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ng von Goethe

      Die Aufgeregten

      Personen

      Die Gräfin.

      Friederike, ihre Tochter.

      Karl, ihr Söhnchen.

      Der Baron, ein Vetter.

      Der Hofrat.

      Breme von Bremenfeld, Chirurgus.

      Karoline, Bremens Tochter.

      Luise, Bremens Nichte.

      Der Magister, Hofmeister des jungen Grafen.

      Der Amtmann.

      Jakob, junger Landmann und Jäger.

      Martin,

      Albert,

      Peter, Landleute.

      Georg, Bedienter der Gräfin.

      Erster Aufzug

      Erster Auftritt

      (Ein gemeines Wohnzimmer, an der Wand zwei Bilder, eines bürgerlichen

      Mannes und seiner Frau, in der Tracht, wie sie vor fünfzig oder sechzig Jahren zu sein pflegte. Nacht.)

      Luise, an einem Tisch, worauf ein Licht steht, strickend. Karoline, in einem Großvatersessel gegenüber, schlafend.

      Luise (einen eben vollendeten gestrickten Strumpf in die Höhe haltend). Wieder ein Strumpf! Nun wollt' ich, der Onkel käme nach Hause; denn ich habe nicht Lust, einen andern anzufangen. (Sie steht auf und geht ans Fenster.) Er bleibt heut' ungewöhnlich lange weg, sonst kommt er doch gegen elf Uhr, und es ist jetzt schon Mitternacht. (Sie tritt wieder an den Tisch.) Was die französische Revolution Gutes oder Böses stiftet, kann ich nicht beurteilen; so viel weiß ich, dass sie mir diesen Winter einige Paar Strümpfe mehr einbringt. Die Stunden, die ich jetzt wachen und warten muss, bis Herr Breme nach Hause kommt, hätt' ich verschlafen, wie ich sie jetzt verstricke, und er verplaudert sie, wie er sie sonst verschlief.

      Karoline (im Schlaf redend).

      Nein, nein! Mein Vater!

      Luise (sich dem Sessel nähernd). Was gibt's, liebe Muhme? – Sie antwortet nicht! – Was nur dem guten Mädchen sein mag! Sie ist still und unruhig; des Nachts schläft sie nicht, und jetzt, da sie vor Müdigkeit eingeschlafen ist, spricht sie im Traum. Sollte meine Vermutung gegründet sein? Sollte der Baron in diesen wenigen Tagen einen solchen Eindruck auf die gemacht haben, so schnell und so stark? (Hervortretend.) Wunderst du dich, Luise, und hast du nicht selbst erfahren, wie die Liebe wirkt, wie schnell und wie stark!

      Zweiter Auftritt

      Die Vorigen. Georg.

      Georg (heftig und ängstlich).

      Liebes Mamsellchen, geben Sie mir geschwinde, geschwinde —

      Luise.

      Was denn, Georg?

      Georg.

      Geben Sie mir die Flasche.

      Luise.

      Was für eine Flasche?

      Georg. Ihr Herr Onkel sagte, Sie sollen mir die Flasche geschwinde geben; sie steht in der Kammer, oben auf dem Brett rechter Hand.

      Luise.

      Da stehen viele Flaschen; was soll denn drinn sein?

      Georg.

      Spiritus.

      Luise. Es gib allerlei Spiritus; hat er sich nicht deutlicher erklärt? Wozu soll's denn?

      Georg.

      Er sagt' es wohl, ich war aber so erschrocken. Ach, der junge Herr —

      Karoline (die aus dem Schlaf auffährt).

      Was gibt's? – Der Baron?

      Luise.

      Der junge Graf?

      Georg.

      Leider, der junge Graf!

      Karoline.

      Was ist ihm begegnet?

      Georg.

      Geben Sie mir den Spiritus.

      Luise. Sage nur, was dem jungen Grafen begegnet ist, so weiß ich wohl, was der Onkel für eine Flasche braucht.

      Georg. Ach, das gute Kind! Was wird die Frau Gräfin sagen, wenn sie morgen kommt! Wie wird sie uns ausschelten!

      Karoline.

      So red' Er doch!

      Georg. Er ist gefallen, mit dem Kopf vor eine Tischecke, das Gesicht ist ganz in Blut; wer weiß, ob nicht gar das Auge gelitten hat.

      Luise (indem sie einen Wachsstock anzündet und in die Kammer geht).

      Nun weiß ich, was sie brauchen.

      Karoline.

      So spät! Wie ging das zu?

      Georg. Liebes Mamsellchen, ich dachte lange, es würde nichts Gutes werden. Da sitzt Ihr Vater und der Hofmeister alle Abend beim alten Pfarrer und lesen die Zeitungen und Monatsschriften, und so disputieren sie und können nicht fertig werden, und das arme Kind muss dabei sitzen; da druckt sich's denn in eine Ecke, wenn's spät wird, und schläft ein, und wenn sie aufbrechen, da taumelt das Kind schlaftrunken mit, und heute – nun sehen Sie – da schlägt's eben zwölfe – heute bleiben sie über alle Gebühr aus, und ich sitze zu Hause und habe Licht brennen, und dabei stehen die andern Lichter für den Hofmeister und den jungen Herrn, und Ihr Vater und der Magister bleiben vor der Schlossbrücke stehen und können noch nicht fertig werden —

      Luise (kommt mit einem Glase zurück).

      Georg (fährt fort). Und das Kind kommt in den Saal getappt und ruft mich, und ich fahre auf und will die Lichter anzünden, wie ich immer tue, und wie ich schlaftrunken bin, lösche ich das Licht aus. Indessen tappt das Kind die Treppe hinauf, und auf dem Vorsaal stehen die Stühle und Tische, die wir morgen früh in die Zimmer verteilen wollen; das Kind weiß es nicht, geht geradezu, stößt sich, fällt, wir hören es schreien, ich mache Lärm, ich mache Licht, und wie wir hinaufkommen, liegt's da und weiß kaum von sich selbst. Das ganze Gesicht ist blutig. Wenn es ein Auge verloren hat, wenn es gefährlich wird, geh' ich morgen früh auf und davon, eh' die Frau Gräfin ankommt; mag's verantworten, wer will!

      Luise (die indessen einige Bündelchen Leinwand aus der Schublade genommen, gibt ihm die Flasche). Hier! Geschwind! Trage das hinüber und nimm die Läppchen dazu, ich komme gleich selbst. Der Himmel verhüte, dass es so übel sei! Geschwind, Georg, geschwind! (Georg ab.) Halte warmes Wasser bereit, wenn der Onkel nach Hause kommt und Kaffee verlangt. Ich will geschwind hinüber. Es wäre entsetzlich, wenn wir unsere gute Gräfin so empfangen müssten. Wie empfahl sie nicht dem Magister, wie empfahl sie nicht mir das Kind bei ihrer Abreise! Leider hab' ich sehen müssen, dass es die Zeit über sehr versäumt worden ist. Dass man doch gewöhnlich seine nächste Pflicht versäumt! (Ab.)

      Dritter Auftritt

      Karoline. Hernach der Baron.

      Karoline (nachdem sie einige Mal nachdenkend auf und ab gegangen). Er verlässt mich keinen Augenblick, auch im Traum selbst war er mir gegenwärtig. O, wenn ich glauben könnte, dass sein Herz, seine Absichten so redlich sind, als seine Blicke, sein Betragen reizend und einnehmend ist! Ach, und die Art, mit der er alles zu sagen weiß, wie edel er sich ausdrückt! Man sage, was man will, welche Vorzüge gibt einem Menschen von edler Geburt eine standesmäßige Erziehung! Ach, dass ich doch seinesgleichen wäre!

      Der Baron (an der Türe).

      Sind Sie allein, beste Karoline?

      Karoline. Herr Baron, wo kommen Sie her? Entfernen Sie sich! Wenn mein Vater käme! Es ist nicht schön, mich so zu überfallen.

      Baron. Die Liebe, die mich hieher führt, wird auch mein Fürsprecher bei Ihnen sein, angebetete Karoline. (Er will sie umarmen.)

      Karoline.

      Zurück, Herr Baron! Sie sind sehr verwegen. Wo kommen Sie her?

      Baron. Ein Geschrei weckt mich, ich springe herunter und finde, dass mein Neffe sich eine Brausche gefallen hat. Ich finde Ihren Vater um das Kind beschäftigt, nun

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