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Ingmar Harder zu. »Hab mein Mittagessen ausfallen lassen. Und glaube mir, ich werde alles versuchen! Ich ruf aber wegen der anderen Sache an. Doktor Franck hat einen Blick auf die Tote aus Fehmarn geworfen. Sie hat leichte Hämatome am Oberkörper. Er kann nicht ausschließen, dass sie unter Wasser gehalten wurde. Er ist der Meinung, wir sollten sie obduzieren lassen. Wisst ihr endlich, wer sie ist?«

      Stefan war einen Moment lang sprachlos. Hätte er da wirklich was übersehen, wenn Sophie nicht so penetrant gewesen wäre?

      »Stefan?«

      »Ja, ich bin noch da. Ihr Name ist wahrscheinlich Sarah Müller. Einer der Surflehrer glaubt, die Leiche auf der Trage erkannt zu haben. Offiziell ist das aber noch nicht. Wann ist die Obduktion?«

      »Franck macht das gleich morgen früh. Fährst du selbst hin?«

      Stefan hatte Mühe, sich zu konzentrieren. »Was? Ja! Ja, ich werde mir das selbst antun. Schölzel ist nach der Babyleiche von der Rolle.«

      »Verständlich! Wir telefonieren!«

      Stefan legte den Hörer langsam auf die Gabel. Was hatte das zu bedeuten? War die Frau doch ertränkt worden? Hatten sie es tatsächlich mit einem Mord zu tun?

      Sophie saß an dem kleinen Strand und beobachtete die Kiter. Sie überboten sich gegenseitig mit immer waghalsigeren Sprüngen. Ihr wurde fast ein bisschen mulmig, wenn sie daran dachte, dass sie es morgen selbst mal ausprobieren würde. Pelle spielte im Wasser. Ihr großer tollpatschiger Hund wollte sogar tauchen. Sie ließ sich auf den Rücken fallen und sah in den fast wolkenlosen Himmel. Wenn sie die Augen schloss, fühlte sie sich fast, als sei sie auf Phuket oder den Seychellen. Nur, dass Felix nicht neben ihr lag. Felix! Vor zweieinhalb Jahren war sie auf dieser Fernsehpreisverleihung gewesen, um über die Stars und Sternchen, Abendroben und Flirts zu berichten. An dem Abend hatte alles angefangen. Es war ihre erste große Story für die ›Stars & Style‹ gewesen und sie war so aufgeregt gewesen, als ob sie zu den Nominierten gehören würde. Fünf Schauspielerinnen hatten ihr bereits ein kurzes Interview gegeben und Rick hatte die Fotos der Damen in ihren Roben im Kasten. Als die eigentliche Preisverleihung lief, hatte sie Pause. Vor der After Show Party musste sie noch die Gewinner interviewen. Alles lief bestens und sie hatte sich ein Gläschen verdient. Der Barkeeper hatte ihr einen Champagner gereicht und sie hatte sich schwungvoll umgedreht. Dabei war es passiert. Sie war mit Felix van Hagen zusammengestoßen und der Inhalt ihres Glases hatte sich über seinen Smoking verteilt. »Hoppla!«, hatte Felix gelacht. »Da bin ich aber froh, dass Sie keinen Rotwein bestellt haben.« Felix hatte zwei neue Drinks geordert. »Zum Wohl, und der hier wird getrunken!«, hatte er geschäkert und ihren Namen wissen wollen. Ein paar Tage später hatten traumhafte weiße Rosen auf ihrem Schreibtisch in der Redaktion gestanden. Irritiert hatte sie die Karte gelesen: Meine Rechnung für die Reinigung. Sie müssen mit mir essen gehen, um 22 Uhr im ›Doc Cheng‹. Schon damals hatte sie gewusst, dass sie in Schwierigkeiten geraten würde, wenn sie die Einladung annehmen würde. Doch sie konnte nicht anders. Seit der Preisverleihung musste sie ständig an ihn denken. Sogar seine furchtbare Samstagabendshow hatte sie sich im Fernsehen angesehen. Was solls, hatte sie sich gesagt, es ist doch nur ein Essen. Der Abend war traumhaft. Felix hatte sie später gefragt, ob sie noch auf einen Schlummertrunk mit in seine Suite kommen wolle. Natürlich hätte sie nein sagen müssen. Sie würde ihren Ruf ruinieren und außerdem war Felix van Hagen ein verheirateter Mann. Doch als er ihr tief in die Augen gesehen hatte, war sie wie hypnotisiert. Als Felix die Tür der Suite geschlossen hatte, war es, als habe er die ganze Welt ausgesperrt. Sie waren allein und nichts und niemand zählte mehr. Schluss damit! Diese Bilder gehörten zu einem anderen Leben. Entschlossen setzte Sophie sich auf und sah sich um. Pelle stürmte zu ihr. »Igitt! Aus! Du bist ja klatschnass und voller Sand. Jetzt guck mal, wie ich aussehe! Wie ein Wiener Schnitzel!« Sophie sah auf die Bucht. Die drei jagten noch immer über die Wellen. Ihre Sprünge wurden noch waghalsiger. Der rote Schirm gehörte diesem Ben. Er schien der Wildeste zu sein. Ein paarmal flog er kopfüber meterhoch über das Wasser. Das war wirklich ein rasanter Sport. Sophie merkte, dass sie sich auf den morgigen Tag freute. Ihr war klar, dass diese Verrückten jahrelang trainiert hatten, um so eins zu sein mit den Kräften der Natur, doch das war ihr egal. Sie wollte ja kein Profi werden. Allein den Kite in der Luft zu halten und an der frischen Luft ihre Kräfte zu messen, war genau die Therapie, die sie brauchte, eine Art Powerablenkung. Und dann gab es ja noch etwas, um das sie sich zu kümmern hatte. Das Geheimnis der Toten vom Strand.

      Ben landete seinen Schirm sanft am Strand und ging schnell an Land, um ihn mit Sand zu beschweren, damit er vom Wind nicht fortgerissen werden konnte. Die Blondine war immer noch da, wunderte er sich. Olli und Clara waren jetzt ebenfalls dabei, ihre Kites zu fixieren.

      »Was hab ich euch gesagt?«, fragte Clara grinsend. »War doch ne gute Idee aufs Wasser zu gehen, oder? Ihr solltet der armen Sarah für den freien Tag dankbar sein!«

      Ben sah sie wütend an. »Es reicht!«, zischte er böse.

      Clara zog sich eine Sweatshirtjacke über und fröstelte. »Habs nicht so gemeint! Ich halt jetzt meine Klappe.«

      Er sah Clara tief in die Augen. Seine Lippen formten einen stummen Satz. »Ich warne dich!«

      Clara hatte ihn verstanden. Jedes Fünkchen Sarkasmus wich aus ihrem Gesicht. Sie packte ihren Kram zusammen und ging, ohne sich zu verabschieden. Clara würde Olli nicht auch noch wehtun. Darauf konnte er sich verlassen.

      »Sie hat tatsächlich nichts mehr gesagt«, stellte Olli verwundert fest. »Bist du soweit?«

      Ben nickte. Zusammen brachten sie ihre Ausrüstung zurück in die Schuppen. »Noch ein Bierchen am Strand?«

      Olli schüttelte den Kopf. »Ich hatte wirklich genug! Ich hau mich hin, guck noch ein bisschen Fernsehen oder so. Ich … ich muss ein bisschen allein sein. Wir sehen uns morgen.«

      Ben nickte und öffnete den Kühlschrank. Dann würde er sich eben allein noch ein Bier gönnen. Plötzlich hatte er eine Idee. Er griff ein zweites Bier und ging an den Strand. Der braune Labrador kaute an einem Stück angeschwemmtem Holz. Als er Ben sah, sprang er begeistert auf ihn zu. »Kümmert sich dein Frauchen nicht um dich?«, fragte Ben übertrieben besorgt. Der Hund bellte zustimmend. Ben lachte und ging zu Sophie. Sie schlief. Er sah sie eine Weile an. Sie war wirklich verdammt sexy. Ben räusperte sich. Sophie rieb sich müde die Augen und sah ihn verwirrt an. »Ich dachte, du könntest ein Bier vertragen! So ganz allein«, sagte Ben grinsend.

      Sie setzte sich auf und gähnte. »Ich bin nicht allein. Ich habe Pelle.«

      »Der sich um dieses Stück Holz da kümmert, anstatt auf Frauchen aufzupassen!« Er reichte ihr die Flasche und ließ sich in den warmen Sand fallen. Sie tranken schweigend ein paar Schlucke.

      »Ich habe euch zugesehen«, erklärte sie, als müsste sie sich rechtfertigen. »Beeindruckend!«

      »So beeindruckend, dass du gleich weggepennt bist?«

      »Es ist doch mein erster Urlaubstag. Und ich bin ein gestresstes Mädchen.«

      »Gestresstes Mädchen?« Ben grinste. »Und wovon ist das arme Mädchen so gestresst?«

      »Von der Arbeit, Beachboy!«

      »Beachboy? Drollig! Aber mal im Ernst, was machst du? Wo kommst du her? Oder wie wir hier sagen, wo bist du denn wech?«

      Sophie lachte und kraulte ihrem Hund das Ohr. »Aus Hamburg. Ich bin Journalistin.«

      »Und du schreibst mit großer Begeisterung über die Schönheit der Ostsee. Oder über Krabben? Schafe?« Plötzlich zuckte er zusammen. Sie war gestern auch am Strand gewesen, zusammen mit der Polizei. »Nicht über Wasserleichen, oder?«

      »Wasserleichen? Nein, ich schreibe hier gar nichts. Ich mache Urlaub bei einer Freundin. Und ich habe mir vorgenommen, mal richtig sportlich zu sein.«

      »Klar! Schlafen am Strand ist immer noch die effektivste Methode, Kondition und Muskeln zu trainieren.« Sie lächelte zustimmend. »Und deine Freundin?«, fragte Ben weiter. »Macht die auch mit bei dem Kurs?«

      Sophie lachte gurrend. Ihm gefiel dieses Lachen. Es war warm und

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