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fließen können.

      Als ich meine Fähigkeiten entdeckte, verbrachte ich zahllose Stunden in Buchläden und Bibliotheken, las mehrere Bücher am Tag, durchforstete das Internet nach Quellen und Informationen danach, was mich so anders sein ließ. Dass ich der Einzige in meiner Umgebung war, der eine völlig andere Welt erfahren konnte, war im wahrsten Sinne des Wortes befremdend. Für mich fühlte es sich so an, als stünde ich mit einem Fuß in unserer Welt und mit dem anderen in der nächsten. Ich verstand keine der beiden Seiten, noch fühlte ich mich von einer der beiden verstanden. Als Kind war die Herausforderung, unsere irdische Dimension zu meistern, schon groß genug, von einer zweiten, zusätzlichen ganz zu schweigen. Ich war irgendwo dazwischen, ein Bote zwischen zwei Reichen: ein Medium.

      Mein ganzes Leben habe ich die Welt auf zweierlei Arten verstehen gelernt. Auf der einen Seite bin ich wie jeder andere Zwanzigjährige, der sich an das Erwachsenwerden gewöhnt, es lernt, auf sich allein gestellt zu leben – und zugegebenermaßen das erste Mal einen Geschirrspüler benutzt. Doch auf der anderen Seite ist der Teil von mir, den die meisten sehen, Tyler Henry, das Medium, das Macaulay-Culkin-Double, das im Fernsehen mit den verstorbenen Lieben berühmter Leute kommuniziert. Obwohl die meisten sich nicht vorstellen können, wie es ist, visuelle, sensorische und mentale Eindrücke von Verstorbenen zu empfangen, ist doch jeder fähig, sich den Effekt klarzumachen, den diese Botschaften auf ihre Lieben haben, die sie am meisten brauchen. Ob es nun ein Verweis auf einen rosa flauschigen Würfel von deiner Tante Edna ist oder ein Insiderwitz, den man immer mit einer geliebten Großmutter gerissen hat – das sind die Botschaften, die ich mitzuteilen versuche – egal wie willkürlich sie auch mir persönlich vorkommen mögen.

      Wenn meine Klienten zu einer medialen Sitzung kommen, sehe ich den Prozess des In-Verbindung-Tretens wie eine Art Puzzle, das ich lösen muss. Ich bekomme Eindrücke von einem oder mehreren Verstorbenen und der Fragesteller und ich arbeiten dann gemeinsam heraus, inwiefern diese Botschaft relevant und wo das Bindeglied ist. Mediale Sitzungen bestehen zu fünfzig Prozent darin, die Information zu empfangen und zu fünfzig Prozent, sie zu entwirren. In den letzten paar Jahren habe ich in meinen Sitzungen zahllose Formen der Heilung gesehen, die erfolgte, weil die Botschaften bestätigt wurden. Ob man nun endlich einen geliebten Menschen loslassen kann, einen dringend benötigten Beweis oder eine Ahnung bekommt, eine Schuld von sich abwälzt – ich durfte sehen, was den wirklich lebensverändernden Unterschied bei jeder Kommunikation aus dem Jenseits ausmacht. Bei jedem Kontakt, den ich herstelle, ist es mein Ziel, den geliebten Menschen so klar durchkommen zu lassen, dass es für meinen Klienten keinen Zweifel mehr gibt, dass ich wirklich mit ihm in Verbindung stehe. Diese Bestätigung kommt zustande, wenn ich die Persönlichkeitszüge, Eigenheiten, Familientraditionen, Insideranspielungen und manchmal sogar seine physischen Angewohnheiten beschreibe. Es sind die kleinen, spezifischen Details, die das Wesen einer Person kommunizieren, und das gilt auch für Verstorbene in der geistigen Welt.

      Jeder Tag bringt neue Erfahrungen mit sich, neue Geschichten, die mir die Seelen erzählen, die in der Lage sind, zu begreifen, was in ihrem Leben wichtig war. Ihre Botschaften lehren uns, was wir in unserem eigenen Leben zu würdigen wissen sollten. Mehr als alles andere habe ich gelernt, dass der Übergang zur anderen Seite alles in eine andere Perspektive rückt. Ironischerweise können wir von den Verstorbenen am meisten über das Leben lernen.

      Ich hoffe, dir, lieber Leser, in diesem Buch ein Narrativ zu liefern, wie es so kein zweites Mal existiert – ehrlich, bodenständig und in Worten, die jeder versteht. Außerdem möchte ich einige häufig gestellte Fragen beantworten und will allen Bereichen meiner menschlichen Erfahrung nachgehen – sowie den Individuen, lebenden wie toten, die meinen Pfad gekreuzt haben.

      Der Beginn

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      »Mama, wir müssen uns von Oma verabschieden!«, rief ich. Überrascht von meinen eigenen Worten machte ich eine Pause, bevor ich fortfuhr: »Wir müssen sofort los. Sie wird heute Nacht sterben.«

      Ich stolperte in die Küche und kam neben meiner Mutter zum Stehen. Ich empfand ein Gefühl von überwältigender Dringlichkeit und war gerade in der Gewissheit aufgewacht, dass meine Großmutter sterben würde. Es fühlte sich an wie eine Erinnerung, nur dass es noch nicht passiert war. Wortlos griff meine Mutter nach ihrem Telefon und ihrer Handtasche und eilte zur Tür. Als ich hinterherlief, schien sich die Zeit zu verlangsamen. Ich empfand ein Gefühl von Verlust, das in mir hochwallte und wieder verebbte, in lähmenden Wellen. Ich wusste, dass ich unbedingt Lebewohl zu meiner Großmutter sagen musste; ich wusste auch, dass uns nicht viel Zeit blieb.

      Als wir zum Auto rannten, klingelte das Telefon meiner Mutter. Ein vertrautes Gefühl begann mich zu piesacken. Was als unerklärliche Gewissheit begonnen hatte, wurde jetzt vor meinen Augen zur Realität: Meine Mutter ging ans Telefon und hörte, dass meine Großmutter vor ein paar Augenblicken ihren letzten Atemzug getan hatte.

      Damals, im Alter von zehn Jahren, machte ich meine erste Erfahrung mit etwas, was sich nur als »Wissenheit« beschreiben ließ. Dieses Gefühl war mehr als nur eine Ahnung. Es war eine Überzeugung, die nicht ins Wanken zu bringen war, auch wenn ich nicht begriff, woher sie kam. Ab diesem Tag sollte eine bizarre Wissenheit jeden Aspekt von Leben und Tod, wie ich sie bisher kannte, verändern. Da ich da noch nicht wusste, was Präkognition oder Intuition ist, war ich von dem Erlebten zutiefst verwirrt. Warum war ich in einem Zustand aufgewacht, der sich so sehr von allem unterschied, was ich bisher erlebt hatte – ausgestattet mit Informationen, die ich nicht wissen konnte, und dem dringenden Bedürfnis, sie zu kommunizieren?

      Letztlich beeinflusste der Tod meiner Großmutter mein Leben mehr, als man sich damals hätte vorstellen können. Während meine Familie trauerte, war ich unfähig, das Gefühl, das ich in dieser Nacht erlebt hatte, zu vergessen. Die Leute um mich her weinten, aber ich konnte nicht genauso fühlen wie sie. Irgendwie hatte mein Vorherwissen um ihr Hinübergehen – auch wenn es nur um ein paar Momente zuvorgekommen war – die Art und Weise, wie ich ihren Tod verarbeitete, verändert. Da ich die Zukunft als Vergangenheit erfahren hatte, begriff ich auf einer tiefen Ebene, dass sich das Ergebnis nicht hätte verhindern lassen. Statt selbst irgendwelchen Trost zu brauchen, fand ich mich in der Rolle des Trösters meiner Eltern wieder.

      Ich war nicht überrascht, dass meine Mutter meinem Vater nichts von meiner Vorahnung erzählte. Da ich die Erfahrung selbst nicht begriff, war es umso unwahrscheinlicher, dass meine Eltern sie würden einordnen können. Was mich überraschte, war eine Erinnerung, die ich immer wieder im Geist durchging, und zwar die, dass meine Mutter sich sofort ihre Sachen geschnappt hatte und zur Tür hinausgerauscht war – sie hatte meine Warnung ohne zu zögern beachtet. Verfügte auch sie über eine »Wissenheit«, die ihr sagte, dass ich die Wahrheit sprach?

      Am nächsten Abend legte ich mich hin und schloss die Augen. Nach den kräftezehrenden vergangenen vierundzwanzig Stunden versuchte ich, meine Gefühle zu beruhigen. Beim Einnicken bemerkte ich, wie ein süßer Duft durch den Raum zog. Er war sehr vertraut. In meinem halb bewussten Zustand realisierte ich, dass dieser Duft derselbe war wie der des blumigen Parfüms meiner Großmutter, das sie getragen hatte, als ich noch ein kleiner Junge war.

      Als ich so dalag, rief ich mir die glücklichen Erinnerungen ins Gedächtnis, die mich mit ihr verbanden, und die Eindringlichkeit des Dufts. Ich drückte die Augen fest zu. Ich hatte Angst, dass, wenn ich sie wieder öffne, diese kostbare Verbindung zu meiner Großmutter sich auflösen würde. Ich fühlte, wie ich in die Ausläufer eines Traums rutschte.

      Plötzlich war ich hellwach: Ich war nicht allein im Zimmer. Gerade, als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, sah ich ein Licht. War es der Scheinwerfer eines Autos, der von der Straße hereinschien? Ich rieb mir die Augen. Am Fuß meines Betts war eine Gestalt erschienen. Sie sah wie eine beträchtlich jüngere Version meiner frisch verstorbenen, alten Großmutter aus. Bis heute bin ich verblüfft, wie ruhig mein zehnjähriges Selbst bei diesem Ereignis blieb. Meine tote Großmutter stand am Fuß meines Betts und lächelte, in goldenes Licht gehüllt. Obwohl sie vierzig Jahre jünger aussah, als ich sie kannte, war ihre Essenz unverwechselbar.

      Ich war von ihrem Strahlen verzaubert. Vor ihrem Tod hatte sie

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