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CHANGES. Группа авторов
Читать онлайн.Название CHANGES
Год выпуска 0
isbn 9783957494023
Автор произведения Группа авторов
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Издательство Bookwire
To turn and face the strange
Die Berliner Festspiele sind eine wunderbare und in ihrer Konstruktion einzigartige Struktur, die mit ihren beiden Häusern fast alle Kunstformen repräsentieren – Ausstellungen, Aufführungen, Konzerte, Inszenierungen, Performances, Symposien und Wettbewerbe. Theoretisch und gelegentlich auch praktisch kann es gelingen, in dieser Struktur Expert*innen unterschiedlichster Künste in der Auseinandersetzung mit einzelnen Themen und künstlerischen Œuvres zusammenzuführen, wie uns das bei Pina Bausch, William Kentridge oder Isa Genzken gelungen ist, die in Ausstellungen und Festivals oder Filmen zeitgleich verschiedene Aspekte und Facetten ihres Schaffens gezeigt haben. Vergleichbare Strukturen sind in Europa selten, am ehesten lässt sich noch an das Southbank Centre in London denken, aus dessen Hayward Gallery wir Stephanie Rosenthal für ihre Direktion am Gropius Bau gewinnen konnten.
Danke, in unvollständiger Reihung, für die Arbeit von Kurator*innen wie Frie Leysen und Berno Odo Polzer, danke an Annika Kuhlmann, Richard Williams und Stephanie Rosenthal, was wären wir ohne die Intelligenz und Kompromisslosigkeit von Tino Sehgal und Taylor Mac, Vegard Vinge und Ida Müller, Philippe Parreno und Susanne Kennedy, Markus Selg, Joulia Strauss und Jonatahan Meese, Milo Rau, Ed Atkins und Isa Genzken. Danke an Gabriele Stötzer und Elske Rosenfeldt, Robert Wilson, David OReilly, Mona el Gammal, Bruno Latour und Frédérique Aït-Touati. An Jeroen Versteele, Teresa Minn, Anja Predeick, Winrich Hopp und Yvonne Büdenhölzer, Christina Tilmann, Susanne Ritzal und Susanne Goetze und Nafi Mirzaii, die als Grafikerin der Berliner Festspiele die Bildstrecke dieses Bandes verantwortet. Dank auch an den Fotografen und Grafiker Christian Riis Ruggaber und an die Grafikagenturen Ta-Trung und Eps51, an Andreas Weidmann und viele, viele andere. Und vor allem auch an alle Fotograf*innen, die ab und an mit Alienblick und David Bowie im Ohr auf den Auslöser drückten: „to turn and face the strange – Ch-ch-ch-ch-changes“.
Thomas Oberender ist Autor und Kurator und seit 2012 Intendant der Berliner Festspiele.
NEUE FORMATE – FORMATE DES NEUEN
Thomas Oberender
Die Erfahrung von Kunst ist in der Regel die Erfahrung einer Begegnung mit Werken. Oft begegnen wir allerdings den Werken nicht unmittelbar, sondern vermittelt durch Formate. Formate leisten als Veranstaltungsform die Vermittlung der Werke – sei dies eine Ausstellung oder eine Aufführung – als Sendeformat. Immer sind Formate Container diverser Werke, und aus der Summe unterschiedlicher Formate ergibt sich das Programm. Eine Struktur wird zum Format, wenn sie unterschiedliche Werke aufnimmt, entweder in Kombination oder sukzessive. Formate haben also gleichermaßen eine konstitutive Beziehung zu Werken wie auch zu Institutionen. Da Formate die Begegnungsform zwischen Werk und Publikum sind, wurden sie oft zu Synonymen für die Kunstformen an sich, etwa, wenn Menschen sagen: Ich gehe „ins Theater“, oder „in eine Ausstellung“ oder „in ein Konzert“ und damit nicht das Gebäude meinen, sondern das Ereignis. Formate können also mit Institutionen verschmelzen und geradezu unsichtbar werden, sie können sich aber auch von ihren Gewohnheiten lösen und temporäre Alternativen bilden. Diese Kreationen erhalten dann oft eigene Namen, als seien sie selber Werke. Sie entwickeln eine eigene Narration, die sich mit ihrem Titel und ihren Erfinder*innen verbindet. Institutionalisierte Formate hingegen wurden im Laufe der Zeit vermeintlich neutral, weil sie die Gewohnheitsform unserer traditionellen Kunstbegegnung geworden sind. Im Gegensatz zu den institutionalisierten Formaten schaffen neu kreierte Formate Originale, doch immer handelt es sich um Darreichungsformen von Werken. Formate sind keineswegs universelle Kategorien, sondern kulturell und historisch spezifisch. Ihnen eigen ist, dass normalerweise in Formaten gespielt wird, doch nicht mit Formaten. Das aber ist, wovon die nachfolgenden Zeilen handeln.
Das Wort Format löst in der deutschen Sprache mehrere Assoziationen aus: Zum einen denkt man an genormte Größen oder Zustände. Durch das Formatieren werden Daten oder Datenträger im Bereich der digitalen Technologien nutzbar gemacht. Formatieren heißt hier Überschreiben. Umgangssprachlich kennt man auch unterschiedliche Buchformate – womit in der Regel Heftgrößen gemeint sind, Bucharten wie Softcover oder Hardcover. In der Medienbranche sind Formate bestimmte Produktsorten – also eine Talkshow im Unterschied zu einer Nachrichtensendung. All diesen Wortverwendungen gemein ist, dass Formate eine Art von Behältnis erzeugen, eine genormte, vordefinierte Rahmung, die diverse Werke aufnehmen kann. Gesehen wird in der Regel das Werk, nicht das Format. Aber das Format sorgt in hohem Maße dafür, wie das Werk „gelesen“ wird – ist es eine Aufführung oder eher eine Installation? Formate sind Ordnungsprinzipien, die selber zur Form werden. Sie erzeugen ein Display, das eine Grundaussage trifft: Es vermittelt unausgesprochen, dass es sich zum Beispiel um Nachrichten oder eine Castingshow handelt, allein durch die Form, in der Inhalte aufbereitet werden. Die Inhalte selbst, all die diversen Beiträge, Filme, Stücke, Texte, werden durch das Format hingegen nicht fixiert, sondern es muss sich für diese so flexibel wie möglich zeigen, ohne seine eigenen Prämissen zu verraten. Denn was sich innerhalb der Formate versammelt, kann sich jederzeit ändern, das Format als solches ändert sich hingegen nicht.
Werk – Format – Programm
Wenn nachfolgend von Ausstellungen, Aufführungen, Festivals, Themenreihen und anderen Veranstaltungsformen die Rede ist, besitzen diese eine große Nähe zu dem, was hier als „Format“ beschrieben wird. Formate sind Mittel. Sie werden benutzt, um übergeordnete Programme zu strukturieren, die sich aus einer Vielzahl von Formaten zusammensetzen, die ihrerseits eine Vielzahl von Werken präsentieren. Ein ganz normales Fernsehprogramm besteht aus einer Abfolge diverser Formate, die zum Beispiel eine Magazinsendung, ein bestimmtes Spielfilmformat, eine Nachrichten- oder Sportsendung sein können. Jedes dieser Formate zeigt im Laufe der Zeit wiederum verschiedenste Werke, die einander im Laufe eines Abends oder von Wochen und Monaten ablösen. All die unterschiedlichen Formate zusammen ergeben das Programm, und ähnlich ist es bei Theatern und Konzerthäusern mit ihren Aufführungen, Matineen, Publikumsgesprächen, Führungen und Festen. Formate erzeugen also „Territorien“, die bespielt werden, und wer sie wie bespielt, wird von den Werken her gedacht und oft von den Interessen der Institutionen bestimmt.
Wer Formate „lesen“ kann, auch die klassischen, unsichtbaren,