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wird der Zeitpunkt kommen, da die spanische Regierung, wenn sie glaubwürdig bleiben will, nicht umhinkommt, Gefangene zu präsentieren. Die Kampagne wird bald das Ausmaß eines gewaltigen Mythos erreicht haben, der sich als schwer zerstörbar erweisen wird, wenn er von den hierfür verantwortlichen Pressen weiter aufgebläht wird: Der Mythos von den 300 Spaniern, die in ihrer Gefangenschaft stöhnen, von Ceuta, wo sich Kalypsos Grotte befinden soll, von General Fernández Silvestre, der in Wirklichkeit Dom Sebastião, König der Portugiesen, sein könnte.

      Afrika ist der letzte geeignete Ort, an dem Mythen erdacht werden können, und wir Spanier, die wir von Hause aus der Fantasie zugeneigt sind, haben uns damit arrangiert, in Afrika ein bereitwilliges Terrain für unsere Hirngespinste gefunden zu haben.

      Die Sache der Gefangenen ist unserer Ansicht nach aber mit mehr Fingerspitzengefühl anzufassen und in ernsterem Ton zu verhandeln. Hier geht es um keine Posse zur Unterhaltung der Leser. Ich denke vielmehr an die Mütter und Ehefrauen, die jedes Mal nervös die Zeitung in den zittrigen Händen zerknüllen, wenn sie die großen Schlagzeilen sehen, die von den ›Gefangenen‹ künden. Was mich bedrückt, ist die Tatsache, dann wieder zur Feder greifen zu müssen, ein weiteres Mal wiederholen zu müssen: „Es gibt keine Hoffnung.“ Ich wünschte jedes Mal, das Gegenteil schreiben zu können.

      Ich glaube, niemand hat der Angelegenheit mehr Aufmerksamkeit gewidmet – über Monate hinweg. Ich hörte denen zu, die ernsthaft aussagten, dass es sie gebe; in den zugänglichen Archiven habe ich alles umgedreht, was sich mit den Anstrengungen der Regierung, sie aufzuspüren, befasste. Ich sprach mit sämtlichen Leuten, die sich mit Marokko bestens auskennen, in der Hoffnung, mir die geringste Spur andeuten zu können, die man als Anhaltspunkt hätte nehmen können, um die bloße Hoffnung zurückzugewinnen, dass es sie überhaupt geben könnte, die Gefangenen. Wenn es, anders als heute, vor einem Jahr das geringste Anzeichen gegeben hätte, dass diese Gefangenen existieren, hätte sich AHORA auf die Suche begeben, auch auf die Gefahr hin, zu scheitern. Aber es gibt keines. Absolut kein einziges Anzeichen. Der glühendste Vertreter der These der Existenz der Gefangenen, Hauptmann Estévez, den die Familien der Verschollenen als denjenigen vorweisen, der sie gesehen haben und mit ihnen gesprochen haben will, hat sie niemals gesehen. Das ist nicht die ganze Wahrheit: er hat nie gesagt, dass er sie gesehen hätte; er sagt nur, dass er Hinweise von Leuten besitze, die sagen, dass sie sie gesehen hätten. Und warum sagen diese Leute, dass sie sie gesehen haben? Weil Geld im Spiel ist und es ihr Geschäft ist, Verhandlungen zu initiieren, das ganze Hin und Her, Geld hier, Geld da, um am Ende zu sagen: »War nichts zu machen.«

      Nichtsdestotrotz gibt es kein drum Herumreden, und so, wie es derzeit steht, wird die spanische Regierung dieses Geld in die Hand nehmen müssen – und es wohlwissend verschleudern. Die Linderung des Kummers dieser Familien, die Opfer einer infamen Kampagne wurden, würde das rechtfertigen. Und wenn es in meiner Hand läge, ich würde morgen die Millionen, die es braucht, über den Stämmen der Sahara herabregnen lassen und die Spanier nach Hause bringen, die dort leben. Zweifelt etwa jemand, dass dort Spanier leben!

      Es gibt keine Alternative, als, koste es, was es wolle, zwei Dutzend Spanier heimzubringen, die irgendwo in Nordafrika verstreut leben, sei es in der französischen oder spanischen Zone, sei es im Grenzgebiet zur Sahara.

      Diese phantomhaften Spanier, die angeblich irgendwo in Marokko leben, sind keine Gefangenen von ›Annual‹, auf deren Befreiung all jene Mütter und Ehefrauen sehnsüchtig warten, die täglich in den Behörden oder in den Redaktionen der Tageszeitungen erscheinen und ihre Hoffnung vortragen, ihre Engsten eines Tages zu finden, die so schicksalshaft und ohne jede Spur verschwanden.

      Die Spanier, die wir ›retten‹ können, werden überwiegend freiwillige Auswanderer sein, Abenteurer, Entwurzelte, Leute, die ihre Heimat verloren haben, Herumirrende, die ihr Schicksal in die Hand nahmen, ihr Glück fanden und sich irgendeinem Stamm im Inland anschlossen – völlig zwanglos. Sie heimzubringen würde ihnen übel mitspielen, sie wollen nicht ›gerettet‹ werden. Aber sie werden wohl unvermeidlich ›gerettet‹ werden müssen. Spanier, von diesem besonders anpassungsfähigen Schlag, die aus freien Stücken Mauren wurden – mehr Maure als manch ein wirklicher Maure. Einer, der Marokko kennt, wie kaum ein anderer, Oberst Capaz, kann ein Lied davon singen. Capaz drang bis zu den rebellischen Kabylen im Inland vor und staunte nicht schlecht, als er, anstelle eines Rifeño in seiner typischen Djellaba einen waschechten Bürger Matarós und Chiclanas am Schlafittchen hatte. Man darf nicht übersehen, dass ein Spanier – obwohl unser Land in Marokko eine Mission des Protektorats und der Zivilisierung verfolgt – explizit kein Brite ist, der über die Gabe, alles an sich abprallen zu lassen, verfügt, sondern sich anzupassen versteht und als geborener Andalusier nach zwanzig Jahren Afrika mehr Mohammedaner geworden ist als Mohammed selbst. Auf meiner kleinen Tour, den Gerüchten von Gefangenen folgend, die die spanische Regierung vergeblich sucht, fand ich ihn, den Gefangenen. Man nennt ihn hier »El Prisionero«. »Der Gefangene« ist sein ihm gegebener Name. Unter diesem Spitznamen ist er in der Kabyle Bocoya bekannt. Ist er ein echter Gefangener? Ich glaube, dass er es früher war. Er war in der Tat Soldat eines spanischen Regiments und geriet in Gefangenschaft. Der Kaïd der Kabyle Bocayo behandelte ihn als Gefangenen. Aber sobald die Zeit reif dafür war, begann der Kaïd seine Freilassung zu verhandeln und übergab ihn den spanischen Behörden. Der Mann kehrte in sein Dorf nach Spanien zurück und versuchte, sein marokkanisches Abenteuer zu vergessen … Vergeblich! Monate später wurde er zum freiwilligen Gefangenen. Und dort, in Bocaya, lebt er zufrieden und glücklich, als mejazní des Kaïd, als eine Art Ordonnanz. Dies wäre einer der Gefangenen, den wir zweifelsfrei retten könnten.

      Natürlich gibt es noch weitere. Im zoco von El Jemis de Anyera, der zum Ort Belaixis gehört, leben ein Murciano und ein Palmense aus Mallorca, letzterer ist mit der Tochter eines geachteten Mauren verheiratet.

      Hier haben wir Gefangene, die wir zweifelsfrei heimbringen könnten. Auch wenn es ihnen missfallen würde.

      Vielleicht gibt es ähnliche Fälle in der französischen Zone. Dort halten sich reichliche Deserteure der französischen und spanischen Legionen auf, dazu Leute, die aus Gefängnissen ausgebrochen sind; aber reguläre Soldaten, die seit der Katastrophe von Annual festgehalten werden … das kann ich kategorisch ausschließen, die gibt es in diesem Umkreis nicht, auch wenn es mein aufrichtigster Wunsch wäre, mich zu irren.

      Der gesunde Menschenverstand genügt, um die Hypothese, die Gefangenen würden dort irgendwo umherirren, auszuschließen und sie als Lüge zu entlarven – sie entbehrt jeder Grundlage. Die Vernunft verbietet es, diese monströse Lüge zu glauben, nach der 300 spanische Gefangene zwölf Jahre in den maurischen Salzminen schuften mussten. Genau dies wurde kontinuierlich behauptet. Doch seit der Befriedung der besetzen Zone durch unsere Kollaborateure, heißt es überraschend, dass diese spanischen Sklaven in einer französischen Mine schuften würden.

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