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Liebe deinen Nächsten / Возлюби ближнего своего. Книга для чтения на немецком языке. Эрих Мария Ремарк
Читать онлайн.Название Liebe deinen Nächsten / Возлюби ближнего своего. Книга для чтения на немецком языке
Год выпуска 2017
isbn 978-5-9925-0650-1
Автор произведения Эрих Мария Ремарк
Жанр Зарубежная классика
Серия Moderne Prosa
Издательство КАРО
Der Kellner verbeugte sich. „Danke, mein Herr. Sie haben Verständnis für unsereins. Das findet man selten.“
„Ach wo!“ erwiderte Steiner. „Ich langweile mich nur, das ist alles.“
„Ich habe Leute gekannt, die sind schon auf schlechtere Ideen gekommen, wenn sie sich gelangweilt haben“, sagte der Kellner.
Er trank und kratzte sich die Gurgel. „Mein Herr“, sagte er dann vertraulich, „ich weiß doch, worum es sich bei Ihnen handelt – wenn ich Ihnen einen Rat geben dürfte, würde ich Ihnen den toten Österreicher empfehlen. Es gibt ja auch noch tote Rumänen, die sind sogar etwas billiger – aber wer kann schon rumänisch?“
Steiner sah ihn scharf an.
Der Kellner ließ seine Gurgel im Stich und begann, sich den Nacken zu reiben. Er kratzte dazu mit dem Fuß wie ein Hund. „Am besten wäre natürlich ein Amerikaner oder ein Engländer“, sagte er nachdenklich. „Aber wann stirbt schon mal ein Amerikaner in Österreich! Und wenn schon, vielleicht durch einen Autounfall – wie kommt man an den Pass?“
„Ich glaube, ein deutscher ist besser als ein österreichischer“, sagte Steiner. „Schlechter zu kontrollieren.“
„Das schon. Aber Sie kriegen keine Arbeitserlaubnis darauf. Nur Aufenthalt. Mit einem toten Österreicher dagegen können Sie überall in Österreich arbeiten.“
„Bis man erwischt wird.“
„Ja, natürlich! Aber wer wird in Österreich schon erwischt? Höchstens der Falsche…“
Steiner musste lachen. „Man kann auch mal der Falsche sein. Es bleibt gefährlich.“
„Ach, wissen Sie, mein Herr“, sagte der Kellner, „gefährlich soll’s auch sein, wenn man in der Nase bohrt.“
„Ja; aber darauf steht kein Zuchthaus.“
Der Kellner fing an, vorsichtig seine Nase zu massieren. Er bohrte aber nicht. „Ich meine es gut, mein Herr“, sagte er. „Ich habe hier meine Erfahrungen gesammelt. Ein toter Österreicher ist noch das Reellste.“
Gegen zehn Uhr kamen die beiden Passhändler. Einer von ihnen, ein behender Mensch mit Vogelaugen, führte die Unterhaltung. Der andere saß nur massig und aufgeschwemmt dabei und schwieg.
Der Redner zog einen deutschen Pass hervor. „Wir haben uns bei unseren Geschäftsfreunden erkundigt. Sie können diesen Pass auf Ihren eigenen Namen ausgestellt bekommen. Die Personalbeschreibung wird weggewaschen und Ihre eigene eingesetzt. Bis auf den Geburtsort natürlich, da müssen Sie schon Augsburg nehmen, weil die Stempel von dort sind. Das kostet allerdings zweihundert Schilling mehr. Präzisionsarbeit, verstehen Sie?“
„Soviel Geld habe ich nicht“, sagte Steiner. „Ich lege auch keinen Wert auf meinen Namen.“
„Dann nehmen Sie ihn so. Wir ändern nur die Fotografie. Den kleinen Stempelrand, der über das Foto läuft, machen wir Ihnen gratis dazu.“
„Nützt nichts. Ich will arbeiten. Mit dem Pass da bekomme ich keine Arbeitserlaubnis.“
Der Redner zuckte die Achseln. „Dann bleibt nur der österreichische. Damit können Sie hier arbeiten.“
„Und wenn bei der Polizeibehörde angefragt wird, die ihn ausgestellt hat?“
„Wer soll anfragen? Wenn Sie nichts ausfressen?“ „Dreihundert Schilling“, sagte Steiner.
Der Redner fuhr zurück. „Wir haben feste Preise“, erklärte er beleidigt. „Fünfhundert, nicht einen Groschen darunter.“
Steiner schwieg.
„Bei dem deutschen hätte man was machen können, so was kommt öfter vor. Aber ein österreichischer ist was Rares. Wann hat ein Österreicher schon mal einen Pass? Im Lande braucht er keinen, und wann reist er schon ins Ausland? Dazu noch bei der Devisensperre! Fünfhundert ist geschenkt dafür.“
„Dreihundertfünfzig.“
Der Redner ereiferte sich. „Dreihundertfünfzig habe ich selbst der Trauerfamilie gezahlt. Was meinen Sie, was für Arbeit dazu gehört hat! Dazu die Provisionen und die Spesen. Pietät[34] ist teuer, mein Herr! So frisch vom Grabe weg was zu bekommen, da müssen Sie schön bare Pimperlinge auf den Tisch zählen! Nur bares Geld trocknet die Tränen und läßt die Trauer zurücktreten! Vierhundertfünfzig meinetwegen, gegen unsere Interessen, weil Sie uns sympathisch sind.“
Sie einigten sich auf vierhundert. Steiner zog eine Fotografie von sich aus der Tasche, die er in einem Automaten für einen Schilling hatte machen lassen. Die beiden gingen damit los, und eine Stunde später brachten sie den Pass zurück. Steiner bezahlte ihn und steckte ihn ein.
„Viel Glück!“ sagte der Redner. „Und noch einen Tip. Wenn er abgelaufen ist, können wir ihn verlängern. Datum wegwaschen und ändern. Sehr einfach. Die einzige Schwierigkeit sind die Visa. Je später Sie weiche brauchen, um so besser – desto länger kann man das Datum verschieben.“
„Das hätten wir doch jetzt schon tun können“, sagte Steiner.
Der Redner schüttelte den Kopf. „Besser für Sie so. Sie haben so einen echten Pass, den Sie gefunden haben können. Eine Fotografie auszutauschen ist nicht so schlimm, wie etwas Schriftliches zu ändern. Und Sie haben ja ein Jahr Zeit. Da kann viel passieren.“
„Hoffentlich.“
„Strenge Diskretion natürlich, nicht wahr? Unser aller Interesse. Höchstens mal eine seriöse Empfehlung. Sie kennen ja den Weg. Alsdann[35], guten Abend.“
„Guten Abend.“
„Strszecz miecze[36]“, sagte der Schweiger.
„Er spricht nicht deutsch“, grinste der Redner auf einen Blick Steiners. „Hat aber eine wunderbare Hand für Stempel. Streng seriös natürlich.“
Steiner ging zum Bahnhof. Er hatte seinen Rucksack dort in der Gepäckaufbewahrung gelassen. Am Abend vorher war er aus der Pension ausgezogen. Die Nacht hatte er auf einer Bank in den Anlagen geschlafen. Morgens hatte er sich in der Bahnhoftoilette den Schnurrbart abrasiert und dann die Fotografie machen lassen. Eine wilde Genugtuung erfüllte ihn. Er war jetzt der Arbeiter Johann Huber aus Graz.
Unterwegs blieb er stehen. Er hatte noch etwas zu regeln aus der Zeit, als er Steiner hieß. Er ging zu einem Telefonautomaten und suchte im Telefonbuch eine Nummer. „Leopold Schäfer“, murmelte er, „Trautenaugasse siebenundzwanzig.“ Der Name hatte sich ins Gedächtnis eingebrannt.
Er fand die Nummer und rief an. Eine Frau meldete sich. „Ist der Wachmann Schäfer zu Hause?“ fragte er.
„Ja, ich will ihn gleich rufen.“
„Das ist nicht nötig“, erwiderte Steiner rasch. „Hier ist die Polizeidirektion Elisabethpromenade. Um zwölf Uhr ist eine Razzia. Der Wachmann Schäfer hat sich um dreiviertel zwölf hier zu melden. Haben Sie verstanden?“
„Ja. Um dreiviertel zwölf.“ – „Gut.“ Steiner hängte ab.
Die Trautenaugasse war eine schmale, stille Straße, mit kahlen Kleinbürgerhäusern. Steiner sah sich Haus Nummer siebenundzwanzig genau an. Es unterschied sich in nichts von den andern; aber es erschien ihm besonders widerwärtig. Dann ging er ein Stück zurück und wartete.
Der Wachmann Schäfer kam eilig und wichtig aus dem Haus gepoltert. Steiner ging ihm so entgegen, dass er ihm an einer dunklen Stelle begegnete. Dort rempelte er ihn mit einem mächtigen Schulterstoß an.
Schäfer taumelte. „Sind Sie besoffen, Mensch?“ brüllte er. „Sehen Sie nicht, dass Sie einen Beamten im Dienst vor sich haben?“
„Nein“, erwiderte Steiner. „Ich sehe nur einen jämmerlichen Hurensohn! Einen Hurensohn, verstehst du?“
Schäfer war einen Moment sprachlos. „Mensch“,
34
Pietät, die – die Rücksicht auf religiöse Gefühle anderer oder auf ihre Trauer um Tote
35
alsdann (
36
„Strszecz miecze“ <poln.> – „Behalten Sie die Schwerte“