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      »Warte«, sprach Schneeweißchen, »ich will dir helfen.«

      Sie holte ihre Schere aus der Tasche und schnitt das Ende des Barts ab. Als der Zwerg sich frei fühlte, griff er nach einem Sack Gold, der unter dem Baum lag, und brummte dabei:

      »Grobes Volk! Schneidet mir ein Stück von meinem prächtigen Bart ab. Lohn’s euch der Kuckuck!« Er schwang den Sack auf seinen Rücken und ging fort, ohne zu den Kindern ein Wort des Dankes zu sagen oder sie auch nur noch eines Blickes zu würdigen.

      Ein andermal wollten Schneeweißchen und Rosenrot ein paar Fische zum Abendessen mit der Angel fangen. Als sie sich dem Bache näherten, sahen sie, dass etwas wie eine Heuschrecke in großen Sprüngen vor dem Wasser hüpfte, als wollte es hinein. Sie liefen dorthin und erkannten den Zwerg.

      »Was hast du vor?« fragte Rosenrot. »Seht ihr’s denn nicht? Der verwünschte Fisch zieht mich ins Wasser.«

      Der Kleine hatte geangelt und der Wind seinen Bart mit der Angelschnur verflochten. Nun hatte unglücklicherweise ein großer Fisch angebissen, und der Zwerg war nicht mächtig genug, ihn herauszuziehen. Der Fisch behielt die Oberhand und zog den Zwerg zu sich. Zwar hielt sich dieser an allen Halmen und Binsen fest, aber es half nicht, er musste dem Fisch folgen und einen Sprung nach dem anderen machen. Die guten Kinder kamen gerade noch zur rechten Zeit und hielten den Kleinen fest, denn ein wenig später hätte er schon im Wasser gelegen, und es wäre um ihn geschehen gewesen. Sie versuchten, den Bart von der Angelschnur freizumachen, aber es war nicht möglich, so sehr waren beide ineinander verwirrt. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als die Schere wieder hervorzuholen und den Bart abzuschneiden, wobei aber ein kleiner Teil desselben verloren ging. Als der Zwerg das sah, schrie er sie an:

      »Ihr Lurche! Ist das eure Art – einem das Gesicht zu verunstalten? Erst habt ihr mir den Bart gestutzt, jetzt schneidet ihr den schönsten Teil davon weg. So kann ich mich vor den Meinigen nicht blicken lassen! Laufen müsstet ihr, ganz ohne Schuhsohlen!«

      Dann griff er nach einem Sack Perlen, der da im Schilf lag, und ohne ein weiteres Wort zu sagen, schleppte er ihn fort und verschwand hinter einem Stein.

      Abermals, nicht lange danach, schickte die Mutter die beiden Kinder in die Stadt. Sie sollten Zwirn, Nadeln, Schnüre und Bänder einkaufen. Als sie an eine Heide gelangten, auf der hier und da große Felsenstücke lagen, sahen die Mädchen einen großen Vogel in der Luft, der in langsamen Kreisen über ihnen schwebte und immer tiefer flog, bis er plötzlich nicht weit entfernt auf einen Felsen niederstieß. Gleich darauf hörten sie ein erbärmliches Geschrei. Die Schwestern eilten herbei und sahen mit Erstaunen, dass der Adler den wohlbekannten Zwerg gepackt hatte, welcher eben aus einer Öffnung im Stein hervorgestiegen war, und dass der Vogel ihn forttragen wollte. Die mitleidigen Mädchen packten das Männchen ganz fest und zerrten an ihm so lange mit dem Adler herum, bis dieser seine Beute aufgeben musste. Als der Zwerg sich vom ersten Schrecken erholt hatte, schimpfte er:

      »Konntet ihr mich nicht säuberlicher angreifen? Gerissen habt ihr an meinem Röckchen, dass es an mehr als einer Stelle Löcher bekommen hat. Täppisches Gesindel!«

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      Dann nahm er einen Sack mit Edelsteinen und schlüpfte wieder in seine Höhle. Die Mädchen waren an seinen Undank schon gewöhnt. Sie setzten ihren Weg fort und verrichteten ihr Geschäft in der Stadt. Als die beiden auf dem Heimweg wieder bei der Heide ankamen, überraschten sie den Zwerg, der wohl gedacht hatte, dass so spät niemand mehr des Weges gehen würde. Er hatte sich ein reinliches Plätzchen ausgesucht und seinen Sack mit Edelsteinen ausgeschüttet. Da lagen sie ringsherum, und weil die Abendsonne darüber schien, schimmerten sie so prächtig in allen Farben, Blau, Rot, Grün und Gelb, dass die Kinder stehen blieben und sie betrachteten.

      »Was steht ihr da und haltet Maulaffen feil!«, schrie der Zwerg ärgerlich und wollte sie weiter ausschelten, als er etwas brummen hörte. In dem Augenblick trabte ein Bär aus dem Wald. Erschrocken sprang der Zwerg auf und wollte fliehen, aber er konnte nicht mehr zu seinem Schlupfwinkel gelangen. Der Bär war schon zu nah. Da rief das Männchen in Herzensangst:

      »Lieber Herr Bär, verschont mich, und ich will Euch alle meine Schätze geben, alle Edelsteine, die da liegen! Was habt Ihr an mir armem, kleinen Kerl? Ihr spürt mich nicht zwischen den Zähnen. Aber die beiden Mädchen da, die geben einen zarten Bissen ab, fett wie junge Wachteln! Fresst sie lieber, in Gottes Namen!«

      Der Bär kümmerte sich nicht um seine Worte und gab dem boshaften Geschöpf einen einzigen Schlag mit der Tatze, und der Zwerg regte sich nicht mehr.

      Die Mädchen waren fortgesprungen, aber der Bär rief ihnen nach:

      »Schneeweißchen! Rosenrot! Fürchtet euch nicht, bleibt stehen und wartet, ich will mit euch gehen.«

      Sie erkannten die Stimme ihres alten Freundes und blieben stehen. Da kam er angelaufen, und als der Bär bei ihnen war, fiel die Bärenhaut von ihm ab, und ein prächtiger, ganz in Gold gekleideter Königssohn stand vor ihnen und erzählte, er sei verwunschen gewesen und erst durch den Tod des bösen Zwergs erlöst worden. Da war es allen eine große Freude, und die Herzen der Mädchen wurden von Heiterkeit und Glück erfüllt, so froh waren sie um die Rettung des Freundes.

      Der Prinz bat Schneeweißchen, die er in den Wintermonaten sehr liebgewonnen hatte, seine Frau zu werden. Schneeweißchen freute sich sehr und wurde nach einiger Zeit seine Gemahlin. Rosenrot wurde mit dem Bruder des Königs glücklich vermählt und war ebenso reich wie ihre Schwester, denn sie erhielt das Gold, die Perlen und all die Edelsteine, die der Zwerg in seiner Höhle zusammengetragen hatte. Und auch ihre alte Mutter lebte von nun an ganz glückselig bei ihnen.

      Die zwei Rosenbäumchen aber hatte sie mitgenommen. Sie standen vor ihrem Fenster und trugen jedes Jahr die schönsten Rosen, weiße und rote.

      

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      Jacob und Wilhelm Grimm

      Rumpelstilzchen

      Deutschland

      Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter. Sie lebten in einer kleinen Mühle nahe eines Baches, in dem das Wasser so rein war, dass man die Forellen darin mit bloßem Auge entdecken konnte. Schön war es dort, nur einsam, denn die Mühle lag ganz am Ende eines großen Reiches, an dessen Rand sich nur wenige Menschen verirrten.

      Aber eines Tages passierte der König selbst die kleine Mühle und entschloss sich, dort einzukehren. Da traf der alte Müller den König, und, um sich ein Ansehen zu geben, behauptete er: »Ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen.«

      Der König erwiderte: »Das ist eine Kunst, die mir wohl gefällt. Wenn deine Tochter so geschickt ist, wie du sagst, so bring sie morgen in mein Schloss, da will ich sie auf die Probe stellen.«

      Als nun das Mädchen zu ihm gebracht wurde, führte der König sie in eine Kammer, die ganz voll Stroh lag, gab ihr Spinnrad und Spule und sprach: »Jetzt mach dich an die Arbeit. Und wenn du bis morgen früh das Stroh nicht zu Gold gesponnen hast, musst du sterben.«

      Daraufhin schloss er die Kammer selbst zu, und die Müllerstochter blieb allein darin. Da saß das arme Mädchen nun und wusste um ihr Leben keinen Rat. Sie verstand gar nichts davon, wie man Stroh zu Gold spinnen konnte, und ihre Angst wurde immer größer, sodass sie alsbald zu weinen anfing. Da ging auf einmal die Tür auf, und ein kleines Männchen trat herein und sprach: »Guten Abend, Jungfer Müllerin. Warum weinst du so sehr?«

      »Ach«, antwortete das Mädchen, »ich soll Stroh zu Gold spinnen und kann es doch nicht.«

      Da fragte das Männchen: »Was gibst du mir, wenn ich dir’s spinne?«

      »Mein

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