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      Manuela Tietsch

      Im Bann des Bernsteins

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       Verlagslogo

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Im Bann des Bernsteins

       Prolog

       Die Legende

       Im Nebel

       Die Ratten sind weg

       Lovis

       Hans der Bunte

       Quernhamelen

       Elriam

       Der Bürgermeister

       Die Hexe

       Auf der Flucht

       Unter der Erde

       Die Einhörner

       Die Riesen

       Verrat

       Leid und Verlust

       Der Bernstein

       Zuhause

       Epilog

       Impressum neobooks

      Im Bann des Bernsteins

      Manuela Tietsch

      Roman

      Inschrift des Hamelner Rathauses:

      Im Jahre MCCLXXIIII nach Christi Gebort,

      tho Hamelen worden vothgefort,

      hundert von drittig Kinder daselbst geborn,

      durch eynen Piper daselbst verlohrn.

      Prolog

      Elriam saß vor dem Höhleneingang der Weisen, auf einem großen Findling, dessen glatteste Seite, mit Moos bewachsen, nach Westen zeigte. Der Wind rauschte in den großen Laubbäumen, ließ die Blätter zittern. In der Ferne sang eine Singdrossel ihr stellenweise eintöniges Lied. Er strich mit seinen nackten Füßen über die schon hoch ausgewachsenen Gräser, deren Samenkörner sacht nach unten fielen.

      Immer wieder kreisten seine Gedanken um das blonde Mädchen aus der anderen Zeit. Er konnte ihren verständnislosen, erstaunten Blick einfach nicht vergessen. Nachdenklich blickte er an seinem herbstlaubfarbenen Wams herunter. Er war ganz sicher, dass ihn das Mädchen gesehen hatte.

      Großvater Garredoin trat aus dem Höhleneingang. Elriam blickte ihn nur kurz an, sah sein rotes, langes Gewand aus den Augenwinkeln bei jedem Schritt schmeichelnd seine langen Beine umfließen. Noch ehe er einen Blick in sein Gesicht warf, wusste er was folgen würde, daher sah er fast trotzig, zur Seite ins Gras.

      Auf Garredoins Zügen gruben sich tiefe Sorgenfalten. „Er wär schon wieder eyn Mal unterwegs gewesen?“ Garredoin sah seinen Enkel ernst an. Er war noch so jung, so ungestüm und leider auch viel zu gefühlsbetont für einen Innerirdischen. Elriam schwieg und schluckte schwer; Garredoin wusste wohl, dass er ihn an einem wunden Nerv getroffen hatte.

      Was sollte Elriam auch sagen, sein Großvater wusste ja doch schon alles.

      Eine Windböe ließ die Blätter erneut erzittern, sein Großvater ließ sich nicht beirren.

      „Was verspräch er sich davon? So er nicht aufpasst, könnet er werden wie seyn Vater.“

      Elriam zuckte die Schultern, halb schuldbewusst, halb trotzig. Garredoin konnte einen Seufzer, der aus tiefster Kehle kam, nicht unterdrücken. Elriam blickte ihn kurz an, ehe er sich wieder den Bäumen zuwandte. „Ich wollt alles wissen!“

      „Aber dazu müsst er doch nicht in der Zeyt, noch auf der Erdoberfläche umherwandern. Viele von uns kennen das Oben, kennen die Menschen. wir könnten ihm wohl gar alles erzählen, was er wissen wollt!“

      Elriams Blick wanderte von den Bäumen zur Erde. Seine gewellten Haare, deren Farbe eine seltsame Mischung aus braun, blond und rot war, fielen ihm über die Stirn in das Gesicht. Er schubste mit dem Fuß einen kleinen Stein zur Seite, ehe er seinen Blick, anscheinend ziellos, in die Ferne schickte.

      Als hätte er seinen Großvater vergessen, sagte er zu sich selber:

      „Wen könnet es schon stören? Selbst wenn ich wollt, mich könnt doch gar niemand wahrnehmen, oder?“ Als er Garredoin plötzlich ansah, blickte er frei und herausfordernd. „Gäb es eynen Weg um eynzugreyfen? Könnten sie uns unter gewissen Umständen sehen?“

      Garredoin versuchte aus den Zügen seines Enkels zu lesen. In der Nähe krächzte eine Krähe, als lachte sie. Garredoin war misstrauisch. „Warum stellet er diese fragen?“

      Elriam schüttelte unwirsch den Kopf, machte eine wegwerfende Handbewegung. „Nur so“, er hielt eine gedankenschwere Pause, „hätt ich eyne Möglichkeyt?“ Er sah, dass sein Großvater nachdenklich den Kopf schüttelte.

      „Halt er sich eynfach von den Menschen fern! Es stiftet nur Unruh, wenn er auf der Erdoberfläche sey.“ Er seufzte wieder schwer, während er Elriam müde ins Gesicht sah. Ihm war klar, dass seine Worte auf unfruchtbaren Boden fielen, deshalb sagte er: „Bleyb er zumindest im Hier und Jetzt!“

      Elriam hörte seinen Großvater sprechen, doch den Sinn seiner Worte verstand er nicht. Er musste bereits wieder an das junge Mädchen denken, deren Unfall er verursacht hatte. Er hatte seinen Großvater fast vergessen, als er leise sprach: „Sie hätt mich gesehen, ich wär mir gar sicher!“ Plötzlich erinnerte er sich wieder Garredoins, er blickte ihn fragend an. „Was hätt meyne Mutter, dass meyn Vater die Verbannung gewaget hätt? Wie wär sie geweysen?“

      Garredoin blickte sinnierend in die Ferne; ehe er sprach, versuchte er sich Ethelruths Gesicht wieder in Erinnerung zu holen. „Sie wär gar eyn hübsches Mädchen“, sagte er leise, „doch eben nur eyn Mensch!“

      Elriam wagte einen zweifelnden Blick auf seinen Großvater. War das alles, was er über seine Mutter erfahren sollte?

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