgen würde, dass er selbst glücklich ist. Wenn man selbst glücklich ist, fällt es einem daraufhin leicht, seine Mitmenschen zu unterstützen.

      Ich reise nicht gerne allein. Ich hatte immer wieder einmal überlegt, mir einen Mitreisenden über eine Mitreisebörse im Internet zu suchen. Stets hielt mich meine innere Stimme davon ab. Ich habe gelernt, auf meine innere Stimme zu hören. Unsere Intuition führt uns sicher durch das Leben, unser Verstand nicht immer. Ich habe mich einmal mehr auf meine Intuition verlassen können. In zwei Stunden treffe ich mich mit Vera Elisa am Flughafen in Frankfurt. Sie wurde mir vom Schicksal zur Seite gestellt, eine ausgezeichnete Fügung des Schicksals, wie sich während meiner Reise herausstellen wird. Ich habe Vera Elisa vor zwei Monaten als Volontär an den Pyramiden in Bosnien kennengelernt. Ja, Ihr habt richtig gelesen, an den bosnischen Pyramiden, das war kein Schreibfehler. Und da so wenige Menschen bisher davon erfahren haben, werde ich im 3. Kapitel näher darauf eingehen. Erst vor kurzem hat Vera Elisa von meinen Reiseplänen erfahren, und sich entschieden, mich eine Zeit lang zu begleiten. Tatsächlich haben wir noch kurzfristig einen Platz im gleichen Flugzeug buchen können. Der Zufall überlässt nichts dem Zufall.

      Der Name Lalibela hatte mich in seinen Bann gezogen. Als ich ihn zum ersten Mal gelesen habe, hat eine Gänsehaut meinen ganzen Körper überzogen. Ein sicheres Zeichen, dass mich irgendetwas dorthin ziehen will. Vera Elisa ist es genauso ergangen, als ich ihr von meinen Plänen berichtet hatte, Lalibela zu besuchen. Lalibela war vor ewigen Zeiten geistiges und kulturelles Zentrum Äthiopiens. Aus dieser Zeit zeugen noch elf wunderschöne Kirchen, die mit uns unbekannter Technik von oben nach unten in die Erde hinein errichtet worden sind. Teilweise wurden diese Felsenkirchen in einen einzigen Steinblock hinein gewölbt. Der Legende nach sollen Engel oder Außerirdische an dem Bau beteiligt gewesen sein. Der Name Lalibela hat mich sofort tief berührt, so als ob in meinen Zellen irgendetwas im Zusammenhang mit diesem heiligen Ort gespeichert wäre, Erinnerungen an ein goldenes Zeitalter.

      Felsenkirche in Lalibela

      Vera Elisa und ich werden gleich gemeinsam nach Äthiopien fliegen, unter anderem um herauszufinden, was uns wie ein Magnet in dieses Land zieht.

      Inzwischen haben wir den 18. September 2014, 7:30 Uhr. Landeanflug auf Addis Abeba? Weit gefehlt. Wir sitzen im Steigenberger Hotel von Bad Neuenahr, nachdem wir uns am reichhaltigen Frühstücksbuffet bedient haben. Immerhin, so weit sind wir schon gekommen, ca. 150 Kilometer, allerdings in die falsche Richtung. Unser Flug wird wegen technischer Probleme mit 16 Stunden Verspätung starten. Da in Frankfurt zurzeit eine große Messe stattfindet, waren alle Hotels im weiten Umkreis von Frankfurt belegt. Man hat uns daher mit einem Bus nach Bad Neuenahr gebracht, in Kürze werden wir zum Frankfurter Flughafen zurückgefahren. Der Flug entschädigt uns, er ist sehr angenehm. Wir werden von bildhübschen, aufmerksamen Stewardessen betreut. Als das Mittagessen serviert wird, bringen wir die Damen ein wenig in Verlegenheit, da sie nicht auf Vegetarier eingestellt sind. Es ist nur Fleisch im Angebot. Unter mehrmaligen Entschuldigungen wird kurzerhand das komplette Hauptmenü entfernt. Unser Essen besteht daraufhin aus einem kleinen Salat, einem Stück Kuchen, einem kleinen Brötchen und zwei Crackern. Mit einem Lachen nehmen wir den Diätimbiss zu uns. Später erhalten wir als Entschädigung unter einer nochmaligen Entschuldigung ein zusätzliches Stück Kuchen.

      Die Maschine ist nur zur Hälfte belegt. Viele Passagiere wurden auf andere Flüge verteilt, da ein großer Teil der Fluggäste Addis Abeba lediglich als Sprungbrett zu den Nationalparks in Kenia und Tansania benutzt. Auch unter den verbliebenen Fluggästen sind noch etliche Reisende, die in Äthiopien nur zum Transit landen wollen. Unser Flugzeug trägt den Namen "Lucy". Der Name Lucy wurde den ältesten jemals gefundenen Gebeinen eines weiblichen Hominiden gegeben. Als diese in Äthiopien entdeckt wurden, lief angeblich gerade das Lied "Lucy in the Sky with Diamonds" von den Beatles auf einem Kassettenrekorder. Die Skelettteile werden auf ein Alter von 3,2 Millionen Jahren geschätzt und im Nationalmuseum von Addis Abeba aufbewahrt..

      Bis zur Landung verläuft alles reibungslos. Etliche Fluggäste müssen auf Grund der nunmehr sehr späten Ankunftszeit (22:10 Uhr) außerplanmäßig in Addis Abeba übernachten, bevor es am nächsten Morgen weiter in die Nachbarländer geht. Bedienstete der Fluggesellschaft stehen mit den Transitvisa für diese Reisenden bereit. Alles wurde gut organisiert. Spätestens jetzt sind wir für's Erste mit Ethiopian Airlines versöhnt.

      Unsere Wege sollten uns eigentlich nunmehr von Ethiopian Airlines trennen. Nach der Passkontrolle begeben wir uns zum Gepäckband. Wir sind die letzten, die am Gepäckband ankommen. Wir mussten uns zunächst ein Einreisevisum beschaffen. Dies war recht zeitaufwändig. Man kann das Visum zwar vorab bereits in Deutschland beantragen, dann ist es aber teurer als hier in Äthiopien. Außerdem haben wir uns bereits vor der Passkontrolle mit äthiopischen Birr eingedeckt. Mehrere Quellen wiesen darauf hin, dass man am Flughafen ungewöhnlicherweise den besten Umtauschkurs im Land erhält. Der Kurs ist tatsächlich sehr gut. Für 700 Euro erhalte ich einen halben Aktenkoffer Geldscheine, ca. 20.000 Birr. Als wir am Gepäckband ankommen, drehen ein Rucksack und drei Koffer einsam ihre Runden. Es handelt sich um meinen Rucksack. Vera Elisas Rucksack ist verschollen. Wir geben eine "Vermisstenanzeige" bei der zuständigen Mitarbeiterin auf und erhalten eine Referenznummer und zwei Telefonnummern, um uns am nächsten Tag zu erkundigen, ob der Rucksack aufgetaucht ist. Mit leichtem Handgepäck schreitet Vera Elisa an meiner Seite hinaus in die dunkle Nacht. Es ist kaum noch Betrieb am Flughafen, dennoch findet sich schnell ein Taxi. Zu einem vollkommen überhöhten Preis werden wir zu unserer Unterkunft gefahren. Handeln war zwecklos. Man weiß, dass wir jetzt schnellstmöglichst ein Obdach haben wollen, der Wucherpreis ist unter den Taxifahrern zweifellos abgesprochen worden. Unser Guest House ist in der Dunkelheit nur schwer in der 3,5-Millionen-Metropole zu finden. Zum Glück haben wir einen Taxifahrer erwischt, der immerhin ungefähr weiß, wo sich die Straße befindet, in der das Hostel liegt. Dies ist nicht immer eine Selbstverständlichkeit, wie wir später erfahren werden. Wir erreichen das Atelefugne Guest House weit nach Mitternacht. Es wird mit einem schweren Tor gesichert. Nach mehrmaligem Hupen öffnet ein Nachtportier die schweren, knarrenden Türen.

      Kapitel 2 Von Addis Abeba nach Bahir Dar

      Das Leben ist bezaubernd, man muss es nur durch die richtige Brille betrachten.

      Alexandre Dumas

      Das Atelefugne Guest House ist eine einfache aber überaus stilvolle Herberge. Die Zimmer liegen um einen Innenhof herum, den wir auf dem Weg zum Frühstück überqueren. Intuitiv richten wir den Blick nach oben. Der Himmel ist schwarz vor Adlern. Etwa 70 bis 80 dieser majestätischen Vögel kreisen über uns. Was für ein Begrüßungsspektakel. Nach kurzer Zeit ist das Schauspiel vorbei. Tagsüber sieht man immer wieder vereinzelt Adler am Himmel, das massenhafte Auftreten bleibt aber exklusiv unserem ersten Blick in den äthiopischen Himmel vorbehalten. Zum Frühstück gibt es Shero Tegabino, das sind Sauerteigfladen mit Gemüse, und Ferfer-Brot, einem Brot mit scharfer Sosse. Dazu wird ein sehr aromatischer Ingwertee gereicht. Wir leben in den Tag hinein und erkunden die nähere Umgebung des Hostels. Addis Abeba ist hektisch, fast chaotisch. Selbst dicht am Zentrum sind die meisten Straßen unbefestigt. Die Menschen sind sehr angenehm, wir werden in keiner Weise bedrängt. Nachmittags rufen wir am Flughafen an. Der Rucksack bleibt verschollen. Vera Elisa nimmt es gelassen. Afrika lehrt uns schon sehr frühzeitig Gelassenheit zu üben.

      Abends meditieren Vera Elisa und ich gemeinsam. Wer sich mit Meditation befasst, weiß um die positive Wirkung. Ich habe über

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