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Targeted Therapies - Zielgerichtet in den Tod. Stefan Ammon
Читать онлайн.Название Targeted Therapies - Zielgerichtet in den Tod
Год выпуска 0
isbn 9783741854941
Автор произведения Stefan Ammon
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Impressum
Texte: © Copyright by Stefan Ammon
Umschlag: © Copyright by Stefan Ammon
Webseite: www.targeted-therapies.de
Email: [email protected]
ISBN 978-3-7418-549-41
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Vorbemerkungen und Dank
Alle Handlungen und Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder Personen wären rein zufällig. Wer sich selbst als Person oder bildgebender Charakter in diesem Buch entdeckt, ist selber schuld.
Anders die Handlungsorte. Die sind sehr real und Teil meines Lebens.
Ich hätte dieses Buch nicht ohne die Hilfe von euch fertig stellen können. Mehr als nur Dank …
... meiner Tochter Mara für ihre ewig strahlenden Farben, ihre Ehrlichkeit, Sensibilität und Liebe
... meiner zufälligen "Urlaubsbekanntschaft" Gerda Gensberger für ihre Motivation, klaren Worte und viel Korrekturarbeit
... meinem Bruder Andreas, der Dinge bemerkt, die sonst niemand sieht und auch in diesem Teilprojekt meines Lebens eine wichtige Rolle gespielt hat
... meiner Lebensgefährtin Jenalyn, deren Geduld, Liebe und Güte endlos ist
Kapitel 1
Steffen schloss die Augen und wunderte sich darüber, dass er auch weiterhin Bilder sah. Er betrachtete seine Frau Pauline, die bald fünfundvierzig Jahre alt würde und wunderschön war. Nach fast zwanzig Jahren Ehe war am Schluss nicht mehr viel gemeinsames Eheleben übrig geblieben. Die Schuld daran gaben beide ihrer beruflichen Karriere, hatten sich das gegenseitig oft vorgeworfen und trotzdem immer wieder das Engagement des Partners bewundert und geachtet. Steffen fühlte sich schlecht. Er bereute es, nicht mehr Zeit für Pauline gehabt zu haben. Mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Er sah ein fast jugendliches Bild seiner Frau, verliebte sich erneut und empfand ein drückendes Gefühl der Reue und der Wehmut, das sich zu einem stechenden Schmerz unter dem rechten Rippenbogen manifestierte. Er krümmte sich und wie ein Vorhang überzog Schwärze das Bild von Pauline. "Scheiße, so fühlt es sich also an zu sterben", dachte er. Schweißperlen, die er nicht spürte, sammelten sich auf seiner Stirn und rannen sein Gesicht hinab. Steffen konzentrierte sich auf das Bild hinter dem Vorhang und schaffte es nur mühsam, das Schwarze zur Seite zu schieben. Seine Gedanken überschlugen sich wie Steine bei einem Erdrutsch, und es war, als ob sein Gehirn die Gedankenblitze als Schlüssel nutzte, um gespeicherte Informationen abzurufen und ihm in Sekundenbruchteilen als komplette Geschichten zu servieren. Er las ein komplettes Buch in Sekunden. Das Buch seines Lebens. Mit Kommentaren, Anmerkungen und Kritiken vom ihm selbst. Steffen wand sich verzweifelt, ohne sich zu bewegen, hilflos in seinen Gedanken den Abhang herunterstürzend, bis er wie durch eine Seitentür entkam und das nächste Kapitel aufschlug. Er spürte die Vollkommenheit und Glückseligkeit, die Pauline und er in der Gewissheit empfunden hatten, dass sich nichts perfekter vereinen konnte als ihre beiden Körper und Seelen, er schmeckte die Süße des Schweißes, der sich am Rand ihrer Lippen gebildet hatte und genoss den Kontrast zwischen den weichen Berührungen ihrer Brüste auf seinem Brustkorb und dem leichten Kratzen, dass ihre harten Brustwarzen verursachten, wenn sich ihre Umarmungen nur leicht trafen. Steffen schwankte zwischen Glück und Wut über sich selbst. "Zu spät", versuchte er zu sagen und bemerkte, dass sein Mund mit Blut gefüllt war. Seine unausgesprochenen Worte hörte er selbst nur als gurgelnde Laute, er spuckte Blut aus und versuchte die Worte zu wiederholen. Es gelang nicht, da sich das Blut immer wieder in seinem Mund sammelte und ihn überkam zeitgleich die Erkenntnis darüber, wie unsinnig es war, die Worte "zu spät" unbedingt wiederholen zu wollen und grenzenlose Panik.
Hilflosigkeit hatte schon immer Panik bei ihm ausgelöst. Er sah sich in der Kernspintomographie, festgeschnallt mit fixiertem Kopf, langsam in das Gerät einfahren. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er die Erfahrung machen musste, anderen Menschen ausgeliefert zu sein, fremden Menschen vertrauen zu müssen. Eine korpulente Arzthelferin hatte Steffen freundlich über die Untersuchung aufgeklärt, ihn gebeten, ganz still zu liegen und dann mit weißen Riemen fast liebevoll auf der Liege fixiert. Anschließend betätigte Sie die Steuerung des Geräteschlittens, und Steffen fuhr mit dem Kopf voran in die weiße, metallene Röhre. Sein Leben hing von der dicken Arzthelferin ab. Sie konnte das Licht ausmachen, nach Hause gehen und ihn allein lassen. Allein mit den Ratten des Krankenhauses, die die Gelegenheit nutzen würden, mit seinen Genitalien zu spielen und seine Ohren abzubeißen. Oder ihre Bekannten der Organmafia würden kurz nach ihrem Verschwinden auftauchen und alle verwertbaren Organe ohne Betäubung aus ihm herausschneiden. Steffen hatte sich bei der Untersuchung für seine eigene Schwäche verflucht und gegen die Panik gekämpft. Er hatte versucht, sich auf einen fiktiven Punkt in der Röhre zu konzentrieren. Er hatte versucht, mit geschlossenen Augen gegen seine Angst zu kämpfen. Vergeblich. Nach nur wenigen Sekunden hatte er die Panik-Klingel gedrückt und war schnell von der Arzthelferin gerettet worden.
Dieses Mal gab es keine Panik-Klingel. Noch nicht einmal eine dicke Arzthelferin. Steffen spürte das Blut in seiner Luftröhre und den Schmerz in seiner Lunge, als er hustete. Dann spürte er nichts mehr.
Kapitel 2
Es musste ein genetischer Unterschied zwischen Menschen asiatischer Herkunft und Europäern sein. Aber er konnte es sich trotzdem nicht erklären. Maximilian Woltner-Lentek hatte sich schon in der Schulzeit für Medizin interessiert. Sein überdurchschnittlicher Intellekt hatte ihm gute Noten beschert und Türen geöffnet. Ein Stipendium an der Universität, Abschluss des Studiums als Landesbester seines Jahrgangs, drei Jahre Forschungsarbeit im Team seines Doktorvaters, dann fünf Jahre in der renommierten Mayo-Klinik in den USA und anschließend zwei Jahre als Oberarzt in der Abteilung Hämatologie / Onkologie in Jena hatten ihn zu einem der erfahrensten Ärzte auf dem Gebiet der Krebserkrankungen werden lassen. Jetzt, als Chefarzt der Medizinischen Klinik für Innere Medizin in Köln, hatte er sein persönliches Karriereziel erreicht. Der Preis dafür war hoch. Für einen Professor mit seinen Funktionen gab es keine geregelten Arbeitszeiten. Er war Manager und Chef von mehreren Hundert Angestellten, Arzt und Forscher in einer Person. Er trug Verantwortung für die Versorgungsqualität in seiner Abteilung und man verlangte von ihm, als Lehrstuhlinhaber seine Studenten gut auszubilden. Seine Freizeit beschränkte sich auf theoretisch dreißig Tage Urlaub im Jahr und Feiertage. Realistisch waren es nur wenige Feiertage, die heilig genug waren, um die Zeit nicht für ein wichtiges Meeting zu nutzen und von den dreißig Tagen Urlaub verfielen jedes Jahr zehn bis zwanzig Tage, weil Woltner-Lentek sie nicht nehmen konnte oder wollte. Mit achtundvierzig Jahren war er körperlich fit und gesund. Oft wunderte er sich selbst darüber, wie gut sein Körper den Stress und die zeitlichen Strapazen verkraftete. Er fühlte sich wohl. Ganz anders als die Patientin, bei der er zur Visite war.
Eva war ihm während ihres Aufenthaltes in der Klinik ans Herz gewachsen. So etwas kam immer wieder mal vor. Patienten sterben zu sehen, damit war Woltner-Lentek oft konfrontiert. Alle Menschen müssen irgendwann sterben, und Krebs ist eine Erkrankung, die meistens im Alter auftritt. Allerdings hatte Woltner-Lentek schon von seinem Doktorvater gelernt, dass Menschen sehr unterschiedlich sterben. Die meisten alten Menschen fanden sich irgendwann damit ab, dass das Ende gekommen war und besannen sich auf ihr gelebtes Leben, das ihnen dann positiver erschien, als es vermutlich gewesen war. Fast ebenso leicht starben Kinder. Erstaunlicherweise fassten sie es oft als ebenso natürlich auf zu sterben wie alte Menschen. Am schwersten hatten es die jüngeren Erwachsenen. Die, die gerade dabei waren ihre Karrieren aufzubauen, Familien zu gründen und Häuser zu bauen. Menschen wie Eva, die jetzt sechsundzwanzig Jahre alt war und als Zugbegleiterin