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du ihr irgendwann mal Fotos von Marie gezeigt?“, fragte Gabi Karl, die sich als Erste aus der Erstarrung löste.

      „Nein, sicher nicht! Oder ihr?“, fragte er die anderen.

      Jeder verneinte. Sein Vater sagte:

      „Selbst wenn sie mein Foto irgendwann gesehen hätte, würde sie nichts erkennen“, zog seine Börse aus der Hosentasche und holte das Foto von Marie heraus.

      Es war schon sehr vergilbt und es war kaum etwas zu erkennen. Alle starrten nur auf das Foto, auf dem nur mehr die Umrisse von Tante Marie zu erkennen waren.

      Gabis Vater meldete sich zu Wort.

      „Ich habe mal von einer Bekannten gehört, dass Kinder Geister sehen können, insbesondere wenn es Verwandte sind.“

      „Mir war gestern Abend, als hätte ich Marie mit jemanden reden gehört. Als ich nachsah, schlief Marie. Doch es kam mir vor, als hätte mir jemand einen Kuss auf die Wange gehaucht.“, erzählte Gabi.

      „Und wo ist jetzt die Karte?“, fragte Karls Mutter.

      Karl suchte sie im Wohnzimmer. Er wusste, er hatte sie auf dem Tisch liegen gelassen.

      „Gabi? Hast du die Karte woanders hingelegt?“

      „Welche Karte?“, rief sie zurück.

      „Die auf der Schachtel vom Pony war.“

      „Nein, die hast du ja auf den Tisch gelegt, als du sie fotografiert hast.“

      Bei diesen Worten kam sie aus der Küche und ging zum Tisch. Doch auch sie konnte die Karte nicht finden. Keiner konnte die Karte finden. Sie war auf wunderbare Weise verschwunden.

      „Sieh am Handy nach“, riet ihm Gabi.

      Er fand zwar ein Foto, nach den Pony-Aufnahmen, aber es war so verschwommen, dass man nichts erkennen konnte.

      „Warte, ich sehe auf meinem nach. Ihr habt es uns ja geschickt. Wir konnten es lesen, aber es war leider sehr klein.“

      Sein Vater sah nach. Doch auch seines war verschwommen. Elvira, Gabys Mutter konnte auf ihrem auch nichts erkennen. Sie sahen sich nur ratlos an. Hatte Marie wirklich mit Tante Marie gesprochen? Oder hatte es ihr jemand anderes erzählt? Aber wer? Dass Karls Schwester zu ihm als Kind immer Charlie sagte, das wusste kaum einer. Und das Muttermal? Man sah es auf keinen Fotos. Außerdem hatte Marie noch keines davon gesehen. Warum wünschte sie sich gerade zu ihrem vierten Geburtstag ein Pony?

      „Das hatte Marie sich damals auch gewünscht, doch wir konnten ihr den Wunsch nicht erfüllen.“, erzählte Karls Mutter.

      Sie gingen essen und warteten ab, ob Marie noch etwas davon erzählte. Sie wollten sie nicht ausfragen, denn sonst wäre sie vielleicht verwirrt gewesen. Sie sagte nichts mehr und es war, als wäre nichts gewesen. Die Karte blieb unauffindbar. Beim Nachmittagskaffee holte man die Fotoalben her und zeigte sie Marie, doch sie sagten ihr nicht, wer ihre Tante wäre und warteten ab. Sie erklärten ihr Einiges, was sie wissen wollte und dann rief sie:

      „Da ist Tante Marie!“, und zeigte auf ein Foto, wo sie bei ihrer Firmung war. Und auch bei den nächsten freute sie sich, sie zu erkennen. Auf einem Foto erkannte man sogar Maries Muttermal. Aber Marie hätte nie die Fotoalben vom Kasten nehmen können und sie ansehen. Und wer hätte ihr erklären sollen, wer wer ist?

      So fuhren alle mit bedrückten Gedanken und in bedrückter Stimmung nach Hause. Von Maries Zimmer hörte man ihre fröhliche Stimme:

      „Hü hott Pferdchen! Wir fliegen mit Tante Marie um die Wette.“

      Hatte sie nur eine lebhafte Fantasie oder war wirklich der Geist von Marie hier? An den nächsten Feiertagen besuchten sie die Großeltern. Doch noch immer konnte sich keiner einen Reim auf Maries Aussagen machen. Sie sagte auch nichts mehr darüber.

      Der alte Cesar

      Einige Tage später kam Tante Marie wieder in Maries Zimmer. Wie immer, wenn Marie am Abend schaukelte. Manchmal sah sie ihr nur zu, manchmal erzählte Tante Marie etwas von früher. Doch heute ging es mit dem Schaukelpferd weit weg. Zu dem Reiterhof, wo sie mit ihrem Vater war. Sie gingen leise in den Stall. Dann sahen sie die Frau und zwei fremde Männer. Einer der Männer sagte:

      „Tut mir leid, aber er ist schon sehr alt und sehr schwach. Da kann ich nichts mehr machen. Wir können nur mehr sein Leiden lindern.“

      „Ja, dann machen sie das“, sagte die Frau traurig, die mit ihr und Cesar geritten war, und drehte sich um.

      Der Mann gab dem Pferd eine Spritze, dann gingen alle hinaus. Ohne die beiden zu sehen.

      „Was ist mit Cesar?“, fragte Marie ihre Tante.

      „Er ist schon alt und müde. Er kommt dann zu mir in den Himmel und wir machen dann viele Ausflüge.“

      „Armer Cesar“, sagte Marie und streichelte seine Mähne.

      „Haben sie dir immer noch nicht die Haare geschnitten oder dir einen Zopf gemacht?“

      Marie ging wieder daran, ihm einen Zopf zu flechten. Sie nahm ihre blaue Spange aus dem Haar, die sie sich von ihrem Pony geliehen hatte und steckte so die Haare zusammen. Dann streichelte sie ihn noch mal. Cesar machte noch einen Atemzug und schlief friedlich ein. Marie sah, wie sein Körper liegen blieb und sein Geist aufstand. Er ging sofort zu Tante Marie.

      „Jetzt können wir gehen. Er hatte nur mehr einen Wunsch. Dich noch einmal zu sehen. Du warst das netteste Mädchen, das er je getragen und das ihm auch noch einen Zopf geflochten hatte.“

      Danach gingen sie aus dem Stall und Marie flog mit ihrem rosa Pony nach Hause.

      „Armer Cesar“, sagte Marie im Schlaf, als ihre Mutter gerade ins Zimmer sah.

      Sie glaubte, sie träumte von dem Ritt an ihrem Geburtstag. Es war die Silvesternacht und am Morgen rief Frau Meier bei ihnen an. Ob sie kurz vorbeikommen könne und wie ihre Adresse wäre. Sie wunderten sich, warum gerade heute Frau Meier zu ihnen wollte. Eine Stunde später läutete sie an der Tür. Karl machte auf und ließ sie herein. Sie setzten sich ins Wohnzimmer. Marie spielte in ihrem Zimmer. Karl und Gabi sahen sie erstaunt an und warteten ab, was Frau Meier wollte.

      „Sie waren ja einen Tag vor Weihnachten mit ihrer Tochter bei uns.“

      Beide bejahten und wussten nicht, was das sollte.

      „Da flocht sie Cesar einen Zopf und machte ihn mit ihrem Haarband fest. Es fiel ihm dann einige Tage später aus dem Haar“, erzählte Frau Meier weiter und zog es aus ihrer Tasche.

      „Aber wegen des Haarbandes müssten sie nicht zu uns kommen und es uns zurückbringen“, sagte Gabi.

      „Nein, aber vielleicht möchte Marie ihre Spange wieder haben.“

      Sie zog diese ebenfalls aus ihrer Tasche und legte sie zum Haarband auf den Tisch. Gabi und Karl sahen die Spange verwundert an. Karl fasste sich schneller.

      „Die kann aber nicht von Marie sein, denn sie hatte an diesem Tag keine Spange im Haar. Außerdem war die an ihrem Pony, das sie erst zu Weihnachten bekam“, erklärte ihr Karl.

      „Also haben sie doch noch ein Pony gefunden? Aber wann?“

      „Es stand am Weihnachtsabend unter dem Christbaum und keiner wusste, von woher es gekommen war“, erzählte Maries Vater.

      Frau Meier sah sie verwirrt an. Sie erklärten ihr dann kurz den Vorfall.

      „Aber wie kam dann die Spange gestern in Cesars Haar?“, fragte Frau Meier.

      „Gestern? Gestern waren wir alle zu Hause“, sagte Gabi.

      „Gestern Nacht ist Cesar verstorben und hatte einen geflochtenen Zopf mit eben dieser Spange. Er war schon alt und der Tierarzt hatte ihm das Sterben erleichtert“, klärte sie die beiden auf.

      „Armer

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