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GIS steht für ›Geo-Informationssystem‹. Ein Viewer ist aber eigentlich keine echtes GIS …«

      »Da kam so ein Schreiben von der Landwirtschaftskammer oder sogar vom Ministerium, weiß ich nicht mehr genau. Die haben Infomaterial über die neue Regelung der Ausgleichzahlungen geschickt. GIS-Flächenskizzen-Beteiligungsverfahren, ja, so nannten sie das.«

      »Ich weiß, habe ich gelesen. Gar nicht so dumm. Zukünftig müsst ihr eure Daten digital an die Kammern oder Ämter für Agrarordnung, oder wie die heißen, schicken und die berechnen die Höhe der Zahlungen. Dabei greifen sie auf hochgenaue Flächengrößen zurück, die du liefern musst. Allerdings gibt es Kontrollen, die per GPS durchgeführt werden, also mogeln geht nicht mehr.«

      »Genau. Mit Abschreiten nichts mehr, ich meine, mit unterschiedlichen Schrittweiten, und …«

      »Nee, GPS ist supergenau«, diesmal unterbrach ihn Wiard, »darauf basieren die meisten sogenannten Navigationsdienste weltweit, auch im Auto. ›Precision Farming‹ basiert auch auf satellitengestützter Positionierung. Hast du doch sicher schon gehört, oder?«

      »Gehört schon, aber viel weiß ich noch nicht darüber, passgenaue Düngung und so was …« August sah Wiard etwas unsicher an und dachte: »Wieso weiß er das nun wieder alles?«

      »Ja, genau, Düngung so, dass auf jeden Quadratmeter genau die richtige Menge kommt, nicht Gießkanne, man immer drup damit, sondern schön unter Berücksichtigung auch kleinster räumlicher Variationen.« August sah Wiard an, ohne dass man hätte erkennen können, ob er ihm folgen konnte. Kleinste räumliche Variationen? Na, er mag wohl recht haben …, dachte er sich.

      »Frag mich ruhig immer«, sagte Wiard jetzt, »ich berechne deine Flächengrößen mit dem GIS, mache alles etwas größer, und das Geld, das dir nicht zusteht, überweist du dann mir.«

      »Ach …«, August starrte etwas abwesend auf den Bildschirm. Er war hier doch nicht auf Weiterbildung.

      »Also«, sagte Wiard, »nun mal wieder ernst. Ich will dir etwas zeigen. Ein GIS arbeitet mit Geodaten, Informationen, die man mit einem Standort verbinden kann. Zum Beispiel deine Hofgebäude, deine Ackerschläge. Nehmen wir mal einen deiner Ackerschläge, den du immer ›Am Schlafdeich‹ nennst. Jede Ecke des Schlages kann man mit Koordinaten beschreiben, also zum Beispiel Länge und Breite, du erinnerst dich dunkel an die Schulzeit? Mit einem GPS-Empfänger kann jeder den Ackerschlag sofort finden, selbst wenn er noch nie in der Gegend war. Alles, was sich auf der Erdoberfläche befindet, hat einen Standort, den ich mit Koordinaten angeben und also prima auf einer Karte anzeigen kann. Jedes Objekt ist individuell, aber nur durch die genaue Ortsangabe mittels seiner Koordinaten. Es gibt sicher noch mehr Schläge, die ›Am Schlafdeich‹, oder so ähnlich heißen. Da kommt es schnell zu Verwechslungen. Nicht aber, wenn’s eindeutig verstandortet ist. Ist ja logisch.«

      August mochte Wiards Ausdruck ›ist ja logisch‹ nicht besonders. Wiards gebrauchte ihn oft, wenn er in seinem Element war und anderen Neues erklärte. Und wenn man etwas nicht gleich verstand, erschien es, als sei man ein wenig beschränkt, denn wenn etwas ›einfach logisch‹ war, war es ja kaum möglich, es nicht zu begreifen.

      »Schau mal, hier ist zum Beispiel eine Karte des Landkreises«, fuhr Wiard fort, klickte auf ein Icon, das neben einer gezackten Linie die Abkürzung ›TK25‹ enthielt, und es erschien eine Karte.

      »Das ist eine einfache topografische Karte, deshalb TK, im Maßstab 1 : 25000. Eine amtliche Karte, das heißt eine, die von den Landesvermessungsämtern abgesegnet ist und für weitere Karten als Grundlage dienen kann.«

      »Interessant«, sagte August nur, für Karten hatte er sich nie sonderlich interessiert, wusste aber, dass es ohne sie nicht ging, bei Anträgen an die Kammer schon gar nicht. Henrike hatte ihm einmal ein Buch mit alten Karten und Stichen geschenkt, in dem er vor allem die Entwicklung der Küstenlinie im Bereich des Polders nachvollziehen konnte, was er durchaus interessant fand. Aber wann kam man schon mal dazu, sich in Ruhe mit einem solchen Buch in die Ecke zu setzen (ein Pils oder ein Glas Wein daneben)?

      »So. Mit dem Viewer kann ich weitere Karten anzeigen, die sich thematisch voneinander unterscheiden. Voraussetzung ist nur, dass sie die gleichen Koordinaten haben, also die Eckkoordinaten übereinstimmen, dann passen sie genau aufeinander. Man sagt, sie sind georeferenziert«, Wiard war nun ganz in seinem Element.

      »Sag mal, wird das hier ein ganzer Einführungskurs, oder was?«, ärgerte sich August und wollte gerade fortsetzen, dass er auch anderes zu tun habe.

      »Nein, keine Angst, August. Entschuldige, wenn ich zu viel rede, du kennst mich ja, wenn ich von etwas begeistert bin … und GIS und GPS sind nun einmal begeisternde Technologien …«, Wiard machte eine kurze Pause, »ich will dir etwas ganz Bestimmtes zeigen, über das andere können wir gerne mal reden – wie gesagt, du wirst das demnächst sowieso brauchen. Und wenn du nicht nur die Abrechnungsgeschichten, sondern auch andere Dinge mit einem GIS machst, kann dir das eine Menge erleichtern, und vor allem kriegst du ein ganz neues Bild deines Hofes, deines Landes, deiner Äcker. Aber das heben wir mal für später auf. Jetzt zu dem, was im Moment wichtig ist. Schau mal hier.« Wiard klickte erneut, und diesmal erschien eine Karte, die einen deutlich größeren Maßstab aufwies. August brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass es sich hier um den Westteil des Polders handelte.

      »Mein Hof«, rief er fast wie ein Kind aus, das auf einem Foto sich selbst entdeckt.

      »So ist es«, stimmte Wiard kurz zu, »und hier ist der Deich, der alte Verlauf, und der neue. Warte mal.« Wiard änderte über einen ›Legend Editor‹ einige Strichstärken und Farben. Nun erschien die Karte des Polders neu, und die Linien des Deiches – alter und neuer Verlauf – wurden wesentlich dicker, einmal in Grün und einmal in Rot dargestellt.

      »Jetzt kannst du den Deichverlauf genau sehen«, erläuterte Wiard. »Rot ist der neue Deich, und hier ist die Ostkrümmung, na, das brauche ich dir nicht erklären, du kennst dich ja aus. Aber jetzt musst du genau aufpassen, ich rufe jetzt noch ein neues Layer auf …« Doch August unterbrach ihn:

      »Ein was?«

      »Ein Layer, ach so, na, das ist jetzt egal, erkläre ich dir später. Pass einfach mal auf«, wehrte Wiard die Frage ab.

      »Jawohl, Herr Lehrer.«

      »Komm, sei nicht so. Es geht etwas schnell, aber ich will dir eines noch zeigen, bevor du los gehst.«

      »Na, denn man los.«

      Wiard rief besagtes Layer auf, und über die rot und grün eingefärbten Deichlinien legte sich eine Art Skizze, auf der u. a. Handnotizen zu lesen waren. Außerdem einige ebenso per Hand gemalte Linien. Die Notizen und Linien befanden sich offenbar auch auf einer topografischen Karte. Die beiden Karten, die zuerst aufgerufene und die darübergelegte, passten zwar recht gut übereinander, die Linien wiesen jedoch Abweichungen auf. Die Notizen waren über per Hand gezeichnete Pfeile mit diesen Linien verbunden. ›Schadstelle 1a−c‹, ›Schadstelle 2b‹ und ähnliche Notizen las August.

      »Was bedeutet das?«, fragte er. Wiard hatte bislang geschwiegen, um August Zeit zu geben, sich das Ganze anzusehen.

      »Das habe ich von jemandem bekommen, dessen Namen ich im Moment nicht nennen will. Ein paar Umwege, dauert zu lange, es jetzt zu erklären. Jedenfalls ist es nichts weiter als eine Handskizze, gemalt auf einer topografischen Karte, in einem recht großen Maßstab natürlich, nicht wie eben, 1 : 25.000. Die Handeintragungen zeigen Schadstellen am Deich, um es kurz zu machen. Erfasst, wie du siehst, im Juli und August letzten Jahres. Die Handskizze ist schlicht gescannt worden, und den Scan habe ich als JPEG hier eingeladen, aber transparent dargestellt, damit man die Karte darunter auch noch sehen kann«, Wiard machte eine Pause.

      »Aha«, sagte August nur, bislang verstand er nicht so recht, worauf Wiard hinauswollte. Während die vorab gezeigten Karten recht übersichtlich und seriös ausgesehen hatten (es waren ja auch amtliche), erschien ihm dieses JPEG störend. Was JPEG bedeutete, war ihm schon völlig unklar, er kannte diese Situationen aber. Freerk bombardierte ihn manchmal auch mit einer Reihe ihm nicht bekannter Begriffe oder gab in einer für August wenig nachvollziehbaren Sprache

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