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hatte der deutsche Reichskanzler, Otto von Bismarck, wenig Neigung gezeigt, sich militärisch in Afrika zu engagieren: „Die Möglichkeit militärischer Expeditionen ist meiner Ansicht nach absolut ausgeschlossen“, lautete sein Statement. Ja, der Kanzler äußerte noch Folgendes: „Lieber würde ich alle ostafrikanischen Kolonialversuche aufgeben, als militärischen Unternehmungen im Landesinneren zuzustimmen!“

      Er zeigte sich über das Versagen der DOAG (Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft) und über den sich daraus ergebenden Aufstand der Einheimischen sehr ungehalten. Aber mit großer Selbstverständlichkeit nahm der Reichskanzler an: „Der Sultan von Sansibar wird die Kastanien schon aus dem Feuer holen und die Ordnung wiederherstellen!“

      Das sollte sich als großer Irrtum erweisen.

      Was Bismarck übersah, war das Faktum, dass der Sultan auf dem afrikanischen Festland über keinerlei Einfluss mehr verfügte. Was nach seiner Kungelei mit den Deutschen auch nicht verwunderlich war … Für das Deutsche Reich wäre ein tatsächlicher Rückzug aus Ostafrika einem gewaltigen Prestigeverlust gleichgekommen und hätte überdies der ohnehin kolonialkritisch eingestellten Opposition im Berliner Reichstag in die Hände gespielt. Darum steuerte Bismarck um auf einen erstaunlichen Kurswechsel.

      Als Erstes einigte er sich mit den Engländern auf eine Seeblockade der gesamten Küstenregion. Hier erwies sich erstmalig, dass die Europäer durchaus gewillt waren, ihre beiderseitigen Differenzen ruhen zu lassen, sobald es sich darum handelte, Aufstände in ihren jeweiligen Kolonien zu unterdrücken. Bismarck fand sich auf einmal doch bereit, die nötigen Gelder für ein militärisches Eingreifen in Deutsch-Ostafrika aufzutreiben.

      „Denn der Sünde Sold ist der Tod, die Gabe Gottes aber ist das Ewige Leben in Jesus Christus, unserem Herrn.“

      (Römer 6, 23)

      Da er sich nicht allein auf die Aufzeichnungen seines Urgroßvaters verlassen wollte, ließ Leo Africanus es sich angelegen sein, sich immer mal wieder durch die Lektüre auch neuerer Geschichtsbücher schlau zu machen, beziehungsweise das bisher Geglaubte durch historische Erkenntnisse neueren Datums zu unterfüttern oder zu verifizieren. Quellen dazu fand er reichlich.

      Weil im damaligen Reichstag, der die Freigabe dieser Mittel genehmigen musste, die kritisch eingestellte katholische Zentrumspartei über eine wichtige Stimme verfügte, versuchte Bismarck, sie sich mit dem scheinheiligen Argument geneigt zu machen, es handele sich bei dem geplanten Militäreinsatz hauptsächlich um den Kampf gegen die Sklaverei.

      Wie man die Öffentlichkeit erfolgreich zu täuschen vermag, hatte ihm der belgische König Leopold schon jahrelang aufs Perfideste vorgemacht: Er ließ nämlich seine Privatkolonie namens „Kongo-Freistaat“ unter dem humanen Deckmäntelchen der „Anti-Sklaverei-Bewegung“ betreiben.

      Der wachsenden Kritik an den menschenunwürdigen Zuständen im „Freistaat“ Kongo (schon der Name ein purer Hohn!), an der Zwangsarbeit, den Prügelstrafen und den Massenmorden an der einheimischen Bevölkerung, begegneten Leopolds Speichellecker stereotyp mit dem Hinweis auf „die Notwendigkeit energischen Vorgehens gegen die wahren Feinde der Afrikaner“, womit die arabischen Sklavenhändler gemeint waren.

      Unter Leopolds Sympathisanten befanden sich immerhin so bekannte Persönlichkeiten wie Henry Morton Stanley, britischer Journalist und Afrikareisender, der unter anderem den in Afrika verschollenen Missionar und Afrikaforscher David Livingstone 1871 aufspürte.

      Um den Reichstag für die Bewilligung von Mitteln für die Aufstandsbekämpfung zu gewinnen, änderte Bismarck seine bis dato ablehnende Haltung und hielt in einer Aktennotiz fest: „Kann man nicht schaurige Details über Menschenquälerei auftreiben?“

      Bismarcks Kalkül ging tatsächlich auf: Im Januar 1889 bewilligten die Abgeordneten des deutschen Reichstags zwei Millionen Mark „für Maßnahmen zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutze der deutschen Interessen in Ostafrika.“

      Zusätzlich zu dieser Summe mussten bis zur Niederschlagung des Aufstandes noch einmal 1,2 und später noch weitere 4,5 Millionen Reichsmark bewilligt werden. Die Leitung dieser militärischen Aktion wurde dem ehemaligen Forschungsreisenden und Hauptmann Hermann Wissmann übertragen.

      Dieser kannte Afrika gut, da er den Kontinent zwischen 1880 und 1882 von West nach Ost durchquert und danach mehrere Expeditionen für König Leopold von Belgien im Kongo durchgeführt hatte.

      Von Reichskanzler Bismarck erhielt Wissmann die klare Order: „Ich gebe Ihnen immer wieder nur den einen Auftrag: Siegen Sie!“

      Und Hauptmann Hermann Wissmann sollte seinen Reichskanzler nicht enttäuschen.

      LESUNG AUS DEM ALTEN TESTAMENT

      „Von allen Seiten umgibst Du mich und hältst Deine Hand über mir.“

      (nach Psalm 139)

      „Meine Zeit steht in Deinen Händen.“

      (Psalm 31, 16)

      Es ist lange nach Mitternacht, aber in den päpstlichen Gemächern brennt wie gewöhnlich noch Licht. Nachdem er seine üblichen Fitnessübungen absolviert hat, ist Seine Heiligkeit, Papst Leo XIV., immer noch an seinem Schreibtisch beschäftigt. Das Tagebuch seines Vorfahren und die Geschichtsbücher über Afrika hat er längst beiseitegelegt und brütet jetzt über einem Stapel von Papieren.

      Seit jeher misstraut er der Sicherheit des Internets und würde niemals wirklich Relevantes und Brisantes elektronischen Medien oder gar einer Cloud anvertrauen: Alles kann von Böswilligen gehackt werden, durch einen Fehler im System auf immer verloren gehen oder in Hände geraten, für die es keineswegs bestimmt ist …

      Erst als vertrauenswürdige – natürlich schwarze – Fachleute ihm mehrfach versichert haben, sein persönlicher Internet- und Telefonanschluss im Vatikan sei absolut und zweifelsfrei ebenso abhörsicher wie das „Weiße Telefon“ in Washington und das „Rote“ in Moskau, führt der Heilige Vater hin und wieder direkte Gespräche mit bedeutenden Personen und Politikern in aller Welt.

      Dennoch: Was ihm persönlich wichtig erscheint, verfasst er nach wie vor handschriftlich und zwar in einer nur ihm und seinem vertrauten Sekretär, Monsignore Jean-Baptiste Sékuré, geläufigen Geheimschrift.

      Seine Korrespondenzen, seine Notizen und Abschriften sind derart zahlreich, dass sich leicht erklären lässt, wozu der eingangs einigen Geistlichen befremdlich erschienene Riesensafe dient, dessen Inhalt allein einer einzigen Person bekannt ist: Papst Leo.

      Der Heilige Vater hat es sich längst „bequem gemacht“ und sitzt in einer beigefarbenen, blau gestreiften arabischen Djellabah vor den vor ihm ausgebreiteten Schriftstücken. In Material und Machart ist dies ein nahezu identisches Kleidungsstück, wie er es einst als Knabe und Heranwachsender in seiner ostafrikanischen Heimat getragen hat.

      Diese Art Hemd, meist knöchellang und kragenlos, mit langen Ärmeln, tragen heute noch die meisten Männer bei ihm zuhause. Vor allem in der Freizeit sind Djellabahs bequemer als Jeans. Sie sind luftig, kneifen nicht, engen „unten“ nicht ein (!) und schützen gleichzeitig vor Hitze und Insekten.

      Leo XIV. liebt diese stillen Nachtstunden, in denen er sich ganz allein und ungestört jenen Dingen widmen kann, die ihm wirklich am Herzen liegen. Dass dazu immer seltener die Gesellschaft von Monique gehört, betrachtet er nicht wirklich als sein Problem. Er ist der Meinung, sie fühle sich wohl. Aber im Grunde denkt er kaum über seine Geliebte und ihre Gefühlslage nach.

      Tagsüber ist es im Vatikan oftmals sehr hektisch; aber niemals fiele es ihm ein, seine alltäglichen Pflichten zu vernachlässigen. Seine Heiligkeit hat sich in kürzester Zeit zu Recht den Ruf erworben, ungeheuer schaffensfroh, unternehmungslustig und fleißig zu sein.

      Dazu gehören nicht nur Empfänge von Staatsoberhäuptern, die allesamt von ihm und seinem Charme, gepaart mit Intelligenz und Humor, schwärmen, und von Abordnungen einfacher Gläubiger, die ihn hinterher wegen seines ausgesprochen liebenswürdigen Wesens nicht minder in den Himmel heben, weil er es versteht, jedem Einzelnen die Illusion

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