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Irland. Patricia Grotz
Читать онлайн.Название Irland
Год выпуска 0
isbn 9783847611592
Автор произведения Patricia Grotz
Жанр Книги о Путешествиях
Издательство Bookwire
Peter wies mich auf die mangelnde Sicherheit meiner Position hin, ließ sich aber dadurch den Spaß nicht verderben, zu gerne fuhr er lange Strecken mit dem Auto.
Den halben Tag bedienten wir Urlaubsklischees: Brütende Hitze, Staus auf den Autobahnen, Mittagspause an einem überfüllten Rastplatz (in diesem Fall bei Verdun, dem Schlachtfeld des ersten Weltkriegs) und am Wegesrand vorbeifliegende prächtige Schlösser, restaurierte Burgen, alte Landhäuser und architektonische Kunstwerke.
Am späten Nachmittag wurde es dann etwas individueller. Peter weckte mich kurz vor Paris. „Kannst Du mir helfen? Ich habe mich früher mal so schrecklich verfahren in Paris.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte ich doch tatsächlich vergessen, dass sich Peter immer und überall schrecklich verfährt. Ich orientierte mich auf den diversen mitgeführten Straßenkarten. Das erste serienreife Navigationsgerät für Kraftfahrzeuge wurde ja erst 1994 in einen BMW eingebaut. Hätten wir also dieses eine Jahr noch abgewartet, wäre uns viel erspart geblieben, oder vielleicht auch nicht. Ein fest installiertes Mobiltelefon hatten wir allerdings bereits in unserem Auto, natürlich hatte der Hörer noch ein Kabel. Es war kiloschwer und hatte eine, für heutige Verhältnisse, aberwitzige Summe gekostet. Wir hatten sogar zwei Nummern eingespeichert: Die des Notrufs der Feuerwehr und die des ADAC Pannendienstes, den gab es ja damals schon. Nachdem die Gebühren eines Telefongesprächs aber noch unverhältnismäßig hoch waren, hatten wir von der Programmierung weiterer Nummern abgesehen.
Die Landkarten aus Papier sagten mir also, dass wir auf dem richtigen Weg waren. „Kein Problem. Immer geradeaus. Die Umgehung durch die Peripherie. Erst raus bei einem Wegweiser nach Rouen.“ Da war er gewesen, der Wegweiser nach Rouen. Vorbei. Das Schild war grün. Peter hatte ein blaues erwartet. Nach einer kleinen Diskussion drehten wir bei der übernächsten Gelegenheit um. Etwas verwirrend waren die vielen Schilder schon, einmal weiß, dann grün und da endlich für Peter ein blaues! Es war die gleiche Abfahrt, die wir vorher versäumt hatten. Vielleicht richteten sich in Frankreich die Farben der Schilder nach der Fahrtrichtung?
Wir passierten Versailles, jetzt waren wir immerhin auf der richtigen Straße. Nach weiteren hundert Kilometern nahmen wir die Abfahrt nach Louviers und landeten schon wieder bei einer péage (Maut). Es war bestimmt schon die fünfzehnte Zahlstelle und ich hatte längst den Überblick über die französischen Sous verloren. Zur Erinnerung für alle, die nach dem 31. Dezember 1998 geboren wurden: Damals gab es natürlich längst noch keinen Euro, sondern in Frankreich den Franc, den Sou und die Centimes.
Peter sprach ganz gut französisch und fragte den Kassier an der péage nach unserem Hotel. „Hostellerie Saint–Pierre, un Relais du silence in Saint–Pierre–Du–Vauvray?“ Peter fügte noch hinzu, dass es direkt an der Seine sein musste, drei Kilometer hinter Louviers. Der Kassier kannte das Hotel und erklärte uns den Weg dorthin. Wir fanden es sogar, ohne uns weiter zu verfahren, wir hatten uns deutlich verbessert. Und ich war stolz auf meinen Peter.
03. Hostellerie Saint–Pierre ***
Foto 02: Hostellerie Saint–Pierre *** (Die *** sind nicht etwa Fußnoten, wie ein junger Leser vermutete, sondern die trois étoiles des Hotels, also die drei Qualitätssterne)
Wir hatten ein gemütliches Zimmer im zweiten Stock mit Blick auf die Seine. Sogar vom Bett (das höchstens hundertzwanzig Zentimeter breit war!) konnte man die vorbeifahrenden Containerschiffe beobachten. Sie machten einen höllischen Lärm, noch viel lauter als D–Züge.
Foto 03: Seine mit Containerschiff, Ausblick aus unserem Zimmer
Die Hostellerie war ein traditionelles Haus mit hervorragender Küche. Peter war entzückt, studierte lange die Speisekarte und übersetzte mir die französischen Gerichte. Ich legte mich erschöpft in das kleine Bett und versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass ich es mit Peter teilen musste. Wenigstens hatte ich mein orthopädisches Kopfkissen bei mir, nur die Ohropax waren noch im Auto. (Peter schnarchte meist ziemlich laut.) Die Sonne ging langsam über der Seine unter, auch das konnte ich vom Bett aus sehen. Ich schickte Peter allein zum Essen, ich fühlte mich gar nicht gut. Ich übergab mich und begann, abwechselnd zu frieren und zu schwitzen, fühlte mich schwach und nahm als Prophylaxe Perenterol (zur Beruhigung des Darms) und Elotrans (Mineralien bei starkem Flüssigkeitsverlust). Aber es blieb nichts davon in mir drin.
Als Peter zurückkam, er hatte phantastisch gegessen, entschieden wir uns, einen Arzt zu rufen. Kein Problem, sagte der freundliche Portier. Nach etwa fünfzehn Minuten kamen drei Feuerwehrleute in roten Overalls und der Oberkellner als Dolmetscher, der noch seine Arbeitskleidung trug, einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine Fliege. Allerdings sprach er nur Französisch, obwohl er angeblich der einzige war, der etwas Englisch verstand. Einer der Feuerwehrleute hatte einen Pickel (im Gesicht) und eine monströse Sauerstoffflasche (auf dem Rücken). Ein anderer stand herum, sah sich um und diskutierte mit den anderen. Ein dritter zog Handschuhe an, fühlte meinen Puls und maß meinen Blutdruck. – Alles in Ordnung. Ich versuchte, dem Oberkellner meine Symptome zu erklären. Peter grinste, ich nahm an, er amüsierte sich über mein schlechtes Englisch, die Feuerwehrleute und die Situation insgesamt.
Ich brauchte also keinen Sauerstoff. Die Feuerwehr rückte ab und der Oberkellner versprach, einen Arzt zu rufen.
Peter marschierte in dem kleinen Zimmer auf und ab, in dem Hunderte kleiner Fliegen und Mücken an der Decke entlangschwirrten. Es war inzwischen dunkel. Der Vollmond schien ins Zimmer herein und die Seine reflektierte sein Licht.
Nach weiteren zwanzig Minuten, es war inzwischen zweiundzwanzig Uhr dreißig, kam ein junger schmaler Arzt mit Locken und Nickelbrille. Erneut wurden Blutdruck und Puls kontrolliert, anschließend eingehend meine Zunge untersucht, der Bauch abgetastet und die Lunge abgehört. Das alles ergab folgende Diagnose: Akute, krampfartige Magenschleimhautentzündung. Der Herr Doktor stellte ein Rezept aus, erklärte Peter, er könnte die Medikamente heute Nacht noch abholen und verabschiedete sich. Peter schloss die Tür, fing an zu lachen und fragte mich, wie ich auf das Wort spy für spucken käme. „Meintest du vielleicht speiben? Aber das ist eher bayerisch.“ Jetzt bog er sich vor Lachen, winkte mir, dem speibenden Spion, zu und machte sich auf den Weg. (Leider kein Foto vorhanden.)
Erst nach über einer Stunde kehrte Peter zurück und schilderte mir seine Erlebnisse. Der Oberkellner hatte inzwischen Dienstschluss gehabt und war schon nicht mehr ganz nüchtern gewesen. Er hatte erst mit der Polizei telefoniert, um in Erfahrung zu bringen, welche Apotheke Notdienst hatte und weckte anschließend den Apotheker zu Hause, um ihm mitzuteilen, dass er zu seiner Apotheke fahren solle. Danach bot er Peter an, ihn zu der fünfundzwanzig Kilometer entfernten Apotheke zu chauffieren. Das war wirklich nett, aber Peter war ein ängstlicher Beifahrer. Seiner Aussage zufolge war der angetrunkene Oberkellner mit über hundert Kilometer pro Stunde über eine enge löchrige Landstraße gebrettert, permanent quasselnd und ohne auf die Straße zu achten. Ich war froh, dass er unverletzt zurückgekehrt war.
Peter fiel erschöpft ins Bett und überreichte mir meine Medikamente, Antispucktabletten, Antidiarrhoika und "Gipspulver" (Beutel mit dem Inhalt eines weißen Pulvers zum Auflösen in Wasser) für den Magen.
Meine Ohropax waren immer noch im Auto. Aber Peter