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wenn sie nicht nur erheblich weniger als ihre Landsleute West in der Lohntüte hätten, sondern ihre ohnehin schon bescheidenen DDR-Gehälter auch noch gekappt würden.

      Deshalb musste ein anderer Weg gefunden werden. Das geschah, indem mit den Löhnen auch die im Westen üblichen Abgaben kamen. Deren Struktur kannte im Osten niemand. Deshalb blieb weitgehend verborgen, dass der Umtauschkurs rechnerisch am Ende doch fast bei 2 Ost- zu 1 Westmark lag. Darauf verwies Wolfgang Schäuble in seinem Resümee der Vertragsverhandlungen: »Da mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion allerdings Steuern und Sozialabgaben auf Löhne und Gehälter eingeführt wurden, war im Ergebnis der Unterschied dieses Umtauschkurses [von 1 zu 1 bei Löhnen und Gehältern, Anm. d. Verf.] zu dem eines Verhältnisses von 2:1 bei entsprechenden Aufbesserungen eher marginal. Der Unterschied lag in der psychologischen Wirkung auf die Menschen in der DDR.« Anlässlich des fünfundzwanzigsten Jahrestags der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion bestätigte auch der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel: »Unterm Strich hatten wir einen Umtauschkurs von 1 zu 1,8. Das war ziemlich nahe an dem Vorschlag der Bundesbank, die damals 1 zu 2 für das richtige Verhältnis gehalten hatte.«

      Dass das alles dennoch gravierende politische Konsequenzen haben würde, war im Osten wie im Westen bekannt. Richard Schröder, damals Fraktionschef der SPD in der Volkskammer, fasste es so zusammen: »Wir waren der Meinung, dass die Währungsunion den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft nicht bewirken, sondern verschärfen werde. […] Wir wussten, dass der Staat DDR in Devisen hoch verschuldet ist und da nicht aus eigener Macht herauskommen kann. Dann habe ich zu der Währungsunion gesagt: ›Lieber mit ruinierter Wirtschaft in die Einheit als ohne Einheit mit ruinierter Wirtschaft.‹«

      War der Umtauschkurs falsch?

      Der Umtauschkurs von einer DM zu zwei DDR-Mark sei falsch gewesen, gehört bis heute zur ökonomischen Kritik der Einheit. Der frühere Präsident der Bundesbank, Karl Otto Pöhl, erklärte nach zehn Jahren Erfahrung: »Es kann heute keinen Zweifel mehr geben, dass dies eine ökonomisch verhängnisvolle Entscheidung war. Alle Betriebe der DDR mussten von einem Tag auf den anderen ihre Löhne und Verpflichtungen in D-Mark bezahlen, die sie nicht hatten und auch nicht verdienten. So wurden damals alle Betriebe schlagartig zahlungsunfähig. Dies wurde dann durch Kredite der Treuhand aufgefangen.« Auf Nachfrage verwies er auf die massive Aufwertung der DDR-Mark durch Einführung der DM um mehr als das Vierfache: »Das kann keine Volkswirtschaft der Welt ohne dramatische Folge verkraften.« Nicht kommentiert wurde bei dieser Bewertung, dass die DDR-Mark eine reine, nicht konvertierbare Binnenwährung war. Sie durfte weder aus- noch eingeführt werden und spielte auf den internationalen Finanzmärkten keinerlei Rolle.

      Viele Ökonomen unterschiedlicher politischer Ausrichtung teilen dennoch die Einschätzung, der Kurs sei falsch gewesen. Sie beruht auf der Devisenrentabilität der DDR-Wirtschaft. Im geschlossenen Wirtschaftsraum zwischen den sozialistischen Staaten spielte sie keine große Rolle. Mit der Einheit wechselte die DDR jedoch komplett auf den internationalen Markt. Damit wurde entscheidend, wie viel sie aufwenden musste, um den Gegenwert einer DM zu erlösen. Dieses Verhältnis hatte sich im Laufe der Jahre erheblich zuungunsten der ostdeutschen Wirtschaft verschlechtert. 1970 genügte noch der Einsatz von 1,70 Ostmark, 1976 waren es bereits 2 Mark und 1985 dann 2,50 Mark. Am Ende der DDR musste im Durchschnitt für 4,40 DDR-Mark produziert werden, um 1 DM kassieren zu können. So erklärte sich das vielen DDR-Bürgern bekannte »Verschleudern« der Waren in den Westen.

      Die Devisenrentabilität variierte in den einzelnen Branchen. Bis zum Sturz Erich Honeckers blieb sie ein Geheimnis der Außenhändler. Erst im zweiten Halbjahr 1990 wurden die Kennziffern erstmals öffentlich. Das erbrachte ein bedrohliches Ergebnis: Elektrotechnik minus 50,82 Prozent, bei Glas und Keramik minus 70,48 Prozent, im Maschinenbau minus 38,45 Prozent und in der Textilindustrie minus 41,98 Prozent. Diese Zahlen sagen im Grunde, am Beispiel der Elektrotechnik illustriert: Wäre die gesamte Belegschaft dieses Industriezweigs bei voller Bezahlung nach Hause geschickt und die Produktion gestoppt worden, hätte man nur die Hälfte des Verlustes eingefahren, der durch den Verkauf in den Westen entstand. Im Außenhandel der DDR führte das, trotz einer Abfederung durch die Geschäfte mit den sozialistischen Staaten, zu einer erheblichen Einbuße. Erwirtschaftete die Bundesrepublik allein durch die Differenzen zwischen Export- und Importpreisen, den Terms of Trade, zwischen 1971 und 1987 einen Gewinn von 156 Milliarden US-Dollar, machte die DDR im gleichen Zeitraum daraus 22 Milliarden US-Dollar Minus.

      Aus währungstechnischer Sicht stellte sich die Einführung der DM ab 1. Juli 1990 so dar: Ein DDR-Produkt, das bis zum 30. Juni 1990 für 1.000 DM auf dem Weltmarkt zu haben war, kostete ab dem 1. Juli 1990, null Uhr, 4.400 DM. Das führte dazu, dass die traditionellen Partner im ostdeutschen Außenhandel – die Sowjetunion und die ehemaligen Ostblockstaaten – in der Noch-DDR nicht mehr einkaufen konnten. Ihnen fehlte einfach das Geld dazu. Hinzu kam noch die internationale Konkurrenz. Auch für die Bundesrepublik war die DDR nicht mehr der »billige Jakob«. Produkte, die vormals die Versandhauskataloge von Quelle bis Neckermann füllten, machten einen Preissprung. Die Folge: Sie wurden nicht mehr gekauft.

      Vor diesem Hintergrund polemisierten Publizisten im Westen noch jahrelang gegen den Umtauschkurs bei der Währungsunion. Fernsehjournalist Wolfgang Herles nahm die Stimmung auf und nannte ihn einen »Fabelkurs«, der »die Ausschaltung der Vernunft als Maßstab der Politik« gewesen sei. Das sah der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière ganz anders: »Es gingen nach dem Fall der Mauer täglich zwei- bis dreitausend Menschen, und wir mussten irgendwelche Signale für Bleibehoffnung setzen … Als wir dann am 18. Mai den Vertrag über die Währungsunion unterschrieben haben, ebbte dieser Exodus wirklich ab, es waren noch zweitausend pro Woche, immer noch zu viel, aber die unmittelbare Drohung des Leerlaufens war gebannt damit.«

      Mit einer massiven Wiederaufnahme der Wanderung aus der DDR in den Westen wäre zu rechnen gewesen, hätte man auch nur erwogen, Löhne, Gehälter und Renten anders als 1 zu 1 umzustellen. Der Grund lag darin, dass ein Facharbeiter nur etwa 48 Prozent des Westlohns bekam. Für das gesamte DDR-Lohngefüge berechnete das Statistische Bundesamt 1990 ein Niveau von unter einem Drittel im Vergleich zum Westen. Erfahrungen besagten, dass abhängig Beschäftigte ihre Koffer packen, wenn ihr Einkommen 70 Prozent dessen unterschreitet, was sie anderswo bekommen würden. Eine Währungsunion wäre damit zum Motor des Weglaufens geworden.

      Eine recht abenteuerliche Kritik am Umtauschkurs gab es auch von östlicher Seite. Sie verwies auf die hohe Kaufkraft der DDR-Mark im Land. Schließlich kostete ein Brötchen nur fünf Pfennige, der Eisenbahnkilometer und die Kilowattstunde Strom acht Pfennige und die Miete höchstens 1,25 Mark pro Quadratmeter mit »Vollkomfort«. Daraus folgte die Behauptung, eigentlich sei die DDR-Mark mehr wert als die DM. Sie knüpfte an die jahrelange Propaganda gegen den »Schwindelkurs« an, die immer dann ihre Höhepunkte erlebte, wenn es um die Begründung eines höheren »Mindestumtauschs« für Westbesucher ging. So schrieb zum Beispiel Neues Deutschland am 15. Oktober 1980: »Bereits vor fünf Jahren betrug die Kaufkraft der Mark der DDR 1,09 Mark der BRD, das heutige Verhältnis beträgt 1:1,29. Im Reiseverkehr ist dieses Verhältnis infolge besonders großer Preisunterschiede für Dienstleistungen sogar 1:2,30.« Diese Rechnung entstand durch den Vergleich subventionierter DDR-Waren mit Westpreisen und umfasste damit nicht die tatsächlichen Lebenshaltungskosten.

      Im Zusammenhang mit der Währungsunion gab es aber auch eine Zahl, die vordergründig überzeugend klang. Es wurde moniert, dass den DDR-Bürgern durch den Umtauschanteil von 1 zu 2 insgesamt eine Summe von etwa 64,3 Milliarden Mark verlorenging. Auf die Einwohner umgerechnet, machte das rund 4.000 DM pro Person. Daraus folgte die Schlussfolgerung, eigentlich hätte es für 1 DDR-Mark etwa 1,50 DM geben müssen.

      Das war eine klassische »Milchmädchenrechnung«. Sie ignorierte die Art des Wirtschaftens in der DDR. »Stabile Preise«, später modifiziert in »stabile Preise für den Grundbedarf«, gehörten zum politischen Fundament. Die Differenz zwischen den tatsächlichen Preisen für Waren und Dienstleistungen kam aus Subventionen. Diese wiederum waren ein realer Einkommensbestandteil, »zweite Lohntüte« genannt. Die Betriebe mussten 70 Prozent der Bruttolohnsumme an den »Gesellschaftlichen Fonds« des Staates abführen. Die Arbeitenden blieben so von der Finanzierung der gesamten Staatsausgaben entlastet. Im Gegenzug war ihr Lohn im Vergleich zum Westlohn kärglich. Allein die Subventionen auf Nahrungsmittel

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