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verbänden damit etwas Positives, nur 9 Prozent widersprachen.4 Damit hat sich der Klang des Wortes in den letzten Jahren sogar noch verbessert: Im Jahr 2012 waren ›nur‹ 54 Prozent der Befragten der Ansicht, ›liberal‹ bedeute etwas Positives.5 Und so ist es auch nicht überraschend, dass viele Menschen sich mit dem so positiven Stichwort identifizieren. Auf die Frage »Würden Sie sich selbst als liberal bezeichnen, oder würden Sie das nicht sagen?« antworteten im Oktober 2018 50 Prozent der Befragten, sie würden sich selbst als liberal bezeichnen. Schaut man dann, welche Überzeugungen diese Personen bei gesellschaftspolitischen Fragen äußern, sieht man rasch, dass sie das ganze Meinungsspektrum repräsentieren. So findet man beispielsweise viele ›liberale‹ unter den Anhängern aller Parteien. Am größten ist ihr Anteil, wenig überraschend, unter den FDP-Anhängern, doch auch unter den Anhängern von CDU/CSU, SPD und den Grünen bezeichnet sich eine Mehrheit als liberal. Selbst die Anhänger der Linken, deren Programmatik kaum Anknüpfungspunkte zu klassischen liberalen Prinzipien bietet, sagten zu 39 Prozent, sie betrachteten sich selbst als liberal (Abb. 1).

      Frage: »Würden Sie sich selbst als liberal bezeichnen, oder würden Sie das nicht sagen?«

      Antwort: »Würde mich als liberal bezeichnen.«

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      Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage Nr. 11094 (Oktober 2018)

      Diese Kombination: Eine aus Sicht der meisten Menschen vage Bedeutung bei einem gleichzeitig eindeutig positiven Beiklang macht den Begriff ›liberal‹ zu einer begehrten Beute im politischen Wettstreit. Und so hat es in den letzten Jahren intensive Versuche von verschiedenen politischen Strömungen gegeben, den Begriff mit neuen Bedeutungen aufzuladen und für sich in Beschlag zu nehmen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Einführung des Schlagworts ›Neoliberalismus‹ in die politische Debatte in den 1990er-Jahren, die es ermöglichte, Inhalte, die man vorher einfach als liberal bezeichnet hätte, mit dem – zumindest außerhalb volkswirtschaftlicher Fachkreise – neuen, negativ konnotierten Begriff zu belegen. Der positiv belegte Begriff ›liberal‹ ließ sich auf diese Weise gleichsam freiräumen und konnte so als ›neuer‹, ›wahrer‹ oder sonstwie ›besserer‹ Liberalismus gegen die Inhalte in Stellung gebracht werden, für die er ursprünglich stand.

      Die Folge dieser Entwicklung ist, dass in den – ohnehin schon vagen – Vorstellungen der Bevölkerung vom Begriff ›liberal‹ ursprüngliche und neu hinzugefügte Elemente durcheinandergehen. Dies zeigen die Antworten auf die zuletzt im Frühjahr 2017 gestellte Frage »Was verstehen Sie unter einer liberalen Partei? Wofür sollte sich eine liberale Partei Ihrer Meinung nach unbedingt einsetzen?« Dazu überreichten die Interviewer eine Liste mit Antwortmöglichkeiten. 64 Prozent der Befragten antworteten daraufhin, dass es ihrer Ansicht nach Aufgabe einer liberalen Partei sei, die Freiheit der Bürger zu schützen. 58 Prozent meinten, eine liberale Partei müsse sich um Chancengerechtigkeit kümmern, also dass jeder unabhängig von sozialer Herkunft oder Geschlecht gleiche Chancen im Beruf und bei der Bildung hat. An dritter Stelle stand, genannt von 55 Prozent der Befragten, der Punkt »Die Belastungen durch Steuern und Abgaben senken«.

      Diese politischen Ziele lassen sich sicherlich gut aus den Grundprinzipien des Liberalismus ableiten. Doch erhebliche Teile der Befragten nannten auch Punkte, die man traditionell eher konservativen Parteien zuordnen würde, wie »Dass die Bürger besser vor Kriminellen geschützt werden« (43 %) oder auch eher sozialdemokratische Ziele wie »Die sozialen Unterschiede, die Unterschiede zwischen Arm und Reich abbauen« (43 %), die zwar nicht in direktem Widerspruch mit liberalen Prinzipien stehen, die man aber zumindest nicht als spezifisch liberal bezeichnen würde. Dennoch wurden sie häufiger zu den Aufgaben einer liberalen Partei gerechnet als die klassische liberale Forderung nach mehr Eigenverantwortung der Bürger (Abb. 2).

      Dabei ist auffällig, dass die Anhänger der verschiedenen Parteien dazu neigen, ihre eigenen Überzeugungen auf den Begriff ›liberal‹ zu projizieren. Anhänger der Partei Die Linke sind über proportional häufig der Ansicht, eine liberale Partei müsse die Unterschiede zwischen Arm und Reich abbauen, während sie die Verteidigung der Marktwirtschaft nicht so sehr als liberale Aufgabe auffassen. Anhänger der Grünen meinen dagegen häufiger als die anderer Parteien, eine liberale Partei müsse sich besonders um den Umweltschutz kümmern (Abb. 3).

      Frage: »Was verstehen Sie unter einer liberalen Partei? Hier auf den Karten ist einiges aufgeschrieben. Wofür sollte sich eine liberale Partei Ihrer Meinung nach unbedingt einsetzen?« (Kartenspielvorlage) - Auszug aus den Angaben -

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      Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage Nr. 11070 (April/Mai 2017)

      Man bekommt den Eindruck, dass sich der Begriff des Liberalismus allmählich zweiteilt. Hin- und hergezerrt zwischen den politischen Lagern, die bemüht sind, ihn zu besetzen und mit neuen Bedeutungen aufzuladen, die mit dem traditionellen Begriffsverständnis wenig zu tun haben, droht er, die Reste seiner Konturen zu verlieren. Jene politische Tradition aber, die die individuelle Handlungsfreiheit des Einzelnen vor die zentrale Organisation des Kollektivs setzt, die die Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat betont, die die Freiheit der Wirtschaft, Eigeninitiative und Eigenverantwortung vor staatliche Regelung und Betreuung stellt, die sich dafür einsetzt, dass der Staat zwar die Regeln des Zusammenlebens festlegt, nicht aber den Bürgern vorzuschreiben versucht, wie sie zu leben hätten, die bei politischer Mäßigung und auf fester demokratischer Grundlage größtmögliche Toleranz auch gegenüber abweichenden Meinungen und individuellen Lebensentwürfen propagiert, kurz jene politische Richtung, die man 200 Jahre lang ›liberal‹ zu nennen pflegte, wird in den kommenden Jahrzehnten einiges zu tun haben, dass ihr nicht ihr Schlüsselbegriff von politischen Wettbewerbern entführt wird.

      Frage: »Was verstehen Sie unter einer liberalen Partei? Hier auf den Karten ist einiges aufgeschrieben. Wofür sollte sich eine liberale Partei Ihrer Meinung nach unbedingt einsetzen?« (Kartenspielvorlage) - Auszug aus den Angaben -

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      Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage Nr. 11070 (April/Mai 2017)

      1Klein Erna. Ganz dumme Hamburger Geschichten. Nacherzählt und gezeichnet von Vera Möller. Gütersloh [Bertelsmann] [o. J.], S. 64.

      2Vgl. PETERSEN, THOMAS: Die Einstellung der Deutschen zum Wert der Freiheit. In: ACKERMANN, ULRIKE (Hrsg.): Freiheitsindex Deutschland 2011 des John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung. Frankfurt am Main: Humanities Online 2012, S. 17-56, dort S. 18-20.

      3Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage Nr. 12028.

      4Ebenda.

      5Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage Nr. 10085.

      Jan Schnellenbach

      Schimpfwort (Neo-)Liberalismus?

      Als ökonomischer und ideengeschichtlicher Begriff ist der Neoliberalismus eigentlich klar definiert (KOLEV 2017: 24-28). Er bezeichnet eine Phase der Theorieentwicklung, die in den 1920er-Jahren begann und die in

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