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      Heute sollte es nach 6 Tagen Schiff am Stück endlich wieder mal festen Boden unter den Füßen geben. Auch wenn wir bis jetzt maximal See 4 hatten, schwankte das Schiff zwar nur gemächlich, aber ständig. Ein fester Standpunkt wäre da mal wieder vorteilhaft.

      Gegen 8 Uhr kamen die nördlichen Ausläufer von Recife in Sicht - Wolkenkratzer hinter türkisblauem Meer.

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       Skyline des nördlichen Teiles von Recife.

      Laut meinem Brasilianisch-Lehrbuch wird Recife als „Hessifie“ ausgesprochen - in Deutschland und auch an Bord würde aber wohl kaum einer damit etwas anfangen können. Nach dem Frühstück kam uns das Lotsenboot „entgegengeschwankt“ und unser „Atlantik-Busfahrer“ Mey parkte sein Fahrzeug pünktlich 10 Uhr am Passagierkai.

      Die Tour zur Halbinsel Itamaracá sollte von 2 Bussen gefahren werden: Im großen Bus saß eine deutsch sprechende Brasilianerin als Reiseleiter, im kleineren ein englisch sprechender Brasilianer als Reiseleiter zusammen mit einem AIDA-Scout zum Übersetzen.

      Aus dem Hafen kam unser Bus (wir saßen im großen Bus) relativ schnell und dann wurde es zäh: Stau. Es war der 2.11., damit der Feiertag Finados (Allerseelen) und alles wollte aus der Stadt. Da wir sehr langsam vorankamen, konnten wir Straßen, Häuser und Menschen in Ruhe betrachten. Unsere Reiseleiterin Rosa erklärte uns, dass die Brasilianer keinen Wert auf ein schönes Haus legen, selbst schön sein und feiern ist wichtiger. Aus Steuergründen sind die meisten Häuser zur Straßenseite hin sehr schmal und dafür nach hinten lang gebaut.

      So etwas wie Mülltonnen gibt es nicht in Recife: Der Müll wird in Plastikbeuteln an den Straßenrand gestellt, wo er abgeholt werden sollte - wenn da nicht die streunenden Hunde schneller wären, die die Beutel aufreißen und den Müll wieder auf dem Bürgersteig und der Straße verteilen.

      Und noch etwas erfuhren wir: Für größere Entfernungen nimmt man in Brasilien einen Flieger oder den Bus - das Netz der Bahn ist für den Personenverkehr sehr schlecht ausgebaut. Dafür das Fernbussystem sehr gut.

      Inzwischen schlichen wir durch Olinda (auf Deutsch: wie schön) mit seinen Kirchen und Klöstern. Irgendwann erreichten wir dann Igarassu mit der ältesten erhaltenen Kirche Brasiliens aus dem Jahre 1535.

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       Igarassu mit der ältesten erhaltenen Kirche Brasiliens (links hinter den Bussen).

      Eine der im dortigen Kloster lebenden Nonnen ermöglichte es uns, die Kirche trotz des Feiertages von innen zu besichtigen. Von dort aus ging es im normalen Tempo weiter zum Endziel des Ausfluges: der Halbinsel Itamaracá. Zuerst besuchten wir das Manatee-Center zum Schutz der Seekühe. Für meine Begriffe hässliche Tiere, die in sehr kleinen, ungepflegten Becken herumschwammen. Die öffentlichen Toiletten auf dem Gelände gab es für Männlein, Weiblein und Behinderte. Letztere „verriegelte“ man ganz brasilianisch, indem man von innen einen dort liegenden Stein an die Tür schob.

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       Manatee-Center

      Anschließend hatten wir ca. 45 Minuten „Freigang“ am Strand in der Nähe des Fort Orange. Einige der Mitreisenden gingen Baden, andere, wie wir, liefen nur mit hochgekrempelten Hosenbeinen im warmen Atlantikwasser etwas am „naturbelassenen“ Strand entlang.

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       Strand am Fort Orange.

      Auf dem Rückweg vom Strand zum Bus wurde ich dann sehr schnell: Der Sand unter meinen bloßen Fußsohlen war furchtbar heiß. Meine Frau hatte da mit ihren Sandalen das Klügere gewählt und amüsierte sich nicht als Einzige köstlich über meine „Hüpfer“.

      Auch auf der Rückfahrt nach Recife waren wieder sehr viele Palmenhaine zu sehen und in der Stadt mehrere vernachlässigte Viertel. Bei der Einfahrt in den Hafenbereich wurden wir - entgegen allen Erwartungen - überhaupt nicht kontrolliert.

      Als wir 18 Uhr den Hafen verließen, war es schon dunkel.

      Wir gingen danach am Schalter von Frau Preiß vorbei, um uns nach dem Stand der Reservierungen zu erkundigen und erhielten als Antwort, dass die Kollegen in Rostock bereits gebucht haben. Daraufhin baten wir um Mitteilung der gebuchten Sitzplatznummern. Diese sollten wir morgen bekommen. Also alles paletti - dachten wir.

      Fast jedes Mal, wenn wir vor dem Schalter von Frau Preiß anstanden, wartete wenige Personen vor uns immer der gleiche Herr in einer furchtbar bunt karierten Hose (die Karos waren noch schlimmer als die in der Kabine). Aufgrund seines Aussehens und seiner Gangart nannte ihn meine Frau „Louis Trenker“. Wie wir mitbekommen sollten, hatte Louis das Problem, dass sein Koffer nicht auf dem Schiff angekommen war. Schuld war wohl die nicht namentlich genannte Fluggesellschaft. Der Koffer sollte erst auf den Kapverden, dann in Recife und später in Salvador da Bahia ankommen - ob er seinen Koffer vor der Heimreise überhaupt erhalten hat, wissen wir nicht.

      Glücklicherweise waren unsere beiden Gepäckstücke angekommen. Wir hatten, so weit möglich, alle Sachen halbiert und auf beide Gepäckstücke verteilt, sodass man sich bei Verlust nur eines Gepäckstückes schon etwas behelfen kann.

      Wenn man ohne seine Koffer aus dem Schiff „ausharren“ muss und dann noch eine Kleidergröße größer als etwa 44 hat, dann ist dies ein echtes Problem, da der Shop auf der Cara, soweit wir das sehen konnten, nur „normale“ Kleidergrößen führte.

      Trotz dieser Einschränkung und teilweise saftiger Preise war der Shop ein begehrtes Ziel. An einem Abend nach dem Essen im Marktrestaurant ging ein Pärchen so Mitte vierzig vor uns und wir mussten hören, wie sie zu ihm sagte: „Gestern hattest Du Deinen Landausflug und jetzt habe ich meinen Shopping-Ausflug. Basta!“ Das ist Emanzipation der Frau! Für uns stellte sich die ewig unbeantwortet bleibende Frage, ob er den Landausflug allein unternommen hatte. Deswegen werden wir aber nicht an Schlaflosigkeit leiden.

      Alice Schwarzer wäre aber wohl erst dann so richtig zu begeistern gewesen, wenn die Frau den Landausflug allein unternommen und den Mann währenddessen zum Shoppen geschickt hätte (dies ginge aber nicht, da während der Hafenliegezeiten der Shop meist geschlossen bleibt).

      03.11.12 1 Seetag

      Wenn auch leicht bewölkt, war es doch sonnig und warm und wir gingen, wie alle Seetage bis jetzt, zum Sonnenbaden. Rechtzeitiges Erscheinen sichert die besten Plätze, und da wir Frühaufsteher sind, hatten wir kein Problem damit.

      Kurz vor dem Mittagessen begannen die Vorbereitungen für die noch nachzuholende Äquatortaufe, die 15 Uhr starten sollte.

      Da meine Frau befürchtete, geschupst oder ins Wasser geworfen zu werden, begaben wir uns 15 Uhr auf Deck 6 und fanden hier ein schönes Plätzchen im Bugbereich, gleich hinter dem für Mitarbeiter vorgesehenen. Hier war ihre Wirbelsäule vor Unvorhergesehenem geschützt.

      Als wir dann nach dem Kaffee wieder auf Deck 11 erschienen, berichtete uns Missis Zahnfleisch, die sich selbst auch vor der Taufe gedrückt hatte, ausführlich davon. Bei der Taufe hat Kapitän Mey alle Taufurkunden eigenhändig unterschrieben. Die zu Taufenden mussten einen Fisch küssen, etwas Undefiniertes trinken und dann „baden gehen“. Danach erhielten sie einen neuen Namen direkt von Neptun. Also hätten wir uns das Spektakel auch ansehen können - es wurde keiner gezwungen, an irgendetwas teilzunehmen.

      Kurz bevor wir spätnachmittags vom Sonnendeck verschwinden wollten, konnten wir ein Gespräch von zwei deutlich jüngeren Pärchen anhören, wo eine der beiden Frauen leise äußerte, dass sie beide es sich gar nicht trauen, jemandem mitzuteilen, dass sie diese Reise im Vorjahr schon einmal mitgemacht und in Rio nichts gesehen hatten. Dieses Jahr waren sie wieder

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