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ihr, wie sie in der Rolle der Lara mein Frauenbild geprägt hatte. Und dass ich mir ihretwegen den Film dreimal hintereinander angesehen hätte.

      Sie lächelte mich an, aber es war das professionelle Lächeln einer Stewardess. Dann legte sie ihre Hände auf meine Schultern, zog mich zu sich herunter und küsste mich leicht auf beide Wangen. Ich überlegte kurz, ob ich sie an unseren Tisch einladen sollte. Aber dann sah ich sie mir genauer an. Diese zierliche, manierierte und sicher auch neurotische Frau hatte nicht das Geringste mit der von mir idealisierten Filmfigur gemeinsam, mit der sie nichts mehr zu tun haben wollte, wie auch die radikale Veränderung ihrer Frisur bewies. Sie war leider überhaupt nicht mein Typ. Wieder erfüllte sich ein Jugendtraum. Wieder zerplatzte eine Illusion.

      *

      Ich kniete an Clints etwas verwahrlost wirkendem Grab nieder und grub mit bloßen Händen ein Loch in die morastige Erde, um eine Flasche Lagavulin, Clints Lieblingswhisky, darin einzugraben. Mit Tränen in den Augen verließ ich danach den menschenleeren Friedhof und wanderte ziellos durch die mir völlig unbekannte Gegend. Bis es mir gelang, ein Taxi zu erwischen und in mein Hotel zurück zu kehren. In meinem Zimmer zog ich mir die tropfnassen Klamotten aus und duschte ausgiebig. Obwohl ich mich danach etwas besser fühlte, hielt ich es nicht aus, hier alleine herumzusitzen. Ich verließ das Waldorf und ließ mich von einem Cab zu „Michael´s Pub“ bringen. Der Kneipe, in der Woody Allen einmal die Woche mit seiner Band erstklassigen Jazz spielte. Clint und ich hatten hier oft an der Bar gehockt und den wehmütigen Klängen der Klarinette dieses schmächtigen kleinen Juden gelauscht, der so verzweifelt hinter der Liebe der Frauen her rannte und dabei immer unglücklicher wurde. Wie an seinem Gesicht unschwer zu erkennen war.

      Heute war Woodys Auftritt und an diesem Abend schien er mir noch zerbrechlicher und verwirrter zu sein als in meiner Erinnerung. Seine abwechselnd schrillen und melancholischen Improvisationen offenbarten seinen zerrissenen Seelenzustand genauso deutlich wie seine Filme. Erschreckend, wohin diese Sehnsucht nach der bedingten, egoistischen Liebe ihn trotz seines Welterfolgs auf der geistigen Ebene gebracht hatte. Wieder einmal hatte ich das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen.

      Ich bestellte mir ein Glas Lagavulin und sah mir die Gäste in der dicht gefüllten Kneipe sehr genau an. Clint und ich hatten oft über New York und seine Bewohner philosophiert. Wir waren beide der Ansicht, dass der „Big Apple“ eine verängstigte Stadt ist, in der alle mit hängender Zunge hinter dem Geld herjagen. Die Bankiers genau wie die Straßenräuber, die Businessmen ebenso wie die Nutten. Ich schaute mir die Augen der um mich herum stehenden Männer an und erblickte darin Angst und Wut. Bestimmt lebten sie hinter dreifach verriegelten Türen. Clint pflegte zu sagen, dass ihre Leben in der gnadenlosen Ellbogengesellschaft Manhattans hauptsächlich daraus bestünden, andere Männer zu bekämpfen, die sie nicht hassten, und mit Frauen zu schlafen, die sie nicht liebten.

      Plötzlich fror es mich. Ich wandte mich wieder meinem Drink zu und trank mein Glas auf ex. Damit eröffnete ich eine lange Serie.

      Völlig betrunken lief ich weit nach Mitternacht zu Fuß zum „Waldorf Astoria“ zurück, in dem einst alles begonnen hatte und jetzt alles endete. Diesmal hatte ich die Suite zum vollen Preis anmieten müssen, weil mein Freund aus Guadeloupe schon lange nicht mehr an der Rezeption arbeitete und ich keine Rebates mehr erhielt. Joe, der Barkeeper, war in Rente gegangen, wie ich bei einem Gespräch von einem seiner Kollegen erfuhr. Einem alerten jungen Typen, der nur an dem Verkauf seiner Getränke interessiert war und nicht wie Joe einen Spezialservice für seine guten Gäste anbot. Also fuhr ich ohne einen weiteren Drink an der Bar zu nehmen direkt zu meiner Suite hoch. Kurz darauf kniete ich kotzend über der edlen Marmorkloschüssel, während mir unaufhörlich die Tränen über die Wangen liefen.

       Am nächsten Morgen hatte ich einen Mordskater und ließ mir eine Bloody Mary mit Eigelb und Tabasco aufs Zimmer bringen. Während ich den fürchterlichen Muntermacher in kleinen Schlucken trank, blickte ich gedankenvoll auf die Wolkenkratzer vor meinem Fenster. Ohne Clint, ohne all die anderen mir vertrauten Gesichter und mit dieser jetzt herrschenden Sterilität, die der Disneykonzern und der „Krieg gegen das Verbrechen“ mit 45.000 Polizisten für 7,5 Millionen Einwohner implantiert hatte, war New York für mich bedeutungslos geworden. Eine mir sehr unsympathische Stadt, bei der man wegen Radfahrens auf dem Gehweg für drei Tage ins Gefängnis musste. Plötzlich wollte ich nur noch weg. Ich verbrachte den Tag im Hotel, weil ich keine Lust hatte, mich unter die kaufgeilen Touristen zu mischen, die sich tagsüber auf den Gehwegen der ganzen Stadt drängeln. Bei meinem Rückflug am Abend warf ich nach dem Start einen letzten Blick auf die erleuchtete Skyline von Manhattan. Ich wusste, ich würde sie nie mehr wieder sehen. Damals ahnte ich nicht, dass der Anschlag auf das World Trade Center sie für immer verändern würde und damit die mir aufgefallene Kastration des „Big Apple“ auch äußerlich sichtbar werden würde.

      Kapitel 4

      Der Mensch, wenn er ins Leben tritt,

       ist weich und schwach,

       und wenn er stirbt,

       so ist er hart und stark.

       Die Pflanzen, wenn sie ins Leben treten,

       sind weich und zart,

       und wenn sie sterben,

       sind sie dürr und starr.

       Darum sind die Harten und Starken

       Gesellen des Todes,

       die Weichen und Schwachen

       Gesellen des Lebens.

      (Lao Tse)

      Nach der Landung in München am nächsten Morgen war ich direkt nach Bozen weiter gefahren. Ich hatte dort seit ein paar Monaten unter dem Deckmantel einer Luxemburger Holding ein Büro angemietet. Ein dreiviertel Jahr nach meiner Entlassung hatte ich meinen Ex-Cheftrader und meinen ehemaligen Prokuristen angerufen. Der Grund war, dass ich begriffen hatte, dass meine Ehe gescheitert war und ich mir eine Beschäftigung suchen wollte, um der disharmonischen Stimmung in meinem Zuhause zu entgehen. Beide waren sofort bereit gewesen, mich zu treffen. Sie arbeiteten inzwischen mit einem anderen ehemaligen Angestellten von uns zusammen, der sich selbstständig gemacht hatte. Aber sie waren nicht glücklich mit ihm. Ich bot ihnen an, eine neue Firma zu gründen und sie einzustellen. Sie waren einverstanden. Mein Cheftrader war mit einer Südtirolerin liiert. Er schlug vor, das Büro in Bozen zu domizilieren. Seine Lebensgefährtin kenne alle wichtigen Leute dort. Sie würde uns Kunden bringen. Ich sagte mir, vertraue in Kairos und mach es.

      So kam es, dass ich ein gemütliches Büro unter den Lauben angemietet hatte, von dessen Fenstern aus ich einen Blick auf den Bozner Obstmarkt hatte. Geschäftlich lief es nicht schlecht. Tatsächlich brachte uns die Freundin die ersten Interessenten ins Haus. Die Südtiroler waren ausgesprochen misstrauische Gesellen, aber gierig. Sie stellten viele intelligente Fragen und es war spannend, sie zu überzeugen.

       Nach den ersten Meetings hatte ich wieder Blut geleckt. Ich hatte mir als Investitionsmodell einen Zinsspread ausgedacht, mit dem man auf sinkende Zinsen in den USA und steigende in Deutschland spekulieren konnte. Oder vice versa. Ich wusste, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Kunde bei uns einzahlen würde.

      Ich sollte Recht behalten. Nach ein paar Wochen verwalteten wir bereits eine Million US Dollar. Das bedeutete einen Tagesumsatz von 1000 US$ für uns. Also mehr als genug, um die Bürokosten und unsere Gehälter zu zahlen. Der Zinsspread ging auf und wir erzielten Gewinne. Einer unserer zufriedenen Kunden empfahl uns einem Fondsmanager mit Sitz in Lugano. Er wollte mich kennenlernen. Also warf ich mich in einen dunkelblauen Edelzwirn, wählte aus meinem Fuhrpark, der inzwischen wieder aus einem Jaguar, einem Range Rover und einem Porsche bestand, die englische Edellimousine und fuhr zu ihm. Herr S. war ein Portugiese, der sich als ein echter Gentleman entpuppte. Wir verstanden uns vom ersten Augenblick an. Bei der Rückfahrt hatte ich einen Vertrag über 4 Millionen US$ in der Tasche, die er uns zur Verwaltung zur Verfügung stellte. Unglaublich. Nach noch nicht einmal einem halben Jahr verwalteten wir 5 Mio. US$. Nur für Commodities. Bei 1000 gehandelten Kontrakten waren das 5.000 US Dollar Umsatz. Täglich.

      Alles schien also bestens zu laufen. Doch natürlich bleibt

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