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liegen die Beifahrer bäuchlings ausgestreckt auf ihrem länglichen Gefährt, die Füsse ragen hinten über den Rand hinaus, Fussspitzen wenige Zentimeter über der Piste, sieht aus wie ein rasender Sarg. In den Kurven wird gekniet und beidseitig weit hinausgelehnt. Hosenboden wieder knapp über dem Zement, manchmal auch leicht darauf schleifend. Eine Kunst.

      Die Motoren dieser Klasse sind immer überbeansprucht: fünfhundert Kubik, so viel, wie einem Solisten sonst zur Verfügung steht, müssen jetzt zwei Mann und das schwere Gefährt bewegen. Also ständig ENGINE TROUBLE, wie der Kommentar aus den Lautsprechern sagt, Maschinenpech, die Hälfte der Konkurrenten fällt aus, klemmende Kolben, ausgeleierte Lager, Melancholie auf den Gesichtern der Fahrer, welche ihre Gespanne selbst zusammengebastelt haben und voll Zärtlichkeit speziell frisierte Bootsmotoren und andere Fabrikate auf die niederen Chassis pfropften, und dann in der achten oder neunten Runde, wie bei Rudi Kurth und seiner in den Kurven akrobatisch turnenden Gefährtin, die auf einer wirklich genialen Maschine mit revolutionären Neuerungen in den Kampf blochen: Schluss, Engine trouble, alles für die Katz. Das Gespann Rudi Kurth/Dane Rowe steht immer kurz vor dem grossen Durchbruch, ihre Maschine wird immer revolutionärer (sagen die Spezialisten), die Bewunderung für ihren Durchhaltewillen ist gross, das Mitgefühl der Zuschauer wegen der nicht errungenen, ganz knapp verpassten Siege auch.

      Man sieht die beiden in den Pausen zwischen den Trainingsläufen angestrengt vor ihrer Maschine hocken, sie reden ihr gut zu, die Zündkerzen, Lager, Kolben, Vergaser werden beschwichtigt und geputzt, der ganze Mechanismus demontiert, neue Teile eingefügt, der Ton wird nach Unregelmässigkeiten detektivisch abgehorcht; was für den Laien nur ein wüstes Brüllen ist, wird in den zarten Öhrchen der Liebenden eine Symphonie … Da geht die ganze Liebe hinein in die Maschine, und auch die ganze Zeit.

      Neben ihrer Maschine steht im Fahrerlager der Transporter, auch selbst gebastelt, darin wohnen sie, mit dem fahren sie und ihr YAMAHA wie die Landstörzer von Rennen zu Rennen zwischen März und September, ausgebucht fast jedes Wochenend, von ihrer Heimat bleibt ihnen nur die Nationalhymne, wenn sie doch einmal gewinnen. Ihre eigentliche Heimat ist der Töff, ein rasendes Vaterland mit Pannen. Drei oder vier Tage in der Woche wird trainiert, und samstags oder sonntags dann gilt es jeweils ernst: das Rennen in Hockenheim oder auf der Isle of Man oder in Imola oder Spa oder Barcelona oder Clermont-Ferrand.

      So kommt man in die Welt hinaus, ringelum, irgend etwas treibt sie auf allen europäischen Rennbahnen im Kreis herum. Das Geld? Nicht der Rede wert, die Startgelder und Prämien sind bescheiden, damit kann man kaum die laufenden Unkosten berappen. Der Kitzel? Sie empfinden die Schnelligkeit nicht als Kitzel, sondern als Rohmaterial für Präzisionsarbeit. Der Ruhm? Nur ganz wenige können sich einen Namen machen, wie man sagt, die andern bleiben namenlos im Schatten. Wer dann einen Namen hat, wie Barry Sheene oder Phil Read, der kommt wie diese beiden tatsächlich mit dem Rolls-Royce angefahren und mit vier, fünf Ersatzmaschinen, einem Camion voll Ersatzteilen und einem halben Dutzend Mechanikern, alles von Herrn Suzuki oder Harley Davidson bezahlt oder von Gauloises und Marlborough gesponsort, wie man sagt. Da schläft man auch nicht mehr im Fahrerlager (im Wohnwagen, den die meisten mit sich schleppen), sondern im Hotel, und hat einen ganzen Tross von Griten und Gritli bei sich, fast wie die Autorennfahrer; die Schönheit der Begleitmädchen nimmt mit dem Erfolg zu, versteht sich. Agostini hat in Assen die meisten, Barry Sheene die schönsten.

      Und der Ruhm, wie kommt der? Am ehesten dort, wo die beste Maschine sich mit dem tüchtigsten Fahrer paart zu einem rasenden Zentaur. Die besten Maschinen muss man, bevor sie dem tüchtigsten Fahrer von einer Firma samt Zubehör und Mechanikern gratis gestellt werden, kaufen, eine Fünfhunderter-Suzuki für ca. dreissigtausend Franken, und dann die teuren Ersatzteile: Kolben nach 600 Kilometern oder schon vorher durchgescheuert, ständig neue Lager, Vergaser, Ketten usw. Ein reicher Vater kann auch in diesem Sektor nicht schaden, Leute wie Sheene oder Agostini konnten schon immer verschwenderisch mit ihrem Material umgehen, während die ärmeren Kollegen sparen und ihre Maschine nicht selten bis zur äussersten Risikogrenze belasten müssen. Klassenkampf, auch im Reich der Zentauren. Und dann: survival of the fittest, der Mutigste überlebt, wenn er nicht verstirbt wie Pasolini, von dem es im Motorrad-Guide (Ausgabe 1974) heisst: Renzo Pasolini wurde Werkfahrer bei Benelli, die mit ihren neuen Vierzylindermodellen viel Erfolg zu versprechen schienen. Bei den letzten Rennen des Jahres war die Sensation perfekt, als er mit einer aufgebohrten 350er in Vallelunga die 500er-Klasse vor Ventura auf Gilera gewinnen konnte und Agostini beim Versuch, den Benelli-Spitzenmann zu überholen, zu Fall kam … Endlich schien ihm der Durchbruch zur internationalen Spitze, zu der er von der fahrerischen Seite her schon längst gehörte, zu gelingen. Sein Ziel war es, auf einer italienischen Maschine einmal Weltmeister zu werden. Er verunfallte, vor Saarinen liegend, in Monza tödlich.

      Es war eine der seltenen Massenkarambolagen, bis zu zwanzig Maschinen sollen ineinandergebumst sein, das Rennen wurde abgebrochen, die rote Fahne geschwenkt: als Zeichen für den Abbruch. Die dabei waren, sprechen nicht gerne davon. Vom legendären Jarno Saarinen (1945–1973) heisst es im Motorrad-Guide: Wenn ein ganz Grosser des Sportes sein Leben verliert, so erschüttert das Millionen. Saarinen war ein ganz Grosser, man sprach von ihm als einem der grössten Fahrtalente aller Zeiten, und er besass die Sympathie der ganzen Welt, wie jeder in der Rolle Davids, der Goliath (= Agostini) bezwingt. Er hatte kämpfen müssen um seine Karriere. Wenn andere schliefen, überholte er spät nachts eigenhändig den Motor seiner Maschine mit der Liebe zum Detail eines Uhrmachers, statt im Hotel nächtigte er in seinem Lieferwagen im Fahrerlager, er nahm alle Entbehrungen der Welt auf sich, um es zu etwas zu bringen, um Bester zu werden … Jarno Saarinen hatte schon einmal Ende 1972 von einem möglichen Rücktritt gesprochen. Die Angebote, die er für die Saison 1973 erhielt, und die damit verbundene Aussicht, einem Haus und einer Familie etwas näher zu kommen, liessen ihn seine Rücktrittsgedanken vergessen. Mit demselben Kampfgeist, der ihn schon zuvor beflügelt hatte, stürzte er sich in die Saison 1973 und gewann, was zu gewinnen war – und verlor am Ende doch alles.

      Nicht viele enden so dramatisch wie diese zwei und bleiben öffentlich als Helden in der Erinnerung kleben; den meisten geht mit dem Alter der Schnauf aus, das Kurvenfräsen wird ihnen unheimlich, ab Mitte dreissig wird’s kritisch, man zieht sich in den Beruf zurück, aus dem man gekommen ist. Garagist, Werkzeugmacher, Mechaniker, Schlosser, Motorradhändler; sozialer Abstieg ist selten. Aber wenigstens hat man einmal gelebt, bevor man in den Alltag zurückfällt. Man hat das Lebensgefühl gesteigert. Geschwindigkeit und das schräge Blochen in die Kurven ist Lebensgefühl; der Alltag ist für manche so trüb, dass man ihm gar nicht schnell genug entblochen kann. Man kommt vom Fleck, man bewegt sich, wenn auch nur zum gleichen Fleck zurück, man rast sich selbst und seinen Bedingungen davon, man ist frei, provisorisch. Man wird befördert mit einer unheimlichen Wucht, und man ist gleich wie die andern in der betreffenden Kubik-Klasse, wenn auch einige noch etwas gleicher sind. Und Brüderlichkeit gibt es auch, man hilft sich mit Ersatzteilen aus.

      In den Kreisen, aus denen die meisten Fahrer kommen, kann man auch mit grosser Tüchtigkeit fast nie Unternehmer, Kardinal, Dirigent, Autorennfahrer, Schriftsteller werden, aber Töffrennfahrer, das liegt vielleicht drin, da ist ein Ausbruch möglich, wie auch in andern proletarischen Sportarten, wenn man den Rank findet und keine Angst (z.B.) vor dem SPEED-WOBBLING hat, wie man das leichte Schwabbeln des Lenkers nennt, durch welches ein bevorstehendes Abschmieren der Maschine angezeigt wird, meistens.

      Es gibt auch Unfälle ohne Vorwarnung: Die überaus heiklen Antriebsketten können reissen. Wenn die Kette wegspickt, hat man Glück, sonst schlingt sie sich eventuell um die Radspeichen, das ist weniger glücklich. Oder der profillose Hinterpneu, sogenannter Slick, profillos, um höhere Geschwindigkeit zu erzielen, kann platzen, oder die stark beanspruchten Kolben können sich festbrennen, was ein geübtes Ohr allerdings einige Sekunden vorher hört, wird doch der Ton deutlich um einen Halbton tiefer, dann muss man nur noch auskuppeln und kann so das abrupte Blockieren der Räder und das anschliessende Überschlagen der Maschine vermeiden. Oder ein Ölfleck kann die Strasse glitschig machen, aber dann steht jeweils bald schon ein Rennfunktionär mit der Flagge da, welche bedeutet: Achtung! Ölfleck!, und dirigiert die Fahrer, wenn das noch geht, an der schlüpfrigen Stelle vorbei.

      Oder man erwischt die Kurve nicht mehr, weil man, um einige Sekundenbruchteile zu gewinnen und in falscher Einschätzung der Fliehkraft, das Gas nicht zurückgenommen und nicht heruntergeschaltet

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