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Читать онлайн.»Waren seine behandelnden Ärzte in der Schweiz auch dieser Meinung?«
»Nein, ganz und gar nicht. Aber was sollten sie tun? Arnold ist kein verurteilter Straftäter, er ist nur krank, und er hatte bis dahin auch niemandem körperlichen Schaden zugefügt.«
»Wie gefährlich ist der Mann wirklich?«, fragte Thea.
»Solange er sich überlegen fühlt und glaubt, die Situation zu kontrollieren, geht keine Gefahr von ihm aus. Sollte er sich allerdings unterlegen fühlen, könnte er dazu übergehen, seine Macht zu demonstrieren«, schloss sich Norbert Gering Olivias Einschätzung an.
»Das heißt, er würde auch nicht davor zurückschrecken, jemanden zu verletzen?«, fragte Thea.
»In diesem Zustand kann er seine Handlungen nicht mehr steuern«, sagte Olivia.
»So ist es«, stimmte Norbert Gering ihr zu.
»Vielen Dank, Professor. Ich melde mich bei Ihnen, sobald die Sache hier vorbei ist«, sagte Olivia.
»Ja, bitte, Olivia, halten Sie mich auf dem Laufenden«, bat Professor Gering.
»Das mache ich«, versprach ihm Olivia und beendete das Gespräch.
»Hallo, Frau Seeger. Gibt es Neuigkeiten?«, fragte Ophelia, die aus dem ersten Stock herunterkam, um sich in der Küche etwas zu trinken zu holen.
»Wir wissen jetzt, wer der Mann ist, der mich verfolgt«, klärte Olivia ihre Tochter über Theas Besuch auf.
»Echt? Wer ist es?«
»Ein ehemaliger Patient von mir.«
»Ich zeige dir ein Foto«, sagte Thea.
»Ja, bitte.« Ophelia stellte das Glas mit dem Mineralwasser, das sie sich gerade eingegossen hatte, auf die Anrichte, ging zum Esstisch und nahm das Foto von Arnold Berheim in die Hand, das Thea mitgebracht hatte. »Den kenne ich gar nicht«, stellte sie fest.
»Er war auch nur ein paar Mal bei uns, und das waren immer Vormittagstermine. Du konntest ihm gar nicht begegnen.«
»Warum verfolgt er dich?«, wollte Ophelia wissen.
»Er leidet an einer Phobie«, sagte Olivia und fasste kurz zusammen, wer Arnold war und welche Probleme er hatte.
»Okay, er hat Angst vor der Eifersucht, und er wird dir vermutlich nichts tun, das habe ich verstanden. Aber was macht er mit demjenigen, der ihm die Frau wegnehmen könnte, die er begehrt?«, fragte Ophelia und sah ihre Mutter an.
»Das lässt sich nicht voraussagen«, gab Olivia zu.
»Doktor Norden sollte wissen, wie dieser Typ aussieht.«
»Ja, sollte er wohl«, gab Olivia ihr recht.
»Ich gehe zu ihm. Kann ich das Foto haben?«, fragte Ophelia.
»Sicher, nimm es mit«, sagte Thea.
»Danke.«
»Sie mag ihn wohl sehr«, stellte Thea fest, nachdem Ophelia mit dem Foto in der Hand das Haus verlassen hatte.
»Ich bin bisher noch niemandem begegnet, der ihn nicht mag«, entgegnete Olivia.
»Nein, ich auch nicht«, stimmte Thea ihr zu. Sie lächelte in sich hinein, weil ihr das Aufblitzen in Olivias Augen nicht entging, als sie in den Garten hinausschaute und ihr Blick hinüber zu Dannys Haus wanderte.
*
»Mist«, schimpfte Ophelia, als ihr klar wurde, dass die Praxis bereits geschlossen hatte.
Sie war davon ausgegangen, dass die Sprechstunde heute länger dauerte, weil sie Danny in der Wohnung nicht angetroffen hatte. Die Terrassentür, die er abends immer öffnete, wenn er nach Hause kam, war verschlossen, und auch sonst war nirgendwo im Haus ein Fenster geöffnet. Da sein Auto im Hof stand, würde er aber vermutlich irgendwo in der Nähe sein.
»Na gut, dann muss ich ihm die Neuigkeit eben auf anderem Weg mitteilen«, murmelte sie. Sie zog ihr Handy aus der Jeanstasche, fotografierte den Ausdruck, den Thea ihr mitgegeben hatte, und schickte Danny das Foto über die App, die er am Morgen installiert hatte. In einem Anhang wies sie darauf hin, dass dies der Mann war, der ihre Mutter seit Monaten verfolgte.
»Kannst du nicht aufpassen?!«, fuhr der Junge sie an, den sie anrempelte, als sie sich mit dem Telefon und dem Foto in der Hand wieder umdrehte, um zurück nach Hause zu gehen.
»Marius, die Nervensäge aus der sechsten, alles klar.«
»Nichts mehr mit Nervensäge. Seit heute weiß ich, dass ich anämisch bin, deshalb habe ich diese Zustände.«
»Hast du Leukämie?«, fragte Ophelia erschrocken, nachdem sie das Foto aufgehoben hatte, das ihr aus der Hand gefallen war.
»Nein, nur starken Eisenmangel. Ist das ein Fahndungsfoto?«, fragte Marius und betrachtete das Foto von Arnold Berheim.
»Könnte sein. Solltest du diesen Typ sehen, dann gib mir Bescheid«, sagte Ophelia.
»Ich habe ihn heute schon gesehen.«
»Wo?«, fragte Ophelia erschrocken.
»In der Praxis.«
»Wann?«
»So um halb sechs. Ich war zu einer Untersuchung dort, da saß er im Wartezimmer.«
»Und warum bist du jetzt hier?«
»Weil ich meine Baseballkappe vergessen habe. Ich dachte, es sei vielleicht noch jemand hier. Aber eigentlich geht dich das gar nichts an.«
»Interessiert mich auch nicht wirklich. Ich habe gerade ein anderes Problem. Ich muss wissen, ob der Doc noch in der Praxis ist und ob dieser Kerl bei ihm ist.«
»Dann sieh doch nach.«
»Genau das habe ich vor, du Schlaumeier.«
»Und wie wollen wir das machen? In die Praxis kommen wir ja gerade nicht rein.«
»Wir? Du bist dabei?«, wunderte sich Ophelia.
»Der Doc ist echt in Ordnung. Wenn er in Schwierigkeiten ist, helfe ich«, erklärte Marius.
»Okay, dann komm mit. Vielleicht ist das Fenster des Sprechzimmers wenigstens gekippt, dann können wir hören, ob er da ist und mit jemandem spricht. Bleib hinter mir«, forderte Ophelia den Jungen auf.
»Ist der Typ auf dem Fahndungsfoto gefährlich?«, fragte Marius leise.
»Möglich wäre es. Er sollte eigentlich in einer psychiatrischen Klinik sein.«
»Wow, das klingt nicht gut. Ist er abgehauen?«
»Nein, er wurde entlassen, aber viel zu früh, hat meine Mutter gesagt.«
»War er Patient bei ihr?«
»War er. Und jetzt komm«, sagte Ophelia und zeigte ihm die Richtung an, in die sie gehen wollte.
Sie schlichen an der Rückseite des Hauses entlang, am Fenster des Wartezimmers vorbei, bis zur nächsten Ecke. Ophelia zuckte zusammen, weil sie beinahe gegen die Tonne gestoßen wäre, die dort unter der Regenrinne stand und das Wasser sammelte, das Valentina für den Garten verwandte.
Da es seit Tagen nicht geregnet hatte, war die Tonne leer und sie hätte sie leicht umstoßen können. Da sie keine Ahnung hatte, was in der Praxis vor sich ging, wollte sie aber lieber erst einmal nicht auf sich aufmerksam machen.
»Es ist zu«, flüsterte Marius, als sie vorsichtig weitergingen und auf der anderen Seite des Hauses zum Fenster des Sprechzimmers hinaufblickten.
»Das ist schlecht, ganz schlecht«, entgegnete Ophelia leise. »Okay, das könnte gehen.«
»Was könnte