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      Candy Bukowski

      Eine neutrale Tüte bitte

      Menschen im Sexshop

      Stories

      Bukowski, Candy : Eine neutrale Tüte bitte. Hamburg,

       acabus Verlag 2019

      Originalausgabe

      ePub-eBook: ISBN 978-3-86282-699-5

      PDF-eBook: ISBN 978-3-86282-698-8

      Print: ISBN 978-3-86282-697-1

      Lektorat: Emilia Kröger, acabus Verlag

      Satz: Emilia Kröger, acabus Verlag

      Cover: © Annelie Lamers, acabus Verlag

      Covermotiv: © dule964, fotolia.com

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Der acabus Verlag ist ein Imprint der Bedey Media GmbH, Hermannstal 119k, 22119 Hamburg.

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      © acabus Verlag, Hamburg 2019

      Alle Rechte vorbehalten.

      http://www.acabus-verlag.de

      Für meine Kolleginnen und Kollegen,

       die jeden Tag einen richtig guten Job machen.

       Und für all die Menschen, die ihn wertschätzen

       und uns ihr Vertrauen schenken.

      Liebenswerte Nachhilfe für „untenrum“

      Ein Gastbeitrag von Olivia Jones

      Für uns St. Paulianer ist es kaum zu glauben, aber für viele Menschen sind Sexshops immer noch eine Tabuzone. Ich merke das regelmäßig bei unseren Kiez-Führungen. Da ist der Sexshop-Stop immer noch Pflichtprogramm. Und für mich ist auch das tausendste Mal, wie mein erstes Mal in der Sexualkundestunde – im doppelten Sinne:

      So lustig diese Besuche auch sind, soviel auch gelacht wird, höre ich von Verkäufern und Gästen immer wieder, dass die Besuche auch pädagogisch wertvoll sind, zur Aufklärung beitragen, Hemmungen abbauen. Viele Gäste kommen wieder.

      Oft habe ich mich gefragt, warum nicht längst ein Mitarbeiter per Buch aus dem Nähkästchen geplaudert hat. Aber ob es jedem so gelingen würde wie Candy Bukowski? Sie hat einen guten Blick für Geschichten und sich trotz aller Abgründe, Absurditäten und Albernheiten einen wertschätzenden Blick für die Menschen vor der Verkaufstheke bewahrt.

      Ich habe jedenfalls beim Lesen oft gelacht, aber – wer hätte das gedacht – genauso viel gelernt: Das Buch ist nicht nur Nachhilfe für die Lachmuskeln, sondern auch für „untenrum“. Danke, Candy!

      Olivia Jones ist der bekannteste und erfolgreichste Paradiesvogel auf St.Pauli. Trotz ihrer vielen Jobs als Gastronomin, Unternehmerin und St. Pauli ›Fremdenführerin‹ ist sie ein Star zum Anfassen geblieben. Die Grünen schickten sie als Wahlmann/-frau nach Berlin, für ihr gesellschaftspolitisches Engagement wurde sie mit dem Ehren-Pride-Award ausgezeichnet.

      Das wichtigste Organ sitzt zwischen den Ohren

      Ein Gastbeitrag von Lilo Wanders

      „Die besten Dinge im Leben sind ja oft unten, und deshalb gehen wir jetzt ins Tiefparterre.“ Mit dieser Ansage führe ich meine Besuchergruppe vorbei am freundlich grüßenden Türsteher in die hell erleuchtete Boutique Bizarre. Seit etlichen Jahren schon zeige ich an manchen Sommersamstagen Touristen, und allen anderen, die ihn kennenlernen wollen, meinen Kiez von St. Pauli.

      Ein Höhepunkt des Rundgangs ist der Abstecher in Europas größten Sexshop an der Reeperbahn. Hier findet sich auf zwei Etagen alles, was der Lust zuträglich sein kann: von der aufreizenden Corsage bis zur elektronischen Masturbationshilfe in vielerlei Formen, Farben und Größen; von Accessoires für die Fantasie von einer Nonne in Latex oder Leder, wechselnde Kunstausstellungen, von denen manche so deftig geraten, dass selbst ich erröte, bis zu Unterricht in Bondage-Techniken. Alles ist denkbar, alles ist möglich – jedem Tierchen sein Pläsierchen. Was total in Ordnung ist, solange alle Beteiligten bei klarem Verstand sind und wissen, was sie tun.

      Im Basement hat mein Tourbegleiter Harry inzwischen mein Köfferchen mit ausgesuchten Sexspielzeugen auf einem Bistrotisch platziert, und ich präsentiere den Besuchern die mehr oder weniger ausgefallenen Toys, die dann von Hand zu Hand wandern dürfen. Von andächtigem Schweigen bis zu schrillen Juchzern („Den hab ich auch!“) – keine Reaktion der Gäste ist vorhersehbar und ergibt sich immer aus der Zusammensetzung der Gruppe. Schön war die Begeisterung der 86-jährigen Pastorenwitwe über ein von Batterien betriebenes Rad mit zehn Silikonzungen, die mit drei Geschwindigkeiten vorwärts, rückwärts und sogar mit Intervallschaltung rotierend die Richtung wechseln: „Jetzt zeig mir mal einen Menschen, der das alles kann!“

      Harry und ich warten, bis alle Produkte wieder bei mir angelangt sind und für die nächste „Tour de Wanders“ im Koffer verstaut werden können. Jetzt noch ein paar Fotos zur Erinnerung, einige Worte gewechselt mit den ausnehmend netten Verkaufskräften, und weiter geht es in die Nacht von St. Pauli …

      So ist das mit meinem persönlichen Köfferchen in der Boutique Bizarre. Aber was viel wichtiger ist und was ich geradezu missionarisch gerne verbreite: Das wichtigste Organ sitzt zwischen den Ohren. Ich meine das Hirn, gekoppelt mit dem Mund. Sie müssen im Bett reden, reden, reden. Sagen, was gefällt, sagen, was nicht gefällt. Wünsche, Gefühle. Das ist wichtig.

      „Wenn wir lieben, glauben wir entweder, wir werden nie wieder traurig sein, oder wir sind so wund, dass wir keinen Schritt mehr laufen können. Bei mir ist es immer beides. Von Sex ist die Rede, meine Lieben, mein Name ist Lilo Wanders“ – mit diesem frechen Satz habe ich 1994 die erste Sendung von „Wa(h)re Liebe“ im TV eröffnet und meine Überzeugung hat sich seitdem nicht verändert. Wer mich im Fernsehen gesehen hat oder heute auf der Bühne erlebt, müsste zu der Erkenntnis kommen, holla, wir können uns auch mal über Sex unterhalten. Sex ist was Schönes, Sex macht Spaß.

      Und da ist es ganz wunderbar, dass mit diesem Buch auch mal jemand den großen Koffer direkt aus dem Sexshop öffnet und jeder einen tiefen Blick hineinwerfen kann. Der tut nicht weh, kann einen auf der Suche nach dem Glück aber ein gutes Stück weiterbringen. Und für all jene, die schon alles kennen: es ist doch sehr befreiend zu erfahren, dass man nicht das einzige Ferkel auf der Welt ist.

      Lilo Wanders ist eine Institution in Sachen Liebe, Sex, Erotik und Partnerschaft. Schließlich flimmerte ihre TV-Show „Wa(h)re Liebe“ zehneinhalb Jahre lang gespickt mit allerlei Erkenntnissen in die Wohn- und Schlafzimmer. Seitdem tourt sie mit Programmen wie „Sex ist ihr Hobby“ durch die Lande.

      (M)ein Bildungsauftrag bei sexuellen Intoleranzen

      Ein Gastbeitrag von Eve Champagne

      Wenn man in der Boutique Bizarre arbeitet, hat man einen harten Bildungsauftrag. Es ist unglaublich, dass jeder weiß, was er sich gerne oral an Köstlichkeiten reinschiebt. Jeder kennt seine Allergien und Intoleranzen ganz genau, aber vaginal und anal wird es düster. Leute, das ist doch eine Schande. Beides macht nicht nur satt, sondern verdammt lebendig. Und wenn euch Nüsse entweder umhauen oder anheizen, dann müsst ihr das doch wissen. Oben wie unten, hey, es ist euer Körper und euer Spaß!

      Und auch wenn der Bildungsauftrag lustig klingt, er ist wirklich ernst gemeint. Wir leben und arbeiten hier auf dem Kiez, weil wir uns dafür entschieden haben. Nicht, weil wir nur spaßige Dinge mögen, täglich auf den Tischen tanzen und nichts anderes können, als Dildos unter die Leute zu bringen. Jeder hier ist ein kluger Kopf und ein Mensch mit einem großen Bedürfnis nach Freiheit. Ob wir Touristen unsere schrägsten Kiez-Ecken zeigen, im Show Club mit dem Hintern wackeln oder uns in der Boutique Bizarre um eure Beziehungshygiene kümmern: was wir da tun, entspricht unserer echten Überzeugung.

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