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fiele …

      Eine Rückkehr in ihr Kloster in Ghanumbia zieht sie keinesfalls in Erwägung. An Tagen, an denen ihre „Gastgeberpflichten“ nicht benötigt werden, streift Monique in zivil durch Rom, um all die vielen Sehenswürdigkeiten aus weit über zweitausend Jahren zu genießen, von denen sie vor Jahren im Schulunterricht gehört hat.

      Meistens wird sie dabei von Angélique begleitet. Was Monique am meisten Freude bereitet, ist das kindlich-naive Staunen der Jüngeren, die um vieles weniger Ahnung von Europas Kunstschätzen besitzt als ihre Tante.

      * * *

      In der nächtlichen Stille seines modern und bestens ausgestatteten Arbeitszimmers überlegt der Papst wohl zum hundertsten Mal immer wieder das Gleiche: Wie mögen sich anlässlich seiner ersten Predigt seine Einlassungen für die überrumpelten Gläubigen tatsächlich angehört haben? Ausgerechnet er, der der große Friedenspapst werden sollte, forderte sie zum Kampf auf?

      Vatikan-Kommentatoren und selbsternannte „Papstversteher“ hatten sich auch, wie von ihm erwartet, umgehend mächtig ins Zeug gelegt und das Gesagte flugs ins rein Theoretische transponiert: Das Gesagte wäre nur rein ideell zu verstehen und keineswegs real! Der Heilige Vater sei selbstverständlich ein zutiefst friedliebender Mensch und jede Aufforderung zum Kampf sei sozusagen nur „metaphysisch“ gemeint und habe nichts mit Bomben und Granaten zu tun.

      Leo muss heute noch darüber grinsen, sobald er daran denkt.

      ‚Wahrscheinlich sind sich bald alle hinter vorgehaltener Hand einig gewesen, es sei wohl am klügsten, meine Ausführungen so weit wie möglich mit Stillschweigen zu übergehen.’

      „Meine Güte“, murmelt der Papst leicht erschrocken. „Schon wieder eine Übereinstimmung mit Johannes Paul II.! Muss ich mir tatsächlich allmählich Sorgen machen?“

      Seine von Anfang an kircheninternen Gegner und Neider in Rom haben offenbar einmütig beschlossen, „den Ball vorerst flach zu halten“, wie es Kardinal Carlo di Gasparini burschikos auszudrücken beliebt. O, ja, auch Leo Africanus hat seine Zuträger im Vatikan, die ihm über alles, was relevant sein könnte, Bericht erstatten …

      Zu denen, die fürs Totschweigen plädieren, sind für den Heiligen Vater auch jene zu zählen, die jeden Tag stärker versuchen, ihm Hindernisse in den Weg zu legen, Knüppel zwischen die Beine zu werfen oder seine Anordnungen einfach ins Leere laufen zu lassen – in der Annahme, er sei so töricht, es nicht zu bemerken.

      „Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Dir, o Herr.“

      (Kirchenvater Augustinus)

      In der Tat hat er viele Laiengläubige gleich zu Beginn seines Pontifikates vor den Kopf gestoßen, indem er sie der Lauheit und Faulheit bezichtigte und sie aufforderte, die bequeme Deckung zu verlassen und für ihren Glauben endlich zu kämpfen.

      Damit forderte er auch nach Meinung einiger Kurienkardinäle die gewaltbereiten Muslime geradezu heraus. Man habe den Eindruck gewinnen können, der Papst wolle bewusst islamistische Attentäter anstacheln, die Welt mit massiven Terrorangriffen auf kirchliche und andere Einrichtungen zu schockieren, um alsdann im Gegenzug als „gerechtfertigte“ Reaktion mit aller Macht auf sie losgehen zu können.

      Zum Glück scheint bisher allerdings die Neigung der Muslime gering zu sein, den hingeworfenen Fehdehandschuh auch zu ergreifen. Nicht nur in katholischen, auch in muslimischen und selbst in islamistischen Kreisen herrscht immer noch beträchtliche Verwirrung, weil man den neuen Papst nicht richtig einzuordnen vermag.

      Am klügsten ist es vermutlich, erst einmal abzuwarten.

      Es geht auf zwei Uhr morgens zu und Leo XIV. hat eine besondere Rede mit einem wichtigen Glaubensinhalt vorbereitet, den er demnächst im Petersdom ex cathedra zu verkünden gedenkt, ehe er auch weltweit und für Katholiken als allgemeinverbindlich verbreitet werden wird, weil durch den Anspruch der päpstlichen Unfehlbarkeit in Glaubensdingen geadelt …

      Der Heilige Vater verzieht sein männlich-schönes, immer noch weitgehend faltenfreies Gesicht zu einem ironischen Lächeln. Für dieses geradezu unglaubliche „Unfehlbarkeitsdogma“, ein Produkt des Ersten Vatikanischen Konzils (1869–1870) unter Papst Pius IX., findet Leo Africanus nur einen einzigen Begriff: Genial!

      Bietet es doch durch nichts in Zweifel zu ziehende Möglichkeiten, etwaige Gegner mit Fug und Recht mundtot zu machen. Immerhin soll es ja angeblich der „Heilige Geist“ persönlich sein, der den Pontifex inspiriert. Zu den weit über 200 Dogmen der katholischen Kirche wird sich in Kürze noch ein weiteres hinzugesellen. Unwillkürlich breitet sich ein befriedigtes Grinsen auf Leos Gesicht aus.

      „Der Herr behütet dich; der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand.“

      (Psalm 121, 5)

      ‚Das katholische Fußvolk hat sowieso fraglos zu gehorchen und der Teil der hohen Geistlichkeit, der mir eventuell gefährlich werden könnte, ist – zum mindesten in der Öffentlichkeit – zum Kuschen verdammt’, mag Papst Pius der Neunte sich seinerzeit gedacht haben, als er sich den schlauen Coup mit der päpstlichen Unfehlbarkeit hat einfallen lassen, nachdem er sich einige Jahrzehnte zuvor schon die Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis Mariens ausgedacht hatte.

      Eine vollkommen sinnfreie Behauptung, die nicht das Geringste zum christlichen Glaubensverständnis, so wie Jesus es möglicherweise verstanden haben mag, beitragen kann. Man könnte ja eigentlich vermuten, diese dicke Kröte („Glaubenswahrheiten, in alle Ewigkeit wahr und unveränderbar“), die es natürlich auch heute noch für Gläubige zu schlucken gilt, stamme aus dem Mittelalter oder aus noch früherer Zeit, aber keinesfalls aus dem 19. Jahrhundert …

      „Welche Chuzpe muss dieser Papst besessen haben, seinen aufgeklärten Zeitgenossen die Anmaßung, er sei quasi ein Übermensch, der in Glaubensdingen nicht irren könne, als unumstößliches Faktum vor die Nase zu setzen?“, murmelt der Heilige Vater kopfschüttelnd vor sich hin.

      Ach ja, das Mittelalter! Leo Africanus unterdrückt ein weiteres ironisches Grinsen. ‚Eine oft verkannte Zeitspanne, die durchaus nicht so ‚finster’, rückschrittlich und betriebsblind gewesen ist, wie man sie heute gerne darstellt’, denkt er.

      Er erhebt sich von seinem Schreibtischsessel um an eines der Fenster zu treten, dessen Vorhänge nicht geschlossen sind und ihm einen Blick nach draußen in die tiefe Nacht erlauben, die immer noch von den zahlreichen Lichtern der niemals ruhenden Weltstadt Rom erhellt wird.

      ‚Die effektivsten Scheuklappen verpasste man den Leuten in Wahrheit erst viel später und die dicksten Bretter, die man den Gläubigen vors Hirn knallte, wurden auch erst in späteren Jahrhunderten gesägt’, geht dem sich plötzlich vereinsamt fühlenden Mann aus einem, im geographischen Sinne, nicht allzu fernen Kontinent durch den Sinn: Afrika liegt bekanntlich nicht sehr weit weg von Europa …

      „Diese Fremdheit liegt in meinem eigenen Wesen und meiner eigenen Sozialisation“, murmelt er unwillkürlich. Auf einmal sehnt er sich nach Monique, seiner vernachlässigten Geliebten. Sie bedeutet für ihn immer noch die afrikanische Heimat, das Geborgensein inmitten seiner eigenen Kultur. Er liebt sie nach wie vor – aber hat er sie dies in letzter Zeit auch fühlen lassen? Wann hat er sie das letzte Mal als Geliebte im Arm gehalten, ihren Duft verspürt und ihre Leidenschaft genossen? Gut erinnern kann sich Leo nur an ein einziges Mal, gleich nach seiner Wahl zum Papst.

      Auf einmal ergreift ihn ein mächtiges Verlangen nach Monique und er überlegt ernsthaft, sie zu sich zu rufen. Aber dann verwirft Leo Africanus doch den Impuls, sie zu so später Stunde noch zu wecken. Am nächsten Tag wird er sich ihr wieder nähern …

      Stattdessen sinniert er weiter.

      In der Tat! Im Mittelalter hätte kein vernünftiger Mensch an so eine Absurdität – eine Blasphemie im Grunde! – gedacht, ein Mensch – und sei er auch das weltliche Oberhaupt der Kirche – könne unfehlbar sein. Zum Wenigsten hätte er es nicht gewagt, diese dreiste Anmaßung auch noch laut auszusprechen.

      ‚Diese

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