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gerade vorrätig hat. Kunden im stationären Einzelhandel dagegen sind noch in den Gesetzen von Zeit und Raum gefangen. Noch schlechter sieht es aus, wenn der Online-Händler den gefragten Artikel überhaupt nicht im Sortiment führt: Die nächste Webseite, auf der er käuflich zu erwerben ist, ist wieder einmal nur einen Klick entfernt.

      Ganz wie Zara testet Zalando also erst Produkte in kleinen Mengen im Sortiment. Verkauft sich der Bestand schnell, so weiß dies Zalando auch in Echtzeit und kann das gefragte Produkt nachbestellen, bevor das letzte Exemplar verkauft wurde. Zudem – wieder ganz wie Zara – hat Zalando früh angefangen, eigene Marken aufzubauen: Ist doch die Marge, die sich als Händler mit eingekauften Waren einnehmen lässt, selbst bei einem Netzwerk an sehr großen, sehr günstigen Logistikzentren, sonst zu dünn. Durch die allgegenwärtige Bedrohung, dass der Kunde ein Preisgefälle schnell entdeckt und einfach zum Konkurrenten weiterklickt, ist der Preiskampf im Internet knallhart, bisweilen ruinös.

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      Abbildung 2.4: Schematische Gegenüberstellung von Push- und Pull-Supply-Chain

       Quelle: in Anlehnung an Michael Levi et. al, Retailing Management, McGraw-Hill, 2013, S. 261

      Die Eigenmarke ist aber auch deswegen eine wichtiger Evolutionsschritt bei Zalando, weil sie einen weiteren Mechanismus der Beschaffung im E-Commerce offenlegt: Wer online als Händler auftritt, sammelt massenhaft Daten über Verkaufserfolge sowie stark gesuchte Produkte. Merkt also Zalando, dass sich etwa Markenstiefel in einer besonderen Optik gut verkaufen, so kann der Händler über eine seiner Eigenmarken wie „Stups“ zum Hersteller werden und anfangen, ähnliche Stiefel zu produzieren. Noch interessanter sind gegebenenfalls die Daten über teure Markenartikel, die sich Kunden zwar oft anschauen, aber nicht kaufen. Der gewiefte Beschaffer sieht, dass Nachfrage zwar vorhanden, das bestehende Angebot jedoch wohl unerschwinglich ist – und kann selbst eine günstigere Variante in Auftrag geben. Im Frühjahr 2019 gab Zalando allerdings bekannt, sich vom Eigenmarkengeschäft zu verabschieden, da sich dieses nicht mit den strategisch übergeordneten Plattform-Plänen vereinbaren lasse. In diesem Gatekeeper-Ansatz als „Ökosystem“ für Fashion geht es dann stärker um die Vermittlung von Aufträgen an Partner, und eigene Labels sind hier möglicherweise hinderlich.3

      Amazon ist seit Jahren für solche „Rosinenpickerei“ auf seinem Marktplatz bekannt: Verkauft sich ein Artikel eines dritten Händlers dort gut, wandert er – oder ein sehr ähnlicher – bald ins Amazon-eigene Sortiment rüber. So hat sich Amazon in der Testphase die Kapitalbindung für den Einkauf gespart und steigt erst dann ein, wenn sich das Produkt nachweislich gut verkauft. Zalando ist hier aber einen ganzen Schritt weiter vorn in der Wertschöpfungskette: Verkauft sich ein Artikel gut, kann er in sehr ähnlicher Aufmachung von Zalando selbst hergestellt werden. Inzwischen beginnt auch Amazon verstärkt mit der Produktion von Eigenmarken – seien es Elektronik-Zubehörprodukte unter „Amazon Basics“ oder Heimtextilien unter der Eigenmarke „Pinzon“ (siehe auch 2.4.2 Online-Vertriebskanäle).

      Kundenorientierte Beschaffung im Netz ist also keine Frage des Gefühls, sondern der Datenlage. Der Händler, der auch mal Hersteller ist, hat als Händler genaue Verkaufsdaten der Konkurrenz, an die man als konkurrierender Hersteller so nicht herankommen würde. Aber selbst ein reiner Händler hat im E-Commerce einen gewaltigen Datenvorteil.

       2.1.3Optimierung des Angebots

       Pull-Effekt: Im E-Commerce vor dem Kaufvorgang

      Im stationären Einzelhandel – selbst bei einem so agilen, aktuellen Anbieter wie Zara – fängt Sortimentsoptimierung erst mit dem Kauf eines Artikels an: Erst dann zeigt sich, ob das Produkt nachgefragt wird. Im Netz sieht es anders aus, denn die Nachfrage kann vor dem Kauf vorhergesehen werden. Kunden werden dadurch transparenter, dass sie ihre Wünsche in Schriftform elektronisch äußern. Sowohl in einem Online-Shop als auch generell im Netz tastet ein Kunde sich in rückverfolgbaren Suchbegriffen an das heran, was er gerade kaufen möchte. Auch wenn der Kunde einen Artikel nicht direkt kauft, sieht man ihm im Netz unmissverständlich an, dass er sich für ein Produkt interessiert. Bei der Sortimentsoptimierung setzt man also früher an, als es im stationären Einzelhandel je der Fall sein könnte, und zieht den Prozess bis in die nachträgliche Verkaufsanalyse durch.

      Im Folgenden stellen wir nun die einzelnen Werkzeuge dar, mit denen im E-Commerce Sortimente optimiert werden. Dabei unterteilen sich die verfügbaren Methoden in drei Kategorien:

      image Off-site: Online-Werkzeuge, die nicht auf der eigenen Webpage sind.

      image On-site: Online-Werkzeuge, die im eigenen Webshop angesiedelt sind.

      image Klassisch: die üblichen Analysen, die auch im stationären Einzelhandel verwendet werden.

      Durch eine geschickte Kombination dieser Optionen gelingt es Beschaffern im E-Commerce, ein umfassendes Bild über das Abschneiden des aktuellen Sortiments sowie über die Möglichkeiten und Erfordernisse in Bezug auf das künftige Sortiment zu gewinnen.

       Off-site: Die Geräuschkulisse im Netz

      Wir fangen off-site an, denn da kommt der Interessent her, den es in einen Kunden zu verwandeln gilt. Vor dem Internet – und heute noch im klassischen Einzelhandel – wurde mittels Marktforschung und Umfragen versucht, herauszufinden, was sich potenzielle Kunden wünschen. Sonst war ein probates Mittel: Ausprobieren. Der Shopmanager stellte Produkte ins Sortiment und ins Schaufenster und per Ausschlussverfahren wurde festgestellt, welche Artikel Nachfrage erzeugten.

      Stellen Sie sich nun kurz Google als Einkaufsstraße vor: Ihr Webshop ist ein Laden, in den Sie versuchen, Kunden zu locken. In einer „analogen“ Einkaufsstraße der realen Welt laufen die Shopper pausenlos an ihrem Fenster vorbei. Mal hält sich einer auf und sieht ins Schaufenster. Hin und wieder kommt jemand herein und einige kaufen sogar etwas. Erst nachdem der Kunde einen Kauf getätigt hat, wissen Sie unmissverständlich, wonach er auf der Suche war – oder zumindest (falls er ein nicht-zielgerichtetes oder steuerbares Einkaufsverhalten an den Tag legt) wofür er bereit war, Geld auszugeben.

      In einer digitalen Einkaufsstraße sieht es aber anders aus. Die Kunden, die ebenfalls an Ihrem Laden vorbeiströmen, tragen alle quasi Pappschilder mit einer Liste von Sachen vor sich her, nach denen Sie auf der Suche sind: Kleid, Fernseher, Lampe. Wenn sie sich vor Ihrem Fenster aufhalten, haben Sie Gelegenheit, diese Schilder näher einzusehen und sich spezifischere Wünsche zu notieren: Kleid, rot und lang; Fernseher in 50 Zoll; Lampe mit Touch-Dimmer. Der Kunde merkt nicht, wie Sie auf das Pappschild starren – denn er ist zu beschäftigt damit, sich Ihre Ware anzusehen.

      Da sitzt also der Beschaffer im digitalen Schaufenster und notiert schon einmal eifrig, was sich die Kunden wünschen.

      Diese Einsicht kommt online in der Form von Keyword-Analysen daher: der Erkundung dessen, was bei Suchmaschinen gesucht wird. Ganz einfach lassen sich etwa beim kostenlosen Tool „Google Trends“ feststellen, wie es um einen Schlüsselbegriff steht: Zu welchem Datum wurde Begriff X wie oft gesucht? Von wo aus? Und als definierter Suchbegriff oder als Teil eines thematischen Komplexes? Da es sich um ein Gratiswerkzeug handelt, gibt Google genaue Zahlen nicht preis, sondern macht alle Angaben indexiert. Ein aufschlussreicher Einstieg in über Suchmaschinen gewinnbare Erkenntnisse bleibt „Trends“ trotzdem.

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      Abbildung. 2.5: Google Trends Screenshot

      

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