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»Das Ding ist uns entglitten.«

      Eine andere Studie, für die 5000 Unternehmensvorstände aus 60 Ländern befragt wurden, zeigte auf, dass Firmen mit einem ausgewogenen Verhältnis von Männern und Frauen innovativer waren.

      Die Gesellschaften entwickeln sich weiter, und die alten Denktraditionen stoßen heute immer mehr auf Kritik. Auch in der Umwelt- und Klimabewegung oder in der Demokratiebewegung in Belarus spielen Frauen eine immer wichtigere Rolle. Diese Bewegungen reagieren nicht »überemotional«, sondern so emotional wie rational, also intelligent.

      Rebecca Fleischmann und Judith Pape: »Emotionales Verständnis ist keine Schwäche, sondern ein Fortschritt, den wir verteidigen sollten, wenn im öffentlichen Diskurs Klimagefühle diskreditiert und im selben Atemzug eine zerstörerische Politik als ›vernünftig‹ dargestellt wird.«

      6. »Unser Haus brennt«

      2020 stand unser Haus tatsächlich in Flammen. In Australien brannten monatelang riesige Waldflächen und zerstörten mindestens 70 einheimische Tierarten. Im selben Jahr brannte die halbe Welt. Die sibirische Stadt Werchojansk war bisher für ihren Kälte-Weltrekord von minus 76 Grad bekannt. Am 20. Juni 2020 wurde dort, nördlich des Polarkreises, eine ganz andere Rekordtemperatur gemessen: plus 38 Grad, 18 Grad über den jahreszeitlichen Mittelwerten.

      Auf dem virtuellen Weltwirtschaftsforum 2021 in Davos hieß das Motto »It’s the climate«. Klimaerhitzung und Umweltschäden seien die größten Gefahren für die Wirtschaft der Zukunft. Beim Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Pandemie müsse der Klimaschutz zwingend berücksichtigt werden. Das letzte Jahrzehnt war das heißeste seit 1880. Seit 1980 werde jedes Jahrzehnt wärmer, ermittelte die Weltmeteorologiebehörde WMO. In den letzten 150 Jahren sei es global bereits um 1,2 Grad wärmer geworden. Schon in wenigen Jahren, vielleicht sogar schon 2024, könnte die globale Temperatur nahe am Paris-Ziel von 1,5 Grad angelangt sein.

      Alle Umfragen zur Umwelt, aber auch die praktizierte Willkommenskultur gegenüber einer Million Flüchtlingen im Jahr 2015 zeigen, dass die Zivilgesellschaft offener, flexibler, hilfsbereiter und zukunftsfähiger ist als die Institutionen, welche diese Gesellschaft abbilden sollen. Sie ist oft viel weiter als die Agrarlobby, die Autolobby, die Kohlelobby oder die Autobahnlobby und oft auch weiter als die Politik. Deshalb besteht gerade jetzt die Chance, dass der Kampf gegen die Klimaerhitzung aus den Lektionen der Corona-Krise Energie bezieht für eine gerechtere und ökologischere Welt. Der Green New Deal der Europäischen Union könnte hierfür ein Anfang sein. Daraus können sich ungewöhnliche Allianzen ergeben für eine wirkliche Transformation. Eine bessere Welt ist möglich.

      Während ich dieses Buch schrieb, wurde ich von einem US-amerikanischen Magazin gefragt, was Eltern tun können, um ihre Kinder bei der »Fridays for Future«-Bewegung zu unterstützen. Meine Antwort:

      »Erstens: Eltern sollten zusammen mit ihren Kindern auf die Straße gehen und für eine effizientere Klimaschutzpolitik ihrer Regierung demonstrieren.

      Zweitens: Eltern und Kinder sollten gemeinsam überlegen, wie viel Energie sie in ihrer Wohnung einsparen können.

      Drittens: Eltern und Kinder sollten gemeinsam versuchen, möglichst viel Energie über Sonne und Wind selbst zu erzeugen oder Ökostrom zu beziehen.

      Viertens: Gemeinsam sollen sie überlegen: Brauchen wir wirklich ein großes Auto, oder steigen wir auf ein kleineres Elektro-Auto um? Können wir für das E-Auto den Strom selbst produzieren? Und …

      Fünftens: Wir sollten unser Essen auf gesunde biologische Nahrung umstellen.«

      Unter meinen Leserinnen und Lesern wird es kaum jemanden geben, der diese Vorschläge, zumindest teilweise, nicht umsetzen könnte. Wir haben so viel selbst in der Hand.

      Die nächste Frage lautete: Was kann ein Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit tun? Und meine Antwort:

      »Erstens: Den Papierverbrauch reduzieren.

      Zweitens: Wasserverbrauch und Energieverbrauch minimieren.

      Drittens: Weniger Dienstreisen und mehr Video-Konferenzen.

      Viertens: E-Autos statt Benziner.

      Fünftens: Mehr Arbeit im Homeoffice.«

      Niemand hindert Sie daran, liebe Leserin und lieber Leser, für diese Vorschläge in Ihrem Betrieb zu werben.

      2021 ist ein gutes Jahr, um für das 21. Jahrhundert damit zu beginnen. Aus den Erfahrungen in und mit der Corona-Krise können wir Energie und Inspirationen für die gegenwärtigen Krisen gewinnen. Die Dynamik der Marktkräfte kann auch das Positive, wie die erneuerbaren Energien, exponentiell wachsen lassen, wenn die Politik dafür die richtigen Rahmenbedingungen schafft, zum Beispiel eine allmählich ansteigende CO2-Steuer.

      Trotzdem: Die katastrophalen Auswirkungen der Massentierhaltung sind uns längst bekannt, aber handeln wir bei unseren Einkäufen danach? Die Welt zu retten, fängt auf dem Teller an. Doch die Mehrheit von uns konsumiert noch immer nach dem Motto »Hauptsache billig«. Dabei ist nichts so teuer wie billiges Essen. Jahr für Jahr müssen wir Deutschen 75 Milliarden Euro für Gesundheitskosten aufbringen wegen des billigen, aber ungesunden Essens. Alle Mediziner sind sich einig: Wir essen zu viel Fleisch. Mit weniger oder keinem Fleisch »schenken wir uns selbst Gesundheit, Tieren das Leben und der Welt Frieden, weil wir damit Hungernden nichts mehr wegessen und der Umwelt eine Verschnaufpause gewähren« (Rüdiger Dahlke).

      Der erste Schritt zur Rettung ist die Erkenntnis, dass die Klimakrise letztlich eine Menschenkrise ist. Deshalb ist der Klimawandel in uns die Voraussetzung für den Klimawandel um uns. Wir leben im Zeitalter der Mensch-Natur-Krise. Deshalb die Klimaerhitzung, deshalb das Artensterben, deshalb die Corona-Krise!

      99 Prozent der Wissenschaftler geben uns noch 15 Jahre Gnadenfrist, 15 Jahre für eine mögliche Umkehr. Ökologisches Leid entsteht überall auf der Erde, es nimmt Jahr für Jahr zu und trifft alle Lebewesen. Die ganz große Frage ist: Schaffen wir die Umkehr im Sinne von Konfuzius durch Nachdenken, durch Nachahmen und durch Erfahrung? Der bekannteste deutsche Klimaforscher, Hans Joachim Schellnhuber, hat das Buch »Selbst-Verbrennung – Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff« publiziert. Tatsächlich benehmen wir uns wie Pyromanen, denn wir verbrennen heute an einem Tag so viel Kohle, Gas und Erdöl, wie die Natur in einer Million Tagen angesammelt hat. Damit verbrennen wir die Zukunft unserer Kinder, Enkel und Urenkel. Tatsächlich ist die Klimakrise eine Menschenkrise. Nicht das Klima ist das Problem, sondern der von Menschen gemachte Klimawandel.

      Das schwierigste politische Problem ist, dass die Klimaschmutz-Lobby (Autoproduzenten, Agrarverbände, Energiekonzerne) noch immer stärker ist als die Klimaschutz-Lobby (Umweltverbände wie Greenpeace oder BUND, die Vertreter der erneuerbaren Energien und Energiegenossenschaften). Während der Legislaturperiode 2013 bis 2017 hatten in Berlin die Vertreter der Klimaschmutzverbände 43 Termine im Kanzleramt und im Wirtschaftsministerium, die Vertreter der Klimaschutzverbände vier Termine. Verhältnis zehn zu eins! Alles klar?

      UNO-Generalsekretär Guterres sagte im Dezember 2020 an der Columbia-Universität in New York drastisch: »Die Menschheit führt einen Krieg gegen die Natur. Lassen Sie uns klar sagen: Menschliche Aktivitäten sind die Wurzel unseres Abstiegs ins Chaos … Unser Planet ist kaputt. Die neue Realität sind apokalyptische Feuer und Überschwemmungen.« Die Corona-Krise biete aber auch eine Chance: »Die Corona-Erholung und die Reparatur des Planeten können zwei Seiten derselben Medaille sein.« In diesem Sinne könne Corona »eine Generalprobe für die Welt der kommenden Herausforderungen« sein. Könne! Beides ist möglich: Wir können den Gestaltungsraum nutzen oder ihn auch verschlafen. (Eine solche Weckruf-Rede war zuvor – außer vielleicht von Greta Thunberg – vor der UNO noch nie gehalten worden. Leider hat sie auch in den deutschen Medien eine viel zu geringe Beachtung gefunden. Deshalb ist sie im Anhang dieses Buches komplett abgedruckt, s. S. 272 ff.)

      Seit 20 Jahren warnen die Generalsekretäre der UNO, »jetzt« sei endlich Zeit zu handeln beim Klimaschutz. Die Staaten sollten endlich »den Klimanotstand ausrufen«, mahnte Guterres. Seine Rede klang wie die Worte eines Verzweifelten. Der Klimanotstand ist schon längst da. »Ob man ihn so nennt

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