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im nächsten Projekt nicht mehr zusammenarbeiten. Das Projekt selbst profitiert zudem leider nicht mehr von den neuen Erkenntnissen. In agilen Vorgehensweisen legt man daher sehr großen Wert darauf, sich regelmäßig zusammenzusetzen und eine Retrospektive durchzuführen.

      Wenn Sie die vier Werte und die zwölf Prinzipien des Agilen Manifests genauer betrachten, so erkennen Sie, dass hier keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse niedergeschrieben wurden. Vieles von dem, was Sie hier gesehen haben, ist gesunder Menschenverstand oder durch Beobachtung erfahrbar. Zudem gab es, wie von Takeuchi und Nonaka schon 1986 berichtet, sehr viele Teams und Unternehmen, die diese Werte lebten und den Prinzipien folgten. Trotzdem bekam dies alles durch den Zusammenschluss und der Unterzeichnung des Agilen Manifests noch einmal eine ganz neue Dynamik. Das Agile Manifest ist der Startschuss für eine große Veränderung der Arbeitsweisen geworden und das Wort „Agilität“ ist in die Managementetagen der Unternehmen eingezogen.

      Ein Blick in die agile Praxis: Kanban und ScrumScrum

      Das Agile Manifest schreibt nicht vor, wie die Werte und Prinzipien in der Praxis umgesetzt werden sollen. Schon vor der Entstehung des Agilen Manifests gab es eine Reihe von Rahmenwerken (Frameworks), die es erleichtern sollten, entsprechend ähnlicher Prinzipien und Werte den Arbeitsalltag zu gestalten. Diese Rahmenwerke haben den Vorteil, dass sie den Anwendern ziemlich klare Leitplanken und Werkzeuge an die Hand geben, die dafür sorgen, dass sie den Prinzipien entsprechend handeln.

      Die bekanntesten beiden Frameworks aus dem agilen Portfolio sind Kanban und Scrum. Von erfahreneren Anwendern werden auch gerne Kombinationen aus unterschiedlichen Rahmenwerken verwendet, wie zum Beispiel Scrum mit Elementen aus Kanban und dem Extreme Programming (xP).7

      Um die Grundgedanken und das Zusammenspiel verschiedener Elemente besser zu verstehen, sehen wir uns im Folgenden einmal die beiden populärsten Frameworks genauer an.

      Kanban

      Am Beispiel von KanbanKanban können Sie sehr schön erkennen, dass die Evolution agiler Frameworks und Methoden nicht erst mit dem Agilen Manifest als Startschuss erfolgt ist. Schon beim Toyota-Produktionssystem fand eine erste Form von Kanban statt. Und blickt man weiter in der Geschichte zurück, kann man sogar noch frühere Wurzeln finden.

      Das Wort Kanban stammt aus dem Japanischen und ist eine Zusammensetzung aus den beiden Worten „kan“, was so viel wie Signal bedeutet, und „ban“, was Karte heißt. Somit hieße Kanban wörtlich übersetzt Signalkarte. Laut einer Geschichte, die David Anderson, einer der modernen Vertreter des Kanban, erzählt (Anderson 2011), diente eine Signalkarte schon zu frühen Zeiten zur optimalen Auslastung eines Systems. Ein solches System stellte beispielsweise ein Garten dar, wo man mit Hilfe von Signalkarten sicherstellte, dass nur eine für den Garten passende Menge an Besuchern sich auch in diesem aufhielten. Die Torwächter ließen nur dann einen neuen Gast in den Garten, wenn ein anderer wieder hinausging und seine Signalkarte zurückgab.

      Das moderne Kanban hat mit den historischen Ansätzen zwar noch einige Elemente gemein, ist aber stärker angelehnt an das, was wir schon aus dem Lean-Umfeld kennengelernt haben. An dieser Stelle beziehe ich mich daher auf die Regeln und Prinzipien, des modernen Ansatzes, wie ihn Anderson beschreibt und verschiedene andere Praktiker ergänzt und weiterentwickelt haben.

      Kanban zeichnet sich dadurch aus, dass man nicht notwendigerweise einen neuen Arbeitsablauf oder neue Rollen einführen muss, um mit Kanban zu starten. Ein Team oder ein Unternehmen, das Kanban anwenden möchte, kann mit dem Arbeitsablauf und den Prozessen starten, die sie gerade praktizieren. Dies senkt die Hürde für den Einstieg.

      Zum erfolgreichen Arbeiten mit Kanban gilt es dann, sechs Praktiken in seinen Arbeitsalltag zu integrieren.

      1 Visualisierung des Arbeitsflusses: Die erste Praktik besteht darin, den Fluss der Arbeit zu visualisieren. Dies geschieht in aller Regel mit Hilfe eines sogenannten Kanban-Boards. Auf diesem Board kann man in verschiedenen Spalten die einzelnen Schritte der Wertschöpfungskette visualisieren. Einzelne Aufgaben werden auf Papierkarten geschrieben und von einer Spalte in die nächste gezogen, je nachdem in welchem Arbeitsschritt sie sich gerade befinden. Wie Sie sehen, muss hier erst einmal nichts angepasst werden, da lediglich die aktuelle Vorgehensweise abgebildet wird. Hierbei ist es wichtig, die richtige Granularität für die einzelnen Schritte im Wertstrom zu finden, so dass sich eine ausreichende Transparenz ergibt.Abb. 13:Ein exemplarisches Kanban-Board

      2 Begrenzung der angefangenen Arbeit im System: Die Arbeit, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt im System befindet, wird als Work-in-Progress (WIP) bezeichnet. Pro Arbeitsschritt, der auf dem Board als Spalte repräsentiert ist, legt man nun eine maximale Menge von Aufgaben fest, die gleichzeitig ausgeführt werden dürfen. Dies macht man mit einer entsprechenden Zahl an der Spalte des Boards sichtbar. Auf diese Weise entsteht ein WIP-Limit, was dazu führt, dass wenn die maximale Anzahl der erlaubten Aufgaben in einer Spalte erreicht ist, keine neue Arbeit in diesem Schritt angefangen werden darf. Hier zeigt sich das daraus entstehende Pull-Prinzip (Ziehen der Aufgaben). Die Aufgaben werden nicht einfach nach Fertigstellung in den nächsten Arbeitsschritt gedrückt (Push), sondern werden nur dann in den nachfolgenden Schritt gezogen, wenn die Kapazität es zulässt. Auf diese Weise sollen Flaschenhälse (englisch: Bottlenecks) aufgespürt werden.

      3 Messung und Steuerung des Flusses: Die nächste Praktik besteht darin, den Fluss zu messen und gezielt zu steuern. Dazu werden bestimmte Metriken erhoben, die es erlauben, Aussagen über die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems zu treffen.Eine dieser Größen ist die Cycle-Time. Darunter versteht man die Zeit, die gemessen wird von dem Moment an, wo die erste Arbeit an einer Anforderung durchgeführt wird, bis zum Abschluss dieser Aufgabe. In der Regel wird der Start der Arbeit durch einen Commitment-Punkt auf dem Kanban-Board bestimmt, der die Akzeptanz der Anforderung ausdrückt und eine Verpflichtung zur Umsetzung darstellt. Der Abschluss der Arbeit eines Teams wird durch einen Delivery-Punkt bestimmt, also dem letzten Arbeitsschritt, den ein Team selbst durchführt. Eventuell ist das noch nicht der finale Schritt, da noch andere Teams später im Prozess beteiligt sein könnten.MetrikBeschreibungMessungLead-TimeVorlaufzeit. Die Zeit, die eine Aufgabe von der Erstellung (Eintritt ins System) bis zur Erledigung (beispielsweise Lieferung an den Kunden) benötigt.Zeitpunkt der Fertigstellung – Zeitpunkt der AnforderungCycle-TimeZykluszeit. Die Zeit, die eine Aufgabe innerhalb eines bestimmten Arbeitsschrittes (oder eine Kombination von Arbeitsschritten) benötigt.Zeitpunkt der Fertigstellung des Arbeitsschritts – Zeitpunkt des Starts des ArbeitsschrittsDurchsatzAnzahl der Aufgaben pro Zeiteinheit (zum Beispiel abgeschlossene Aufgaben pro Tag)geschlossene Aufgaben pro Zeiteinheit (kann mit Lead- und Cycle-Time kombiniert werden)Work in Progress (WIP)Aufgaben in Bearbeitung.Anzahl der parallellaufenden Arbeiten in bestimmten Arbeitsschritten.Tab. 4:Wichtige Metriken in einem Kanban SystemEine weitere Metrik ist die sogenannte Lead-Time. Die Lead-Time misst die Zeit von dem Moment an, wenn die Anforderung im System erstellt wird bis zur Auslieferung. Die Lead-Time ist also das, was ein Kunde von außen sehen würde, von dem Moment, in dem er einen Wunsch geäußert hat, bis dass er ein Resultat zurückgeliefert bekommt.Auch der Durchsatz spielt eine wichtige Rolle. Der Durchsatz wird in der Regel errechnet als Quotient aus durchschnittlicher WIP und mittlere Cycle-Time (Little’s Law). Kennt man diese Kennzahlen, dann kann man im Folgenden anfangen Parameter zu variieren und so das Gesamtsystem zu optimieren.Wenn Sie sich die Metriken anschauen und den Zusammenhang mit dem Gesetz von Little vergegenwärtigen, dann lassen sich daraus einige interessante Schlussfolgerungen ziehen. In der Abbildung ist der Wertstrom als ein Kanal dargestellt. Sicher stimmen Sie zu, dass es ein sinnvolles Ziel ist, den Durchsatz zu erhöhen. Die mathematischen Zusammenhänge lassen nun zwei offensichtliche Optionen zu:Option eins besteht darin, einfach mehr Arbeit in den Kanal zu drücken. Damit würde bei gleichbleibender Durchlaufzeit der Durchsatz nach oben gehen. Sie werden aber zurecht sagen, dass das sicher keine gute Idee ist, da dies schnell zu Überlastung und in letzter Konsequenz zum Zusammenbruch führen wird.Die zweite Option besteht darin, die Durchlaufzeit zu reduzieren. In unserer Bild würde das erreicht, indem wir den Kanal verkürzen. Nun ist auch weniger Platz für Work in Progress. Die Reduzierung von Arbeit führt also automatisch zu kürzeren Durchlaufzeiten und somit zu einem höheren Durchsatz.

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