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bin kein dummer Junge!“

      „Und wer ist entgegengesetzter Meinung?“

      ,,Alle!“ Ernst Wachsmuth blieb wild lachend stehen. ,,Ach — die Menschen, Papa — die Menschen! . . . Die Weiber treiben mit mir ihr schnödes Spiel . . . und die Männer erklären mich hinterher für nicht satisfaktionsfähig . . . aber ich werd’ euch noch im Leben zeigen, wer ich bin!“

      „Ja. Tu das nur!“ Der Vater setzte sich. „Wirf dich nur jetzt gleich mal tüchtig auf die Anfangsgründe der Medizin!“

      „Das kann ich nicht!“

      „Weshalb?“ Der Kliniker frug es mit seiner tiefen, immer etwas barschen, kurz angebundenen Stimme. Er hob den stillen, bärtigen Gelehrtenkopf, hinter dessen Brille immer ein strenger Ernst leuchtete, zu dem erregt vor ihm stehenden Jüngling empor.

      Weil ich es da zu nichts bringe! Ich will nicht zeitlebens der Sohn des Professors Wachsmuth sein, sondern selber was!“

      „Der berühmte Maler Wachsmuth?“

      „Ja, Papa!“

      Der Professor betrachtete mit Forscherruhe die durch die ganze Bude verstreuten Kunstwerke des Sohnes. Unter seinem wirren Bart erschien ein ganz ungewohntes, stilles, humoristisches Lächeln. Er schüttelte mit der Skepsis des Arztes das frühzeitig gefurchte und überarbeitete, immer etwas müde Haupt.

      „Diese Götter und Tiere auf deinem Silhouettenfries da oben“, sagte er, „sind wissenschaftlich, was das Knochengerüst betrifft, unmöglich! Sie sind total verzeichnet!“

      „Hast du schon je Kentauren gesehen, Papa?“ schrie der Sohn erbittert. „Und Satyrn? He? Na also! Ich denke sie mir eben so!“

      „Dieser Löwe aus Lehm ist pathologisch! Er hat einen ausgesprochenen Wasserkopf!“

      „Das macht die Mähne!“

      „Diese Galerie deiner Mitmenschen — nimm es mir nicht übel — aber sie haben alle eine merkwürdige Familienähnlichkeit . . . sie schielen nämlich durch die Bank.“

      „Köpfe sind auch am schwersten!“

      „Das ist alles, mein Sohn, mit dem gleichen, sorglosen Wuppdich hingeschmiert!“

      „Ich bin eben Autodidakt!“ sagte Ernst Wachsmuth trotzig und stolz.

      „Ein Dilettant bist du, mein Junge, und würdest es zeitlebens bleiben!“

      „. . . wenn man meine Kraft in sich spürt!“ Ernst Wachsmuth breitete begeistert die Arme aus und schaute zur Zimmerdecke. „Meine Zuversicht! Verzeih, Papa: Aber du hast doch von Kunst keinen blassen Schimmer! Kannst du es denn verantworten, ein Talent wie das meine elend zu unterdrücken?“

      „Ich will dir einen Vorschlag machen!“ Auf den stillen Zügen des Gelehrten erschien, als der letzte Grund seines Wesens, eine verhaltene leise und weiche Güte. „Ehe du jetzt für die Ferien zur Tante Drach nach Württemberg gehst, fahre ich mit dir nach München. Durch die Verwandten der Mama haben wir da sofort Zutritt zu den grossen Tieren der Kunstakademie, den berühmtesten Malern und Professoren. Denen legst du deine Arbeiten vor! Der Sicherheit halber nicht nur einem, sondern zweien oder dreien! Die sollen dann entscheiden, was an dir ist! Einverstanden?“

      „Hurra!“

      „. . . und falls das Urteil ungünstig ausfallen sollte . . .“

      „Pah!“ Der junge Mann lachte verächtlich.

      „Versprichst du mir dann Medizinmann zu werden?“

      „. . . meinetwegen Hühneraugenschneider!“ Ernst Wachsmuth umarmte stürmisch den Vater. „Ich danke dir tausendmal, Papa, dass du meinem Talent zum Sieg verholfen hast! Gott — wenn ich alles so genau wüsste, als dass die in München mich mit Kusshand behalten!“

      III

      Der Neckar floss hier in seinem Oberlauf noch schmal und jugendlich unter dem klaren, blauen Spätsommerhimmel zwischen den sonnenflimmernden schwäbischen Rebhügeln dahin. Ihre steilen, tiefgrünen Hänge liessen unten im Tal eben nur Raum für das Klingelbähnle und das Landsträssle daneben. Auf dem scheute ein knochiger Klepper vor dem just in die Station einfahrenden Zug und drehte sich mit dem Pritschenwägelchen und dem vom Bock kutschierenden jungen Mädchen im Kreise, dass die auf den Bahnhofsplatz hinaustretenden Marktweiber und Butterbauern und Winzersleute wie die Hühner auseinanderstoben.

      „Da isch doch der Deufel ’laus g’wä!“ Die junge Dame riss wütend an den Zügeln. Der Gaul stieg wiehernd hoch. „Jörgle! Heidablitz! Bischt jetzt brav!“ Sie wandte im Kampf mit dem alten Wallach den hochmütigen, kleinen Aristokratenkopf nach rückwärts. Er war bloss. Das kastanienbraune Haar wirrte sich zerstrubbelt um den Scheitel in der Mitte. Plötzlich konnte sie gut Hochdeutsch. „Ist das der Ernst, der da mit seinem Köfferle steht? Dich hätt’ ich bald nit mehr erkannt! Wirf’s Köfferle von hinten nauf! So! Jetzt spring’ hurtig hinterher, eh’ der Jörgle durchgeht! Das sind die vielen Schmeissmucken! Die machen ihn rein närrisch! Jörgle — schämst dich nicht vor dem Herrle? Ruck besser ’rüber, Ernst — dicht zu mir! Wir müssen warten, bis ’s Zügle im Tunnel ist!“

      „Bist du denn wirklich die Teuthild?“ frug Ernst Wachsmuth und zog die Knie hoch. Denn der Jörgle keilte mit den Hinterhufen nach rückwärts, dass es krachte.

      „Ei ja! Lieber Gott . . . Du wirst doch noch dein Bäsle kennen!“

      „Ich hab’ dich ja seit zehn Jahren nicht gesehen!“

      „No ja, da war ich freilich noch ein Stumpe von sieben Jahren!“

      „Du hast dich kolossal zu deinem Vorteil verändert, Teut!“

      „Das sagt doch gleich jeder! . . . Herrgott ja — was muss ich früher wüst gewesen sein!“

      „Na, jetzt bist du gründlich das Gegenteil — Donnerwetter ja!“

      „Ach — schwätz’ nit! Los, Jörgle! Jetzt darfst springen!“

      Das klapprige Fuhrwerk rasselte durch das schwäbische Amtsstädtchen. Die hohen, altertümlichen Fachwerkgiebel tanzten vorbei. Das zopfige kleine Rathaus mit der Schnörkeltreppe und dem bemoosten Marktbrunnen. „Brrr!“ Das junge Mädchen warf sich aus Leibeskräften mit den gestrafften Zügeln nach rückwärts, bis der Wagen stand. „Wo isch ’s Näh-Bäbele?“ schrie sie.

      „Hier, Fräule Baron!“ Eine kleine Putzmacherin lief aus dem Haus und reichte ein Paket auf den Wagen. Weiter! Die Teut versetzte dem widerspenstigen, uralten Wallach einen Peitschenschmitz und frug:

      „Du warst die letzt’ Zeit mit deinem Vater in München, Ernst?“

      „Ja. Ich komme direkt von dort.“

      „War’s schön?“

      „O ja . . . soweit schon . . .“

      Brrr! Noch ein Halt! „Kätterle!“ Diesmal war es eine junge Frau, die ein derb besohltes Stiefelchen aus dem Laden brachte. „Gute Morge au, Fräule Baron!“ Alle Welt im Städtchen kannte das Fräulein Baron. Sie nickte hochfahrend mit dem flinken braunen Köpfchen nach rechts und links zum Volk hinunter als Erwiderung der Grüsse. Das Wägelchen donnerte durch die Torwölbung des Stadtturms. Dahinter stieg die Strasse steil den Weinberg hinauf. Jetzt verging dem Jörgle der übermut. Die Siebzehnjährige legte atemlos die schlaffen Zügel auf die Knie.

      „Ich bin ganz schnaufig geworden!“ sagte sie.

      „Habt Ihr denn keinen Kutscher?“

      „Ja — wer soll denn den zahlen? Bei den argen Zeiten! Bist schon ein Schlauer!“

      ,,Der Wein,“ sie deutete mit dem Peitschenstiel auf das Gewimmel der Rebstöcke, „sogar unsere beste Lage — so eine Art Katzedreckler, weisst — der Wein bringt ja bald gar nix mehr! Jetzt erzähl’ doch von München! Warst du bei den Kunstprofessoren?“

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