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welche zu einem Groschen das Stück.«

      »Unsinn«, antwortete ich, »Schwindler nennen sich nicht Blumenthal. Die nennen sich Graf Blumenau oder so.«

      »Der Mann kommt wieder«, meinte Lenz, hoffnungsvoll wie immer, und blies mir den Rauch meiner Zigarre ins Gesicht.

      »Der nicht«, sagte ich überzeugt.

      »Sie sind angerufen worden«, sagte Frida, das Dienstmädchen Frau Zalewskis, als ich mittags auf einen Sprung nach Hause kam. Ich drehte mich um.

      »Wann?«

      »Vor‚ ner halben Stunde. War‚ ne Dame.«

      »Was hat sie denn gesagt?«

      »Sie will abends noch mal anrufen.«

      »Hat die Dame nicht ihren Namen genannt?«

      »Nee«, sagte Frida.

      »Was hatte sie denn für eine Stimme? Ein bißchen dunkel und tief und so, als wäre sie etwas heiser?«

      »Weiß ich nicht«, erklärte Frida phlegmatisch, als hätte ich ihr nie eine Mark in die Hand gedrückt.

      Abends um sechs Uhr war ich pünktlich zu Hause. Als ich die Tür aufmachte,sah ich ein ungewohntes Bild. Auf dem Korridor stand Frau Bender, die Säuglingsschwester, umgeben von sämtlichen Damen der Pension.

      »Kommen Sie mal her«, sagte Frau Zalewski.

      Die Ursache der Versammlung war ein Baby, das vielleicht ein halbes Jahr alt war. Frau Bender hatte ihn aus ihrem Heim in einem Kinderwagen mitgebracht.

      »Ist es nicht ein reizendes Wesen?« fragte Frau Zalewski mit schwimmenden Blick.

      »Das kann man erst so in zwanzig, dreißig Jahren richtig beurteilen«, erwiderte ich.

      Ich sah hin. Es war ein Baby wie alle. Ich konnte nichts Besonderes daran entdecken.

      »Der arme Wurm«, sagte ich, »der hat noch keine Ahnung, was ihm bevorsteht. Möchte wissen, für was für einen Krieg der gerade zurechtkommt.«

      »Rohling«, erwiderte Frau Zalewski. »Haben Sie denn kein Gefühl?«

      »Viel zuviel«, erklärte ich, »sonst käme ich ja nicht auf solche Gedanken.«

      Damit zog ich ab in mein Zimmer.

      Zehn Minuten später klingelte das Telefon. Ich hörte meinen Namen und ging hinaus. Die ganze Gesellschaft war noch da! Es war Patrice Hollmann, die sich für die Blumen bedankte. Das Baby fing plötzlich an zu weinen.

      »Entschuldigen Sie«, sagte ich in das Telefon, »ich kann Sie nicht verstehen, hier ist ein Säugling; aber es ist nicht meiner.«

      Es war mir ein Rätsel, daß ich es fertigbrachte, mich trotzdem zum nächsten Abend zu verabreden.

      Abends waren wir bei Gottfried verabredet. Ich aß in einer kleinen Kneipe und ging dann hin. Unterwegs kaufte ich mir im elegantesten Herrenmodengeschäft zur Feier des Tages eine prachtvolle neue Krawatte. Ich war immer noch überrascht, wie glatt alles gegangen war, und ich gelobte mir, morgen seriös zu sein wie der Generaldirektor eines Beerdigungsinstitutes. Gottfrieds Bude war eine Sehenswürdigkeit. Sie hing voll von Reiseandenken, die er aus Südamerika mitgebracht hatte. Außer Lenz und Köster waren Braumüller und Grau noch da. Theo Braumüller hockte mit sonnenverbranntem, kupfernem Schädel auf der Sofalehne und musterte begeistert Gottfrieds fotografische Sammlung. Er war Rennfahrer für eine Autofabrik und seit langem mit Köster befreundet. Am Sechsten fuhr er das Rennen mit, zu dem Otto Karl gemeldet hatte. Ferdinand Grau saß massig, ziemlich betrunken am Tisch. Als er mich sah, zog er mich mit seiner breiten Pratze zu sich heran.

      »Robby«, sagte er mit schwerer Stimme, »was willst du hier unter den Verlorenen? Du hast hier nichts zu suchen. Geh wieder weg. Rette dich. Du kannst es noch!«

      Ich blickte zu Lenz hinüber. Er zwinkerte mir zu.

      »Ferdinand ist hoch in Form. Er versäuft seit zwei Tagen eine liebe Tote. Hat ein Porträt verkauft und gleich Geld bekommen.«

      Ferdinand Grau war Maler. Dabei wäre er aber längst verhungert, wenn er nicht eine Spezialität gehabt hätte. Er malte nach Fotografien fabelhaft Porträts von Verstorbenen für Angehörige. Davon lebte er – sogar ganz gut. Seine Landschaften, die ausgezeichnet waren, kaufte kein Mensch.

      Ich kletterte über das Sofa zu Köster hinüber. Mir war plötzlich etwas eingefallen.

      »Otto, du mußt mir mal einen Gefallen tun. Ich brauche morgen abend den Cadillac.«

      Braumüller unterbrach das intensive Studium einer wenig bekleideten kreolischen Tänzerin.

      »Kannst du denn schon Kurven fahren?« erkundigte er sich. »Ich dachte bis jetzt, du könntest nur geradeaus fahren, wenn ein anderer für dich steuert.«

      »Sei du ruhig, Theo«, erwiderte ich, »aus dir werden wir beim Rennen am Sechsten schon Hackfleisch machen.«

      Braumüller gluckste vor Lachen.

      »Also wie ist das, Otto?« fragte ich gespannt.

      »Der Wagen ist nicht versichert, Robby«, sagte Köster.

      »Ich werde wie eine Schnecke schleichen und wie ein Omnibus hupen. Nur ein paar Kilometer in der Stadt.«

      Otto schloß die Augen bis auf einen kleinen Spalt und lächelte.

      »Gut, Robby; meinetwegen.«

      »Brauchst du den Wagen vielleicht zu deiner neuen Krawatte?« fragte Lenz, der herangekommen war.

      »Halt den Schnabel«, sagte ich und schob ihn beiseite. Aber er ließ nicht locker. »Zeig mal her, Baby!«

      Er befühlte die Seide. »Herrlich. Unser Kind als Gigolo. Mir scheint, du willst auf Brautschau!«

      »Du kannst mich heute nicht beleidigen, du Verwandlungskünstler«, erwiderte ich.

      Grau saß schwer und massig da, plötzlich in sich selbst und seine Trunkenheit versunken. Sein Leben war kaputt, und er wußte, daß er es nicht mehr zusammenbringen konnte. Er hauste in seinem großen Atelier und hatte ein Verhältnis mit seiner Haushälterin. Die Frau war fest und derb. Grau dagegen, trotz seines mächtigen Körpers, empfindsam und haltlos. Er kam nicht los von ihr, und es war ihm wohl auch schon egal. Er war zweiundvierzig Jahre alt. Obschon ich wußte, daß es die Betrunkenheit war, fühlte ich doch einen leisen, merkwürdigen Schauer, als ich ihn so sah. Er kam nicht oft und trank fast immer allein in seinem Atelier. Das bringt einen rasch‚ runter. Lenz zog das Grammophon auf. Er hatte einen Haufen Negerplatten und spielte ein paar – vom Mississippi, von Baumwollpflückern und von den schwülen Nächten an den blauen tropischen Flüssen.

      6

      Patrice Hollmann wohnte in einem großen gelben Häuserblock. Vor dem Eingang stand eine Laterne. Ich parkte den Cadillac direkt darunter. Er sah in dem bewegten Licht aus wie ein mächtiger Elefant. Ich hatte meine Garderobe noch weiter vervollständigt. Zu der Krawatte hatte ich noch einen neuen Hut und ein Paar Handschuhe gekauft – außerdem trug ich einen Ulster[4] von Lenz, ein herrliches graues Stück aus feinster Shetlandwolle. So ausgerüstet, wollte ich meinen ersten säuferischen Eindruck nachdrücklich in die Flucht schlagen. Ich hupte. Patrice Hollmann öffnete die Tür und kam rasch die Treppe herunter. Sie trug eine kurze braune Pelzjacke und einen engen braunen Rock.

      »Hallo!« Sie streckte mir die Hand entgegen. »Ich freue mich so, herauszukommen. Ich war den ganzen Tag zu Hause.«

      Ich hatte gern, wie sie die Hand gab – mit einem Druck, der kräftiger war, als man vermutete. Ich haßte Leute, die einem schlaff die Hand hinhielten wie einen toten Fisch.

      »Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt«, erwiderte ich. »Ich hätte Sie dann schon mittags abgeholt.«

      »Haben Sie denn soviel Zeit?«

      »Das nicht. Aber ich hätte mich schon frei gemacht.«

      Sie holte tief Atem. »Wunderbare Luft! Es riecht nach Frühling.«

      »Wenn

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