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      Sommerspiel

      I

      »Ach, laßt doch das Zanken sein, hört ihr!« sagte Frau Ingeborg Hartwig auf ihre eindringliche Weise. Sie erhob sich, machte eine abwehrende Bewegung mit beiden Händen und begann, ein wenig nervös, die Kaffeetassen zusammenzuräumen.

      »Wenn ihr euch doch nicht einigen könnt, so redet doch lieber nicht weiter darüber!«

      Die beiden Herren verbeugten sich leicht zu ihr hinüber und schwiegen.

      Es entstand eine Pause.

      Im Villengarten, wo sie saßen, senkte sich die Abenddämmerung bereits herab. Die Bäume standen dunkel und schweigend, das Gras war grau. Vor ihnen breitete sich der Sund blank und mattblau aus und ganz hinten am Horizont schimmerte die Insel Hveen als dicker, grauer Strich. Hie und da fing ein weißes Segel den letzten Schimmer des Tageslichts auf.

      Die junge Frau hatte sich wieder gesetzt; ihr kleines, feines und bewegliches Gesicht war in einem traurigen Ausdruck leicht zusammengezogen, und ihre Augenlider zwinkerten stark, während sie niedersah. Die gedämpften Laute des Abends: ein Sausen von Fahrrädern, die von Zeit zu Zeit unten auf dem Strandwege vorüberhuschten, – das ferne Plaudern und Lachen aus den Villengärten ringsumher – erreichte sie kaum. Ihr war unruhig und bewegt zu Mute.

      »Gestattest du, Ingeborg, daß ich deinem Gatten noch etwas sage?« fragte der eine der Herren, – ein junger, sehr sonnengebräunter Mann mit regelmäßigen, scharfen Zügen und dunklen Augen.

      Sie sah zu ihm hinüber und nickte leise.

      Er räusperte sich. »Natürlich stehe ich für das ein, was ich gesagt habe,« fuhr er gedämpft fort, – »aber Sie dürfen nicht vergessen, Hartwig; Anschauungen und Ansichten und dergleichen das ist ja doch schließlich etwas, was in der Luft liegt. Das, worauf es ankommt, ist, wer sie äußert.«

      »Durchaus richtig,« sagte der andre.

      »Wenn Sie also die Ehe angreifen, während ich sie verteidige, so berührt das an und für sich die Ehe selber gar nicht —«

      »Ach nein, – meinetwegen« —

      »Es beweist nur, daß Sie ein Ehemann sind und ich ein Junggeselle.«

      Hartwig lachte laut. »Nun ja, wir wollen uns wieder vertragen!« sagte er und streckte dem andern gutmütig die Hand hin. »Sie wissen ja, Vedel, ich kann Ihnen nicht widerstehen, wenn Sie anfangen, Witze zu machen!«

      »Es war durchaus nicht meine Absicht, witzig zu sein, – ich —«

      »Das ist's ja gerade!« unterbrach ihn, Hartwig, »um so besser wirkt es! – Ja,« fuhr er fort, indem er sich erhob, »wir ersticken vor lauter Verschrobenheit. Wollen wir ein wenig gehen?«

      Vedel erhob sich schnell und schweigend, – und Hartwig stellte sich hinter den Stuhl seiner Frau.

      Er war ein großer, schöner, kräftig gebauter Mann mit großen, klaren Zügen. Ebenso wie Vedel war er stark von der Sonne gebräunt, aber sein Gesicht war voller, und der Ausdruck in diesem Gesicht ungleich klüger und bestimmter. Seine Haltung war aufrecht und entschlossen, seine Stimme gedämpft, ruhig und tief.

      »Inga ist heute abend nicht recht in Stimmung,« sagte er lächelnd und beugte sich leicht zu ihr hinab. »Was hast du nur?«

      Sie antwortete nicht, schüttelte den Kopf nur ein klein wenig und sah in ihren Schoß nieder.

      Hartwig stand da und betrachtete ihr Haar. Mit seiner großen Hand strich er vorsichtig darüber hin, – zupfte ein klein wenig daran – glättete es wieder.

      »Was für eine drollige kleine Locke hast du dir denn da zugelegt?« fragte er lächelnd und zog eine Locke in die Höhe, die sich über ihrem einen Ohr kräuselte, – »die habe ich ja noch nie gesehen.«

      Sie sah hastig zu ihm auf, lächelnd, mit strahlenden Augen.

      »Sie ist in den letzten Tagen gekommen!« sagte sie, ich habe mir alle Mühe gegeben, um sie zu bändigen, aber sie will nicht!« Sie ergriff seine Hand und preßte sie gegen ihre Wange.

      »Wollen wir also einen Augenblick gehen?« fuhr sie lebhaft fort, indem sie sich erhob. Sie ergriff den Arm ihres Mannes und fing an, mit ihm zu gehen. »Komm, Hans, komm mit!«

      Vedel folgte.

      Hartwig und seine Frau gingen ein wenig vorauf durch den dunklen Garten.

      Sie schüttelte ihn am Arm. »Weshalb sagtest du eigentlich all das, was du vorhin sagtest, du Bösewicht?« fragte sie.

      »Sagte? Was hab ich denn gesagt?«

      »Bist du meiner überdrüssig, Ernst?« fuhr sie leise fort und sah ihm eindringlich ins Gesicht.

      Er lachte auf seine nachsichtige Weise: »Das wäre allerdings ein bischen früh, du!«

      »Ja, aber warum sagtest du denn das alles?«

      »Ach, Schatz, man muß doch etwas sagen, nicht wahr? Wir hatten ja eine ganze Stunde dagesessen und geistreich auf den Strandweg hinausgestarrt, worauf kommt man da nicht? Das nächste Mal will ich die Ehe gern in Schutz nehmen, wenn du meinst, daß sie dessen bedarf!«

      Sie aber schüttelte den Kopf. »Ich weiß wirklich nicht, was ich von dir denken soll, Ernst!«

      »Du und Vedel, ihr nehmt es alles gleich tragisch!« sagte er ein wenig ärgerlich, »man kann ja niemals —«

      Sie aber unterbrach ihn schroff und starrte ihm ins Gesicht.

      »Machst du dir etwas aus mir, Ernst?«

      Er mußte lächeln. »Liebe, kleine Inga,« sagte er und wurde plötzlich ganz ernsthaft.

      »Ich liebe dich Ingeborg,« sagte er gedämpft, – »ich entbehre dich immer, wenn ich dich nicht sehe. Kannst du das denn nicht fühlen?«

      Seine Stimme war so zärtlich und warm, daß sie ganz fröhlich wurde.

      »Ja!« rief sie aus. »Hans!«

      Sie wendete sich um und winkte Vedel zu, der ein wenig hinter ihnen ging und die Erde mit seinem Stock bearbeitete. Er näherte sich schnell.

      »Du alter Hans!« Sie faßte ihn unter den Arm und sah ihm vor Vergnügen strahlend in die Augen.

      Dann gingen sie alle drei schweigend weiter, während Vedel seine Schritte sorgfältig den ihren anpaßte, und ihr herabgefallene Zweige mit dem Stock aus dem Wege räumte.

      Es dämmerte stark, und langsam schritten sie weiter. Die junge Frau ließ ihre Füße leise über den Kies gleiten, und wiegte sich sanft bald nach der einen, bald nach der andern Seite, leicht auf den Armen ihrer Freunde ruhend.

      »Wenn dies doch mein Garten wäre!« sagte Hartwig plötzlich, »dann wollte ich schon etwas Schönes daraus machen!«

      »So kauf' ihn doch – so kauf' ihn doch – so kauf' ihn doch!« summte Frau Ingeborg im Takt mit ihren Schritten.

      »Ja, ich danke!« lachte er. »Die 45000 Kronen habe ich wirklich nicht so in der Westentasche! Vorläufig finde ich, sind 1700 Kronen jeden Sommer ganz hinreichend.«

      »Haben Sie schon früher hier gewohnt?« fragte Vedel, – »vor diesem Sommer, ehe Sie sich verheirateten?«

      »Nein,« sagte er, »früher ging ich jeden Sommer nach Hause, auf das Gut meiner Mutter. Jetzt sitzt sie allein da und brütet über ihren Kalekuten.«

      Die junge Frau lachte laut.

      »Ja, das letzte von deiner Mutter, dessen ich mich entsinne,« sagte sie, »das war, als sie mitten auf dem Hofe stand und uns mit einem roten Tuche nachwinkte, umgeben von zweihundert Kalekuten!«

      »Jetzt übertreibst du aber!« lachte Hartwig, »aber es endet noch damit, daß sie sie in Stücke zerreißen, – das ist ganz sicher. – — Aber was ich sagen wollte: der Park hier, – ist der nicht fast der größte von allen Villengärten hier in der Nähe, Vedel?«

      »Es ist unbedingt der größte,« sagte Vedel.

      »Aber er ist schlecht gehalten!«

      »Was würdest du thun, wenn er dir gehörte?« fragte Frau Ingeborg.

      Er

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