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wird heute gesichert wie einst die Mauer, da geht schon nix kaputt.«

      »Aber diese Gerüchte gehen herum im Polder, dem Baukonsortium sei damals das Wasser bis zum Hals gestanden, die mussten schnell fertig werden, und eben vielleicht zu schnell, da fehlt es am Ende an Qualität.«

      »Das sind Gerüchte, du hast es selbst gesagt, August. Du solltest nicht so viel darauf geben. Wir sind nicht beim ›Schimmelreiter‹ im Hauke-Haien-Koog, wo es darum ging, über Deichstabilität zu sprechen, weil man keine Ahnung hatte, wie man einen Deich baut. Aber ich verstehe deine Sorgen. Wie gesagt, es hat Unregelmäßigkeiten gegeben«, offenbar wurde Schorsch Redenius nach Bier und Corvit nun doch etwas redseliger, und er hatte noch einen dritten Korn bestellt, »aber ich weiß auch, dass alle Stellen, bei denen was zu beanstanden war, ordnungsgemäß erneuert wurden, oder was heißt erneuert, sie wurden eben nachgebessert.«

      »Alle Stellen? Ich dachte, es wäre nur eine. Auch die Ostkrümmung?« August hatte entschieden, mit der Tür ins Haus zu fallen, drum herumreden und sich langsam dem Ziel nähern, das war nicht seine Stärke.

      »Die Ostkrümmung? Ja, die Ostkrümmung …«, Schorsch zögerte, sein Gesicht ergraute plötzlich. »Ja, sicher, klar, auch die. Ach, da war nicht viel. Also, ich war nicht oft dort und kann das nicht so gut beurteilen. Mein Chef erzählte davon. Das wurde nachgebessert, soweit ich weiß. Genaues ist mir zur Ostkrümmung aber nicht bekannt. Man kann sich nicht um jede Einzelheit kümmern, wir hatten schließlich die amtliche Aufsicht über das Gesamtwerk. Leute, ich habe keine Lust mehr, darüber zu reden. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, verdammt noch mal.« Tatsächlich verfinsterte sich Georgs Miene für einen Moment.

      »Ja, sicher, das Gesamtwerk«, bemerkte August noch. »O. k., lasst uns nicht mehr über den Deich sprechen. Er soll wohl halten.«

      »Sicher tut er das«, bemerkte Redenius und bestellte drei Bier. August indes strich mit Genuss einen Stich ein, zwei Asse, geholt mit dem Karo-Bauern. Gestochen, ha, machte 24 Punkte. Damit hatten die anderen nicht gerechnet, er hatte nur zwei Farben auf der Hand. Jetzt hatte er den Sieg so gut wie in der Tasche, war sich aber von vorneherein schon recht sicher gewesen. Das war nicht immer so.

      Am Samstag war August mit Wiard verabredet, um ihm von dem Abend mit Peter Kümmel und dessen Schwager zu erzählen. Er hatte sich auch vorgenommen, Wiard von dem Schuss in den Reifen zu erzählen – und mit ihm zusammen die Polizei zu alarmieren. Die musste nun informiert werden, davon war er überzeugt. Sollten die den nächtlichen Unbekannten jagen und festsetzen – wozu war die Polizei schließlich da?

      Vor allem anderen musste August jedoch die Entmistung reparieren. Sie war heute Morgen ausgefallen, weil irgendeines der Kinder ein etwa ein Meter langes Brett in die Anlage geworfen hatte, das mitgeschleift worden war, sich verhakt und zum Bruch eines Bolzens geführt hatte. Eine Brücke hätten sie gebaut, über eine 1.000 Meter tiefe Schlucht, in der ein Ungeheuer hauste. (Das war der Mitnehmer, der den Mist abtransportierte.) August hatte vor Wut gekocht, zumal keines der Kinder ihn informiert hatte und alle erst einmal behaupteten, es nicht gewesen zu sein.

      »Nee, das war wieder mal der dicke Bär«, hatte August wütend gerufen und war schnaubend davongestapft, um sich erst einmal zu beruhigen. Nun musste er den Bolzen dringend ersetzen, denn es war erstaunlich, in welch kurzer Zeit seine Kühe allerhand Mist produzierten. Angenehm überrascht war er, als er noch einen entsprechenden Bolzen in seiner Werkstatt fand und nicht extra in die Stadt fahren musste, um einen neuen zu kaufen. Beim Auswechseln jedoch kehrte sein Groll zurück:

      »Düfel, Düfel, Dönnerschlag. Und die Kinnings vergnügen sich wer weiß wo, kein Schwein schert sich um die kaputte Entmistung …«, doch August fluchte nur für sich. Niemand hörte ihn.

      Nachmittags machte er sich gegen 15 Uhr auf den Weg zu Wiard. Er fuhr mit dem Trecker, da er glaubte, es würde seltsam aussehen, wenn er mitten unter der Woche und mitten am Tag einfach so durch das Dorf spazieren würde – er sah schon bestimmte Leute hinter den Gardinen:

      »Het de vandaag nix to dohn?«

      Oder hörte Malte Kröger mit den Worten: »Na, Landwirte haben aber auch oft Urlaub pur, was?«

      Das sagte er vor allem dann gerne, wenn die Zeiten kamen, in denen es wegen Wind und Wetter im Herbst und Winter tatsächlich nicht mehr so viel draußen zu tun gab. August hatte es aufgegeben, sich zu verteidigen, er ließ diese Sprüche einfach durchrauschen, links rein, rechts raus. Dennoch entschied er, jetzt mit dem Trecker zu fahren: Mit dem Trecker unterwegs – das sah immer nach Arbeit aus.

      Wiard öffnete gleich nach dem ersten Klopfen mit dem schweren, eisernen Ring nebst Löwenkopf, den er nach dem Brand des Hofes von Eilert Onken hatte mitgehen lassen. Eilert hatte das später entdeckt, glaubte sich Wiard aber zu Dank verpflichtet, obwohl er sich nicht hundertprozentig sicher war, ob Wiard tatsächlich etwas über die Brandstiftung wusste, geschweige denn, ob er es beweisen konnte. Aber Eilert Onken wollte die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich in Vergessenheit geraten lassen, daher war ihm der Türklopfer an Wiards Hauseingang durchaus recht.

      »Moin, Wiard«, grüßte August, als Wiard ihm Platz machte, einzutreten.

      »Moin, schön, dass du kommst, ich habe etwas Neues zu berichten.«

      »Ich auch, wenigstens ein bisschen«, schränkte August gleich ein, um nicht schon zu viel zu verraten.

      »Tee?«, bot Wiard an.

      »Wenn du gerade einen fertig hast, sonst mach dir aber keine Umstände«, bat August.

      »Nee, ich habe keinen fertig – aber ich mag auch eine Tasse, hast du etwas Zeit?«

      »Na, ’ne halbe Stunde, ich bin extra mit dem Trecker gekommen, weil …« August war froh, dass Wiard ihn unterbrach:

      »Egal, ich weiß ja, ihr Landwirte habt auch alle einen 24-Stunden-Tag. Wie alle fleißigen Deutschen, jedenfalls die, die Arbeit haben.« Wiard entschwand in die Küche und setzte den Wasserkessel auf.

      »Mann, der glänzt aber«, meinte August, der ihm gefolgt war.

      »Habe ihn gestern beim ›Tatort‹ blitzblank geputzt. Ich habe fast die Auflösung des Mordes verpasst, als ich einen neuen Lappen holen musste«, Wiard lachte.

      »War er gut?«

      »Wer?«

      »Der ›Tatort‹.« August musste über Wiards verblüfftes Gesicht lachen.

      »Ach, der ›Tatort‹, ja, war gut, war einer von diesen älteren, mit Manfred Krug und dem – na, wie heißt er noch – jedenfalls die, die immer am Ende zusammen singen. Spielt auf einer Insel, das ist natürlich eine tolle Atmosphäre. ›Tod auf Scharhörn‹, ja, so hieß der Titel. Gut gemacht. Und spannend. Manfred Krug ist vielleicht nicht der schönste Kommissar, aber der beste. Nee, die schönste Kommissarin ist ja wohl Charlotte Lindholm, ganz klar«, meinte Wiard etwas geistesabwesend.

      »Ja, machst wohl recht haben«, sagte August und ergänzte unvermittelt: »Brockmüller.«

      »Wie, Brockmüller?«

      »Brockmüller heißt der andere, der mit Stöver singt.«

      »Richtig, genau, Brockmüller.« Eine kleine Pause entstand.

      »Wir können auch ins Wohnzimmer gehen«, Wiard zeigte in die genannte Richtung, aber August winkte ab.

      »Du, deine Küche ist so gemütlich, lass man gut sein. Dein Wohnzimmer ist mir auch zu gefährlich«, fügte er etwas sarkastisch hinzu.

      Wiards Küche war klein, alle Möbelstücke und Küchengeräte waren bunt zusammengewürfelt, und da Wiards Aktivitäten vielfältig waren und er ständig irgendwelche Bücher, Zeitschriften oder Unterlagen las, lagen diese ebenso bunt verstreut herum. Dazwischen waren viele Erinnerungsstücke von seinen Reisen untergebracht, die er in der Vergangenheit gemacht hatte, und das alles, zusammen mit dem jetzt durch die zwei kleinen Fenster hereinfallenden Sonnenlicht, machte die Küche tatsächlich urgemütlich, obwohl sie mancher

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