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zu denen wir flehen.«

      »Auch ein Lügner mag laute Stimme haben«, versetzte Kunibert.

      »Er aber ist kein Landläufer,« fuhr Bruno fort, »wie ein König wandelt er einher, würdig, in vornehmem Gewande, ein weit anderer Mann scheint er als der kleine Meginhard, und wenn ich recht urteile, so gleicht er durchaus nicht einem Betrüger.«

      »Wie kannst du ihn einem König vergleichen,« rief Kunibert, »da er keine Waffen trägt und ganz unkriegerisch ist.«

      »Hat nicht manches Volk, das zu unseren Göttern fleht, den gleichen Brauch? Auch bei unseren Nachbarn, den Sachsen, ist es dem Opferer nicht erlaubt, den Speer zu werfen und im Haufen zu kämpfen. Sage uns, Ingram, da du sein Geleitsmann warst, ob du ihn als einen furchtsamen Mann erkannt hast.«

      In innerem Widerstreben antwortete Ingram: »Ich habe ihn in der Gefahr furchtlos gefunden, aber unmännlich weigert er sich, Rache zu nehmen an einem Feinde.«

      Seine Genossen sahen erstaunt einander an und die jüngeren lachten verächtlich. Nur Bruno sprach kopfschüttelnd: »Auch ich habe vernommen, daß ihr Gott gebietet, die Feinde zu lieben, dennoch lache ich nicht über solche Lehre, wenn sie auch jedem wehrhaften Mann unrühmlich und unverständig erscheint. Denn ich merke, auch in ihr ist ein Geheimnis und eine Deutung, die ich nicht verstehe. Ist doch Graf Gerold ein Christ und mancher andere, der seines Schwertes froh wird. Wie die Franken auch sonst von Gemüt sein mögen, daß sie vor Blut erschrecken, darf ihnen keiner nachsagen. Und gerade an dieser Lehre von der Liebe mögen wir erkennen, daß die Christen sich auf eine Schrift stützen, die ihnen von einem Gotte überliefert ist, denn einem Gott ist eher möglich, Unmenschliches zu gebieten, als einem Mann, und alle Christen lehren und sprechen dasselbe, auch wenn es ihnen selbst lästig wird, darnach zu handeln. Achtet wohl darauf, genau mit denselben Worten wie jener Bischof sprach auch sonst der kleine Memmo und der Priester des Grafen, obgleich sie nicht so streng gegen das Roßfleisch und das Beilager mit fremden Frauen eiferten als der Fremde. Furchtbar für uns alle ist eine Lehre, welche von dem Gotte selbst herkommt und als wahrhaft durch seine Schrift bezeugt wird.«

      »Deutlicher sprechen unsere Götter zu uns,« rief Ingram das Haupt erhebend, »von ihnen berichtet das Lied des Sängers und der Spruch der Weisen, ihre Stimme höre ich im rauschenden Baum, im singenden Quell, im Schlage des Donners; jedes Frühjahr fährt der Sturmwind über die Täler, und wenn die Götterhunde bellen und die Geisterrosse schnauben, zieht der große Schlachtengott über unseren Häuptern dahin. Wer begehrt sich ein stärkeres Zeugnis als dieses, das wir alle Tage ehrfürchtig hören oder sehen.«

      »Sinnvoll redest du«, sprach Bruno zu den Raben aufblickend, welche um den Baum flogen und ihr wildes Lied schrien, »überall schweben sie um uns und ihre Boten verkünden, daß sie nahe sind. Dennoch ängstigt mich, daß sie gegen den Fremden ohnmächtig werden. Wenn sie im Wipfel des Baumes wohnen, wenn sie durch die Luft fahren, warum strafen sie ihn nicht? Das Zelt hatte er für den Dienst seines Gottes errichtet unter dem Fruchtbaum, von dem wir die Losstäbe schneiden; an dem Baume rinnt ein Quell, zu dessen Herrin wir flehen, ich sah auf den Baum und ich sah in den Quell, während er sprach; das Laub rührte sich gerade wie sonst, und wenn er schwieg, sang der Quell weiter. Ich schaute der Sonne, unserer lieben Herrin, in das Angesicht, als ihre Strahlen auf sein Haupt fielen, bis sie mir für meine Unverschämtheit den Blick schwärzte, aber mir schien, daß sie fröhlich aussah wie sonst immer, und daß sie ihm gar nicht feind ist. Ja, ich fürchte, sogar der Donner vermag nichts gegen ihn.«

      Ingram seufzte, er wußte, daß der Donnergott vermied, den Verwegenen zu treffen.

      »Darum sage ich,« fuhr Bruno kummervoll fort, »es ist eine große Verkündigung, die wir am lichten Tage durch helles Wort und durch neue Gedanken hören. Wer in versammeltem Volk seiner Rede lauscht, dem wird es schwer, ihm zu widersprechen. Dann sind die Gedanken, welche er aufregt, viel gewaltiger als die Stimmen der Überirdischen, welche wir ehren. Aber wenn der Mann allein steht im dunklen Nebel, am Waldbach, bei der wogenden Halmfrucht, oder auch in der Dämmerung am Herde, dann wird wieder die Verkündigung des Christen schwach und unsere Götter werden mächtig. Zwieträchtig ist, wie ich ahne, die Herrschaft der Götter; der neue Gott der Christen, den sie den dreieinigen nennen, herrscht wie ein Tageskönig, wo sich die Männer zusammengesellen und starke Rede erschallt; jedoch die Götter unseres Landes schweben daneben, sie walten und schaffen, aber ich sorge, sie vermögen ihn nicht zu überwinden. Schreckenvoll ist solche Zeit für jeden treuherzigen Mann. Ob sie einen Kampf der Götter bedeutet und Untergang der Männererde, oder eine neue Herrlichkeit, wer vermag das zu sagen?«

      Er senkte traurig das Haupt, auch die anderen schwiegen, bis Kunibert begann: »Jeder von uns hat schwere Gedanken. Mir aber widersteht der fremde Brauch und die neue Lehre, denn die alten Götter gaben meinem Leben Ehre und Segen, unbedachtsam und frevelhaft wäre ich, wenn ich die Holden verließe. Darum denke ich so: hat sich ein Kampf erhoben zwischen unseren Göttern und dem Christengott, so harren wir ehrfurchtsvoll, welcher der stärkere sei. Deutlich wird das auch für uns Männer; denn wer sich mächtiger erweist als Glücksspender und Siegbringer, dem müssen wir folgen, wenn wir nicht töricht sind. Ist der Christengott so gewaltig wie du sagst, so mag er demnächst unseren Waffen Sieg geben gegen die Slawen, wenn wir wider sie kämpfen. Das, meine ich, wird das große Gottesgericht sein, wo unserem Volke die Lose geworfen werden und zugleich den Göttern selbst.«

      »Folge du gefügig dem Sieger,« fuhr Ingram im Zorne auf, »ich denke treu zu bleiben den Gewaltigen, denen meine Väter gelobt haben, und die mir, seit ich ein Kind war, bei Tag und Nacht ehrwürdig gewesen sind. Längst wissen wir, daß Kampf ist auf der Männererde und Kampf im Reiche der Götter. Jeden Winter dringen die finsteren Todesgewalten gegen die guten Bewahrer unseres Glücks, mühsam ist der Streit zwischen Tageswärme und Nachtreif, auch hinter Sonne und Mond rennen, wie die Sage kündet, unablässig die Riesenwölfe, sie zu verschlingen. Ich aber will, bin ich auch nur ein einzelner Mann, in dem Götterstreit bei den guten Geistern meiner Ahnen stehen, ob sie siegen oder unterliegen. Lodert ihre Welt in Flammen, so will ich vergehen mit den Geliebten, denen ich zeither gedient. Denn Haß fühle ich gegen die neue List und die gewundene Rede und das siegesfrohe Lächeln der Priester.« Er erhob sich heftig und eilte aus seinem Hof ins Freie. Bruno sah ihm besorgt nach. »Der Sinn ist ihm verstört durch die Sorbenbande und ich fürchte, er denkt auf Gewalttat.«

      Das glühende Abendrot wich dunklem Grau, nur ein matter rötlicher Schein lag noch an dem Bergwald und den Höhen, da vernahm man auf dem Talwege, der von der Saale her zum Dorfe führt, feierlichen Gesang. Aus der Dämmerung bewegte sich ein wallender Zug, der Knabe mit dem Holzkreuz, hinter ihm Gottfried und der ganze Haufe der Frauen und Kinder, Walburg auf einem Karren von zwei Rindern gezogen. Freudengeschrei und lauter Zuruf des Volkes empfing die Geretteten, als sie den brennenden Feuern nahten. Erstaunt sahen die Fahrenden auf die Flammen und das Volksgewühl und empfingen die Glückwünsche der andringenden Menge. Der Bischof selbst eilte mit geöffneten Armen dem Zuge entgegen; umringt von dem Volke stattete ihm Gottfried seinen ersten Botenbericht ab, wie die Erledigten ausgezogen und an dem schwarzen Bach und der Wasserrinne aufwärts in den Wald gedrungen waren; dort hatten sie Tag und Nacht die Schrecken der Wildnis empfunden. Aber als sie endlich zu einem einsamen Hofe kamen, hatte der Wirt, obwohl er mehr Heide als Christ war, einen Karren bespannt und aus Furcht vor den Sorbenkriegern seinen Hausrat und die Kranke daraufgesetzt und die Wandernden mit Hausgenossen und Vieh begleitet.

      Durch die Menge, welche dem Bericht lauschte, brach Ingram. In seliger Freude rief er schon von weitem den Namen der Jungfrau, vergessen war in diesem Augenblick aller bittere Zorn und in heller Verklärung strahlte sein mannhaftes Antlitz. So erkannte ihn Walburg. Das Schleiertuch vor ihrem Gesicht bewegte sich und ihre Hand streckte sich ihm entgegen. Da trat Gottfried heran, faßte ihre Hand, hob sie mit Hilfe des Führers vom Karren und führte sie zu Winfried. Walburg sank auf die Knie und Ingram wich zurück. Mit schnellen Worten berichtete Gottfried ihren Namen und ihr Geschick, und Winfried sprach liebevoll: »Vor einem fernen Grabe habe ich gelobt für dich zu sorgen wie ein Vater, der Himmelsherr hat die erste Bitte erhört, die ich in diesem Lande um eine Seele zu ihm tat, ich nehme dich auf als ein Unterpfand, daß der Herr auch ferner meinem Tun gnädig sein wird.« Er sah zu dem Meierhofe hin, wo bereits eine Menge geschichteter Stämme zu neuem Bau lag, und rief froh: »An dieser Waldecke soll, wie ich hoffe,

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