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das bei Berufsbezeichnungen der Fall ist. Damit wird ein Minibeispiel herangezogen in der Absicht, die ganze Bewegung mithilfe eines rhetorischen Mittels ins Lächerliche zu ziehen und für nichtig zu erklären. Gendergerechte Sprache wird weiterhin entwertet, indem darauf hingewiesen wird, dass der Einzug von gendergerechter Sprache nicht auch den Einzug von mehr Frauen in Entscheidungsgremien bedeutet.20 Es mag zwar stimmen, dass die Einführung gendergerechter Sprache allein nicht die Lösung aller Probleme ist, aber wie bereits erwähnt, hat die Sprache großen Einfluss auf unser Denken und die Bilder in unserem Kopf. Die Beziehung zwischen Sprache und Gesellschaft ist reziprok, und beide beeinflussen sich gegenseitig. Wenn die Gesellschaft sich weiterentwickelt, muss die Sprache nachziehen. Gleichzeitig kann die Sprache aber auch auf das Denken und semantische Vorstellungen einwirken. Wenn man/frau die Sprache also tatsächlich schützen will, darf man/frau sich nicht gegen ihren Wandel stellen, sondern muss ihn begrüßen. Denn nur der Wandel kann eine Sprache vor ihrem Tod schützen. Sprache muss sich tatsächlich weiterentwickeln und sich wandeln, um am Leben zu bleiben und weiterhin gesprochen zu werden.

      Die Moderne ist besonders bemüht um die strenge Trennung zwischen Anatomie und sozialem Konstrukt: sex vs. gender. Dies führt Paula-Irene Villa in Bodies matter. Zur Materialität und Relevanz von (Geschlechts-)Körpern auf die zweite Frauenbewegung und Hedwig Dohms (vgl. 1893) Kritik an der Natur des Weiblichen zurück. Aufgrund ihres »natürlichen« biologischen Geschlechts (sex) wurden Frauen jahrhundertelang von bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen, vor allem im Bereich Bildung und Politik. Es galt die Annahme, dass zwischen der Anatomie der Frau und ihren Eigenschaften sowie ihrer intellektuellen Kapazität eine direkte Korrelation besteht. Diese Naturalisierung macht die Natur oder vielmehr die angebliche Natur des Weiblichen für eine Reihe »weiblicher« Eigenschaften verantwortlich wie z. B.: Emotionalität, Irrationalität, Mütterlichkeit und Tugendhaftigkeit.21 Dass diese Eigenschaften der natürlichen Weiblichkeit zugeteilt werden, hat zur Folge, dass die Frau gleichzeitig idealisiert und romantisiert, aber auch abgewertet wird.22 Im Viktorianischen England (ca. 1830–1900) entwickelte sich ein regelrechter Kult um »ideal womanhood« (ideale Weiblichkeit) und »the angel in the house« (den Engel des Hauses), der die Ehefrau und Mutter fast schon als Heilige verehrte und der Familie wie ein Moralkompass diente. Hedwig Dohm und die zweite Frauenbewegung um 1900 insgesamt beharrten darauf, dass diese angebliche Natur der Weiblichkeit gar keine Natur sei, sondern nur als Sündenbock dienen solle, der als Erklärung für jegliches Fehlverhalten der Frau und der Menschen herhalten müsse. Der Ausschluss von Frauen aus ausgewählten Bereichen des Lebens ist nicht das einzige Beispiel für den Ausschluss einer Gruppe nur aufgrund äußerer Merkmale, die sie daran hindern, als vollwertige Menschen anerkannt zu werden. Durch solche biopolitischen Mechanismen23 werden in unserer heutigen Gesellschaft z. B. Kinder und Menschen mit Handicaps besonders aus solchen Bereichen ausgeschlossen, in welchen Entscheidungsprozesse stattfinden.24

      Judith Butler begann in den 1990er-Jahren diese Vorgehensweise der strikten Trennung zwischen sex und gender infrage zu stellen: »[…] möglicherweise [ist] das Geschlecht (sex) immer schon Geschlechtsidentität (gender) gewesen«.25 Villa macht deutlich, dass dies bedeutet, dass die biologische Seite der Geschlechtlichkeit nur durch die kulturelle Brille einer spezifischen Vorstellung von Geschlechtlichkeit gesehen werden kann.26 Die ursprüngliche Kritik der zweiten Frauenbewegung aber wandte sich nicht gegen die biologische Unterschiedlichkeit zwischen den Geschlechtern, sondern gegen »die naive und allzu einfache Annahme einer Geschlechtskörper-Natur jenseits sozialer Praxen«27. Der kleine Unterschied darf demnach nicht dazu verwendet werden, uns in Klassen einzuteilen, die in hierarchischer Beziehung zueinanderstehen und ihm so mehr Bedeutung zuschreiben, als ihm zusteht.28 Angesichts dessen soll aber darauf hingewiesen werden, dass es grundsätzlich nicht falsch ist, zwischen den Geschlechtern einen Unterschied zu machen. Man/frau darf dabei nur nicht auf die Schiene »Frauen sind einfühlsamer, deshalb …« geraten, damit tappt man/frau nämlich in die Falle und ist wieder beim Bild der mütterlichen, tugendhaften und emotionalen, aber auch der irrationalen Frau. Der Titel des Buchs selbst enthält einen Komparativ – »Frauen führen besser« – und wurde bewusst deshalb gewählt, weil er so provokativ ist, und in dem Bewusstsein, dass eine solche Aussage viele Fragen aufwirft und Beweise verlangt.

      Die Bundesregierung setzt auf die Genderforschung und unterstützt und fördert sie mit einer Reihe von Projekten. Einmal pro Legislaturperiode wird ein Gleichstellungsbericht auf der Grundlage genderorientierter Forschung erarbeitet, der zeigt, in welchen Bereichen gesellschaftspolitische Fortschritte essenziell sind, damit die Forderung nach Chancengleichheit verwirklicht werden kann. Diese Projekte sind darauf angelegt, strukturelle Veränderungen herbeizuführen, eine innovative Kultur zu ermöglichen und den Weg für Frauen in Führungspositionen, vor allem in (Natur-)Wissenschaft und Wirtschaft, aber auch in »bislang vernachlässigten Bereichen«,29 zu ebnen. Dabei orientieren sich die Projekte an drei Themenschwerpunkten:

      1 »Berufsorientierung«,

      2 »Organisationsstrukturen und Karriereverläufe in Wissenschaft und Wirtschaft«,

      3 »Geschlechtsspezifische Fragestellungen in aktuellen Forschungsfeldern«.

      »Berufsorientierung« ist dazu da, Erkenntnisse über Studien- und Berufswahlprozesse zu verbreiten. Das wiederum soll neue Wege in die Berufsfindung eröffnen und Entscheidungen bezüglich der Ausbildung in zukunftsträchtigen Bereichen unterstützen. »Organisationsstrukturen und Karriereverläufe in Wissenschaft und Wirtschaft« beschäftigt sich mit der Analyse von Bedingungen von Karriereverläufen in unterschiedlichen Bereichen sowie von unterschiedlichen Phasen der Berufslaufbahn, Berufungsverfahren und Rekrutierungsstrategien an Hochschulen. Außerdem wird auch die Vereinbarkeit von Wissenschaft (Beruf) und Elternschaft analysiert. »Geschlechtsspezifische Fragestellungen in aktuellen Forschungsfeldern« sorgt für die Integration von Genderaspekten, die die Innovationskraft der Forschung stärken und die »bedarfsgerechte Umsetzung von Forschungsergebnissen«30 ermöglichen – dass also das, was erforscht wird, auch praktisch in der Gesellschaft angewandt werden kann. Die Bundesregierung fördert außerdem den Transfer und die Vernetzung mit anderen Nationen über Strategien, die die Durchsetzung von Chancengerechtigkeit für Frauen gewährleisten sollen und baut so innovative Forschungskooperationen auf bzw. weiter aus.

      Das Innovationspotenzial der Genderforschung, so das Bundesministerium für Bildung und Forschung, ist deshalb so wichtig, weil es für gesellschaftliche Veränderung genutzt werden und Chancengleichheit verwirklicht werden kann.31 Das große Interesse der Bundesregierung an Genderforschung wird damit begründet, dass Forschungsfragen unbedingt systematisch geschlechterdifferenziert betrachtet werden müssen und uns grundlegende Erkenntnisse über sogenannte Verzerrungseffekte liefern können, die abhängig sind von »den Wahrnehmungen und Erwartungen der beteiligten Personen«.32 Die Erkenntnisse sollen zum Vorschein bringen, wie solche Effekte erkannt und vermieden werden können. Darauf aufbauend, können politische Maßnahmen geschlechtersensibel gestaltet werden.33 Und die Förderung zeigt Wirkung. In der Medizin werden sowohl Männer als auch Frauen (aber auch Kinder, Senioren und junge Erwachsene) bei der Erforschung von Krankheiten, ihren unterschiedlichen Symptomen und Therapien berücksichtig. In einem Bericht des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) wird deutlich gemacht, dass auch Männer z. B. an Brustkrebs erkranken können.34 Stereotypisch wird dieses Krankheitsbild nur mit Frauen in Verbindung gebracht. Ebenso war es lange Zeit normal bei der Erforschung von Krankheiten, wie z. B. dem Herzinfarkt, nur am männlichen Körper zu forschen, aber Symptome, der Krankheitsverlauf und auch die Wirkung von Medikamenten können bei Mann und Frau verschieden sein. Eine weitere positive Wirkung der Förderung durch die Bundesregierung ist, dass die Genderforschung inzwischen in der Wissenschaftslandschaft als verankert gilt: Es existieren ca. 200 »Professuren mit einer Voll- oder zumindest einer Teildenomination ›Frauen- und Geschlechterforschung/Gender Studies‹« an deutschsprachigen

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