Скачать книгу

p>

      Jón Svensson

      Sonnentage

      Nonni’s Jugenderlebnisse auf Island

      Saga

      Das Schönste, was ein Schriftsteller in ein Buch schreiben kann, sind die Gefühle, die in seiner Seele aufsteigen bei der Erinnerung an die ersten Tage seiner Jugend.

      Chateaubriand

      Vorwort

      Ermutigt durch die günstige Aufnahme, die mein Buch „Nonni“ (Freiburg 1913, Herder) und die Erzählung „Nonni und Manni“ (Regensburg 1914, Habbel) in Deutschland gefunden haben, wage ich es, meinen deutschen Freunden ein neues Isländerbuch darzubieten.

      Ich nenne es „Sonnentage“, weil es Erzählungen und Erlebnisse aus meiner auf der fernen Insel Island verlebten sonnig-heitern Jugendzeit enthält. Der es liest, gewinnt damit zugleich einen Einblick in das tägliche Leben auf meiner Heimatinsel.

      Vier von den Erzählungen sind schon früher in Dänemark im Druck erschienen und mit Erlaubnis des Verfassers von Herrn Joh. Mayrhofer ins Deutsche übersetzt worden. Es sind dies: „Wie Júlli und Dúfa lebendig begraben wurden“, „Klein Kjartans Gesicht“, „Die Vala kommt“ und „Die Geschichte von der gefahrvollen Nachtwache“. —

      An dieser Stelle möchte ich noch den Lesern des „Nonni“, den kleinen wie den grossen, meinen tiefempfundenen Dank aussprechen für die vielen liebenswürdigen Zuschriften, die sie mir gesandt haben; ich konnte sie leider unmöglich alle beantworten.

      Ganz besonders gilt dieser Dank der frischen, fröhlichen deutschen Jugend, den vielen Knaben und Mädchen, die aus Pensionaten, Schulen und Erziehungsanstalten „dem kleinen Nonni“ schriftliche Grüsse und Dank geschickt haben. Solche von deutschen Kinderhändchen geschriebene Brieflein und Kärtchen haben mich herzlich gefreut, und es ist mein sehnlichster Wunsch, dass diese meine zahlreichen kleinen Freunde und Freundinnen unter der mir so liebgewordenen deutschen Jugend ebensoviel Freude und heitern Sonnenschein aus meinen „Sonnentagen“ schöpfen mögen, wie sie es vorher aus „Nonni“ getan haben.

      Feldkirch in Vorarlberg, Stella matutina (Österreich), im Dezember 1914.

      Jón Svenslon

Wie Júlli und Dúfa lebendig begraben wurden

      1. In Ferien.

      Die Begebenheit, die ich hier erzählen will, gehört zu den erschütterndsten Erlebnissen aus meinen Knabenjahren; sie hat einen so starken Eindruck in meiner Erinnerung zurückgelassen, dass ich sie mein Leben lang nicht vergessen werde.

      Es war gegen Schluss des Februar auf einem der grösseren Höfe von Nord-Island.

      Ich hielt mich da bloss vorübergehend auf, um Ferien zu machen.

      Das Leben auf diesem Bauernhof war überaus angenehm und schön. Ich kann in Wahrheit sagen, dass diese Stätte für mich ein kleines irdisches Paradies war.

      Es war ein reicher Hof. So etwas wie ein Edelhof, ein wirklicher Herrensitz.

      Er hatte zahlreiche Bewohner: viele Familien, viele Mägde und Knechte, viele frische, fröhliche Kinder; er hatte viele Pferde, viele Kühe, viele Hunde und viele, viele Schafe.

      Ja, es war reges Leben und viel fröhliches Treiben auf dem Hofe.

      Die Leute warm durchaus nicht bäuerisch ungebildet. Sie waren verständig, höflich und geweckt.

      Namentlich hatten sie Sinn für Poesie.

      Oft an den langen Winterabenden wurden Sagas vorgelesen und noch lieber lange Skaldenlieder gesungen. Oft auch erzählten die, welche besonderes Geschick dazu hatten, lange spannende Geschichten.

      Die isländischen Sagas sind, wie der Leser ja wohl weiss, unvergleichliche Meisterwerke der Erzählungskunst. Sie sind die herrlichsten Geistesschöpfungen des skandinavischen Nordens und gehören zu den schönsten und vollendetsten Erzählungen in der ganzen Weltliteratur.

      Diese Sagas, Lieder und Geschichten also machen auf den isländischen Höfen zumeist die Abendunterhaltung aus, und all das gibt dem Volke eine gewisse geistige und auch äussere Bildung, wie man sie in andern Ländern bei Leuten dieses Standes nicht leicht in so hohem Grade findet.

      Die Familie, bei der ich mich aufhielt, war gut befreundet mit meinen Eltern, und ich hatte es dort sozusagen wie der Dotter im Ei.

      Zudem hatte ich die heiterste und fröhlichste Kindergesellschaft, die ich mir nur denken konnte, und das war etwas, woran mir viel lag und was ich sehr hoch schätzte.

      Ich war nämlich damals erst neun Jahre alt.

      Wir Kinder tummelten uns die meiste Zeit draussen im Freien.

      Doch mussten wir jeden Tag auch zur Schule gehen und lernen.

      In diese Schule hatten wir aber nicht weit; sie war im Hause selbst, und unser Lehrer war — die Frau des Hauses!

      Sie unterrichtete uns nicht bloss im Lesen und Schreiben, sondern auch in Geographie, Geschichte und im Katechismus.

      Die Geschichte des Altertums trug sie uns so lebendig und so schön vor, dass ich sie seither nicht vergessen habe.

      Sie erzählte uns von den Taten Alexanders des Grossen, von seinen Kriegen und seinem Zuge nach Indien. Als wir hörten, wie er seinen guten Freund Klitus tötete, da brachen wir in Tränen aus.

      Die Geschichten von Horatius Cocles, Mucius Scävola, Pompeius und Cäsar kannten wir bald gründlich.

      Von Pompeius nahm es mich besonders wunder, wie er sagen konnte: wenn er auf den Boden stampfe, könne er so viele Legionen herausbekommen, wie er wolle.

      Später hörte ich, dass dies dem grossen Manne doch nicht gelang, und gerade da nicht, als er es am meisten nötig hatte.

      Ausser bei der Hausmutter gingen wir noch ein wenig in die Schule bei einem ehrwürdigen Greis auf dem Hofe. Bei ihm lernten wir Rechnen und etwas Dänisch, ja sogar ein bisschen Deutsch.

      Von den dänischen Büchern, die wir lasen, weiss ich noch zwei: es waren der „Kinderfreund“ und ein anderes altes Buch mit den Fabeln Äsops und einigen erbaulichen Erzählungen.

      Die deutsche Sprache kam uns sehr schwer vor. Wir hatten sie aber trotzdem doch ganz gern.

      Ein aneiferndes Beispiel gaben uns mehrere Knechte und Mägde des Hofes, die freiwillig an dem Sprachunterricht des alten, guten Lehrers teilnahmen.

      Besonders glänzende Fortschritte haben wir allerdings in keiner der beiden Sprachen gemacht.

      Einzelne deutsche Wörter und Ausdrücke lernten und merkten wir uns aber doch.

      So erinnere ich mich noch, welches Vergnügen wir hatten, als wir erfuhren, eine kleine Säge werde von den Deutschen „Fuchsschwanz“ genannt.

      Es muss doch etwas Gemütliches an den Deutschen sein! dachten wir. Einen Menschen aber von diesem grossen fernen Lande hatten wir noch nie gesehen.

      Merkwürdig leicht behielten wir Schlingel einen andern, etwas weniger feinen deutschen Ausdruck, und wir wandten ihn auch manches Mal gegenseitig auf uns an.

      In unserer Muttersprache hätten wir uns nicht getraut ihn zu gebrauchen.

      Es war der ganz kurze, gewiss nicht schöne Reim:

      „Halt ’s Maul,

      Du bist faul!“

      Aber das gefiel uns.

      Wollten wir einen von unsern erwachsenen Mitschülern necken, so geschah es mit diesem fremden Sprüchlein.

      Und wenn uns darauf andere, weniger „gelehrte“ fragten, was das wäre, wovon wir da redeten, dann sagten wir nur, wir übten uns im Deutschreden.

      Ja, ein wenig unartig konnten wir hie und da schon auch sein! —

      Aber jetzt ist es an der Zeit, dass ich dem Leser meine kleinen Spiel- und Schulkameraden

Скачать книгу