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den getöteten Feind als Sühnopfer verzehren, während von ihrer heimatlichen Insel vertriebene Bewohner der Samao-Inseln nach Tonga und Neuseeland absegelten, bis plötzlich ein großartiger Ausbruch des Mauna-Roa das Bild zerstörte, das sich mir so in der Fülle des tropi­schen Lebens und mir geschichtlichen Erinnerungen ver­webt entrollt hatte. Verlangen nach den wunderbaren Koralleninseln des Stillen Ozeans erfasste mich mächtig, und ich gelobte mir, keine Gelegenheit unbenutzt vor­übergehen zu lassen, wenigstens einen kleinen Zug aus dem übervollen Freudenbecher zu tun, den ich dort zu meinen Füßen so unermesslich weit ausgebreitet zu se­hen wähnte.

      Mit diesem Entschluss, einige Inseln des Stillen Oze­ans kennen zu lernen, kehrte ich nach Manila zurück. Bald schien sich mir eine treffliche Gelegenheit zu bie­ten. Ich erfuhr durch einen Freund, dass ein englischer Kapitän namens Cheyne soeben mit einer Ladung Tre­pang (so heißen die für den Handel nach China zubereiteten Holothurien, eigentümliche fast wurmartige Tiere aus der Klas­se der Echinodermen) von einer den Spaniern längst be­kannten Inselgruppe, den Palaos (Pelew-Islands der Engländer, besser Palau-Inseln), angekommen sei und nach Verkauf derselben möglichst rasch wieder dahin zurückzukehren gedenke.

      Zwar lagen diese Inseln noch ziemlich nahe an den Philippinen und schienen so von keinem besonderen In­teresse, aber da ihre Bewohner sicherlich einer ganz an­dern der tagalischen, ganz fern stehenden Rasse ange­hörten und ihre Barrièrenriffe mit den durch sie einge­schlossenen Kanälen und Lagunen reiche zoologische Ernte versprachen, so verschaffte ich mir eine Empfeh­lung an diesen Kapitän. Ich besuchte ihn an Bord seines Dreimasters. Er empfing mich freundlich, fast zu sehr, war gleich bereit mich mitzunehmen und deutete mir so­gar an, dass ich mit ihm reisend wohl auch im Handel mit den Eingeborenen, den er mir gestatten wolle eini­gen Ersatz für meine Reisekosten würde finden können. Dennoch wies er mich nachher mit einigen Entschuldi­gungen ab.

      Ich vergaß bald diese Enttäuschung während einer gleich danach unternommenen Reise nach dem süd­lichsten Punkte der Philippinen, nach Zamboanga und Basilan; und ich vergaß Cheyne um so leichter, als ich bei meinen Erkundigungen nach dem Trepang-Handel mit den Palaos in Erfahrung gebracht dass noch andere Kapitäne von Zeit zu Zeit in Manila einzulaufen pflegten, welche vom Stillen Ozean herkämen, dass ich also leicht zu einer andern Zeit den ungern aufgegebenen Plan würde ausführen können.

      Jahre vergingen nun. Rastlos wandernd, bald zu Fuß, bald zu Pferde oder im Boot durchzog ich das nördliche Luzon nach allen Richtungen bis mich endlich im Okto­ber des Jahres 1861 eine lang genährte aber nicht er­kannte und unbeachtet gelassene Dysenterie (Die Dysen­terie ist eine Entzündung des Darms, die oft zu starker Diar­rhö, Magenschmerzen und Erbrechen führt.) so danieder warf, dass ich die Reise unterbrechend rasch nach Mani­la zurückkehren musste. Meinen Diener Antonio Angara schickte ich weiter auf der begonnenen Reise, da ich hoffte, ihn in kürzester Frist wieder irgendwo im Norden treffen zu können. Das Schicksal hatte es anders be­schlossen. Dort in Manila obgleich von treuen liebenden Händen gepflegt und von einem geschickten deutschen Arzt behandelt, wurde ich des Nebels nicht Herr – und mitten in meinem Gram über die Unmöglichkeit meiner Weiterreise überraschte mich eines Tages meine Braut mit dem Worte, dass der Arzt eine Seereise dringend an­rate und dass sie bereits ein Schiff gefunden habe, wel­ches in wenig Wochen nach den Carolinen absegeln sol­le! Alles war bereits mit dem Kapitän Woodin verabre­det, ich brauchte nur noch mein Wort zu geben, dass ich mich der auf höchstens vier bis fünf Monate berechneten Expedition anschließen wolle. Die sicher scheinende Aussicht auf Erfüllung eines meiner sehnsüchtigsten Wünsche gab meiner Spannkraft neue Nahrung – und ich entschloss mich leicht und gern zu einer Reise, die ich krank, nur unvollständig ausgerüstet und ohne mei­nen treuen erprobten Antonio antreten musste, die aber zu einer der genussreichsten und zugleich mühseligsten meines ganzen Wanderlebens werden sollte!

      Kapitän Woodin der Befehlshaber der „LADY LEIGH“ ein alter englischer Seemann von echtem Schrot und Korn empfing mich aufs freundlichste. Zwar bot er mir nicht an wie Cheyne es früher getan, dort neben ihm Handel treiben zu dürfen, ja er verweigerte sogar seine Einwilligung Äxte Beile und eiserne Kochschalen, die dort auf den Inseln beliebtesten Artikel zum Zweck des Eintauschens von Tieren mitnehmen zu dürfen. Aber gerade diese Offenheit und die humane Gesinnung, die aus seinem nicht sehr geistreichen Auge sprach, nah­men mich für den Mann ein. Unter seiner Leitung be­sorgte ich denn auch meine Ausrüstung, obgleich ich mir namentlich in Bezug auf Lebensmittel wie Schokolade Biscuit, Tee Plumpudding und konserviertes Fleisch eini­ge Ausschreitungen erlaubte, und es kostete mir einen kleinen Kampf, seine Einwilligung zu meinem Plane zu erhalten außer einem nur für meine leiblichen Bedürfnis­se sorgenden Diener Alejandro, noch einen jungen Mes­tizen D Enrique Gonzalez, seines Zeichens ein angehen­der Maler, mitzunehmen. Mit diesem letzteren wollte ich einmal den Versuch wagen, ob nicht ein in der zu Manila 1859 gegründeten und unter der Leitung des trefflichen spanischen Malers D Matias de Sainz stehenden Maler­schule (Real Academia de pinturas) gebildeter Mestize der Leitung seines Lehrers entzogen und selbständig ar­beitend Tüchtiges würde leisten können.

      Durch seine Hilfe hoffte ich eine Fülle ethnologischer Studien und Porträts, ohne selbst viel Zeit an die Verfer­tigung von Skizzen verwenden zu müssen, sammeln, statt dessen aber meine Zeit zu Beobachtungen aller Art und zum Fangen von Tieren verwenden zu können. Während ich teilweise die Anschaffung der Lebensmittel und der benötigten Tauschartikel (Reis, Pulver und Flin­tenkugeln, weißer und roter Calico (Kattun - Baumwolle), Taschenmesser usw. dem Kapitän überließ, wendete ich die geringe mir noch zu Gebote stehende Zeit und kör­perliche Kraft dazu an, meine Gläser für die Reise einzu­packen und alle nötigen Vorbereitungen zu zoologischen Arbeiten zu machen.

      Abfahrt der „LADY LEIGH“

      Endlich war alles bereit. Meiner Braut, die nun so nah vor der Trennung sich einer sorgenden Ängstlichkeit nicht ganz erwehren konnte, rief ich Trost noch die Scheideworte zu, „dass es ja nur eine Spazierfahrt zu nennen und etwa einer Reise von Deutschland nach Ita­lien zu vergleichen sei“; und am letzten Tage des Jahres 1861 fuhr ich, eher heiter als trübe gestimmt um 5 Uhr abends an Bord der „LADY LEIGH“. Der kleine Schoner von 110 Tonnen Gehalt lichtete um 6 Uhr die Anker.

      Kgraphics14 arte aus dem Originalbuch

      Aber schon die Neujahrsnacht brachte uns Unglück. Noch in der Bai von Manila in der Nähe des Leuchtturms der Insel Corregider mussten wir ankern – das Schiff machte Wasser – und erst am 2. Januar konnte das Leck gestopft werden, denn Kapitän Woodin war ein energischer Seemann, aber auch ein frommer Englän­der, der am Neujahrstag nur das eindringende Wasser auspumpen ließ, sonst aber nicht arbeiten lassen wollte. Mittags den 2. Januar fuhren wir fort, und nun ging es lustig bei frischem Winde zum Hafen hinaus an Ambil vorbei in die Straße zwischen Mindoro und der Provinz Natangas hinein. Hier wechselten stürmische Winde und Windstillen. Mochte nun bei dem heftigen Herum­werfen des kleinen und alten Fahrzeuges das frühere Leck wieder aufgesprungen oder ein neues entstanden sein, genug, wir mussten während dieser Tage wieder ziemlich stark pumpen und schließlich im Hafen von Bu­rias am 7. Januar einlaufen, um das Schiff womöglich gründlichen Reparatur zu unterwerfen.

      Die Einfahrt in den kleinen, aber sehr geschützten Ha­fen von Bunas ist schmal und eng, durch die zahlreichen von Korallen bedeckten Untiefen in der Nähe der Ufer gefährlich und nur bei gutem Winde und am Tage zu passieren. Dadurch dass diese kanalartige Lücke zwi­schen der eigentlichen Insel Burias und der nach Wes­ten liegenden Insel Busin sich in der Nähe der Haupt­stadt des kleinen Distrikts bassinartig ausweitet, entsteht ein jeglichem Seegange fast gänzlich entzogener und auch gegen die Südweststürme wie gegen den heftigen Nordostmonsun geschützter Hafen. Doch wird er nur im Binnenverkehr von einiger Bedeutung sein können; denn er ist einesteils zu klein und der Eingang zu schwierig für große Schiffe, andererseits aber ist die Insel selbst von zu geringer Bedeutung und den Nachbarprovinzen ge­genüber zu ungünstig gelegen, um jemals zu einem Aus­fuhrhafen nach fremden Ländern werden zu können. Die Insel selbst, lang und schmal, hügelig aber sicher nicht im Mittel die Höhe von 800 bis 1000 Fuß überstei­gend (nach Schätzung) ist zum größten Teil bedeckt von Wiesen, die hier und

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