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wurde, der sich nach der Tat entmaterialisierte und deshalb keine Fußspuren am Tatort hinterließ.

      Es empfiehlt sich vielmehr das nach dem Philosophen und Theologen William von Ockham (1288–1347) als „Ockham’sches Rasiermesser“ benannte Prinzip zu beachten, nach welchem von mehreren möglichen Erklärungen für einen Sachverhalt die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen ist. Eine Theorie ist dann einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen enthält und diese in klaren Beziehungen zueinanderstehen, sodass sich der zu erklärende Sachverhalt logisch erschließt.

      Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass man sich als Ermittler möglichst rasch auf eine Theorie versteifen und die anderen Möglichkeiten außer Acht lassen sollte, im Gegenteil: Es ist ratsam, zunächst einmal möglichst viele Fakten zu sammeln, bevor man ausgefallene Hypothesen entwirft oder Theorien über einen Fall aufstellt. Der Bemerkung des fiktiven Detektivs Sherlock Holmes in der Geschichte „Ein Skandal in Böhmen“ (Arthur Conan Doyle, 1891) ist diesbezüglich nichts hinzuzufügen:

      „Es ist ein kapitaler Fehler, eine Theorie aufzustellen, bevor man entsprechende Anhaltspunkte hat. Unbewusst beginnt man Fakten zu verdrehen, damit sie zu den Theorien passen, statt dass die Theorien zu den Fakten passen.“

      Voreingenommen zu sein ist sicherlich einer der größten Fehler, die ein Kriminalist begehen kann. Es gibt aber noch ein paar mehr.

      

Wissen | Was ist schädlich für einen Kriminalisten?

      •Meinung ohne Fakten

      •Meinung anstatt Wissen

      •Verwechslung von Fantasie und Hypothese

      •Lernunwillen

      •Voreingenommenheit

      •Ungeduld

      •Selbstüberschätzung

      •fehlende soziale Kompetenz

      •übermäßiges emotionales Engagement

      Man kann, um den Juristen und ehemaligen Professor für Strafrecht an der Universität Bern Hans Walder (1920–2005) zu zitieren, aber auch eine Positivliste von Kriterien aufstellen, die ein Kriminalist erfüllen sollte.

      

Wissen | Was benötigt ein Kriminalist?

      •Beobachtungsgabe

      •rasche Auffassungsgabe

      •gutes Gedächtnis

      •konsequentes, scharfsinniges Denken

      •Fantasie

      •Selbstkritik

      •Optimismus

      •Geduld, bei Bedarf auch Verbissenheit

      •Ehrgeiz

      Ein Beweis ist definitionsgemäß eine Kette von Schlussfolgerungen, die die Wahrheit einer Behauptung belegt. Beweise sind die Grundlage einer richterlichen Entscheidung. Ganz grob – und ohne, dass diese Einteilung einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt oder die juristischen Feinheiten berücksichtigt – kann man Personenbeweise von Sachbeweisen unterscheiden.

      Ein Personenbeweis ist beispielsweise eine Zeugenaussage. Zeugen sollen wahrheitsgemäß das wiedergeben, was sie von einer bestimmten Sache mitbekommen haben, sollen ihre Erinnerung an einen Vorgang ohne Wertung und ohne Veränderung wiedergeben. Diese Anforderung muss in vielen Fällen kritisch gesehen werden: So wie die Wahrnehmung abhängig ist von der Vorinformation, dem Wissen, der konkreten Situation und den individuellen Fähigkeiten zur Beobachtung, so ist die Erinnerung abhängig vom Umfang der Wahrnehmung, von der emotionalen und verstandesmäßigen Bewertung eines Vorfalls, von der Häufigkeit vergleichbarer Ereignisse im sonstigen Leben und von der seither verstrichenen Zeit.

      Ein Sachbeweis ist hingegen im weitesten Sinn gegenständlich fassbar. Er basiert auf einem oder mehreren Befunden, wie sie etwa Beschädigungen an einem Fahrzeug, Verletzungen, Blutspuren, Schuhabdrücke, Fingerabdrücke oder auch Laborergebnisse darstellen. Damit diese Befunde aber zu einem Beweis werden, bedürfen sie der Interpretation durch Sachverständige. Die wissenschaftliche Kriminalistik beschäftigt sich mit den Sachbeweisen und versucht, kriminalistische Fragen mit den Kenntnissen und Methoden der Wissenschaft zu beantworten.

      Grundlage eines jeden Beweises sind Befunde. Hierbei kann es sich um die unterschiedlichsten Dinge handeln: Gegenstände, Zeugenaussagen, Verletzungen, Ergebnisse von Laboruntersuchungen, menschliches Verhalten, Banküberweisungen und vieles mehr. Befunde können etwas mit einer Tat zu tun haben, sie können aber auch davon völlig unabhängig sein: Eine weggeworfene Zigarettenkippe an einem Tatort kann vom Täter stammen oder dort nur zufällig liegen.

      Damit ein Befund zur Spur wird, muss eine Hypothese erstellt („Zigarettenkippe stammt vom Täter“) und überprüft werden (DNA-Vergleich mit einem Tatverdächtigen). Aber auch dann ist eine Spur noch nicht eindeutig (Zigarettenkippe kann zwar einem Tatverdächtigen zugeordnet werden, beweist aber noch nicht die Täterschaft).

      Abb. 2: Vom Befund zum Beweis

      Um einen Beweis zu führen, braucht es mehrere Spuren und weitere Hypothesen. Bildlich gesprochen ist die Spur ein Puzzleteil. Ein Beweis sind mehrere benachbarte Puzzleteile, die zusammen einen Ausschnitt des gesuchten Bildes darstellen.

      Durch den französischen Arzt, Juristen und Kriminalisten Edmond Locard (1877–1966) wurde das Prinzip der gegenseitigen Spurenübertragung erkannt und beschrieben:

      „Überall dort, wo er geht, was er berührt, was er hinterlässt, auch unbewusst, all das dient als stummer Zeuge gegen ihn. Nicht nur seine Fingerabdrücke oder seine Fußabdrücke, auch seine Haare, die Fasern aus seiner Kleidung, das Glas, das er bricht, die Abdrücke der Werkzeuge, die er hinterlässt, die Kratzer, die er in die Farbe macht, das Blut oder Sperma, das er hinterlässt oder an sich trägt. All dies und mehr sind stumme Zeugen gegen ihn. Dies ist der Beweis, der niemals vergisst.“

      Wenn beispielsweise von einem Täter Schläge mit einem Hammer gegen den Kopf des Opfers geführt werden, dann finden sich Antragungen von Blut, Gewebe und Haaren am Hammer, aber auch Abriebe von Schmutz oder Lackpartikel vom Hammerkopf in der Wunde. Das Locard’sche Prinzip ist insbesondere bei gegenständlichen Spuren gut nachvollziehbar, gilt aber nicht nur für diese. So hinterlässt die Tat auch psychologische Spuren beim Täter, was beispielsweise in Verhaltensänderungen auffällig werden kann, wie auch schon im letzten Punkt des Weingart’schen Gerippes (s. o.) erwähnt wurde.

      Es gibt keine Legaldefinition dafür, was eine Spur ist. Die Vielfalt der Möglichkeiten wird in den zahlreichen Versuchen sichtbar, eine Systematik der Spuren zu erstellen. Keine davon ist falsch, alle sind sie unvollständig. Für die gegenständlichen Spuren hat sich in der kriminalistischen Praxis die folgende Einteilung als praktikabel erwiesen.

      Im Idealfall kann eine Spur sowohl dazu dienen einen Tatablauf zu rekonstruieren als auch die Identität des Spurenlegers festzustellen. Letzteres geschieht bei Fingerspuren über den daktyloskopischen Vergleich, bei vielen anderen Spuren über den Vergleich mit dem DNA-Profil.

      Abb. 3: Systematik der gegenständlichen Spuren

      Spuren sind so etwas wie die Essenz der Kriminalistik. Die Aufklärung eines Falls steht und fällt mit ihnen. Für gegenständliche Spuren hat sich die Abfolge der folgenden fünf Schritte als notwendig herausgestellt, um aus einer Spur auch einen Beweis

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