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      Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn

      Die Bibliothek des Kurfürsten

      Historischer Roman

      Zum Buch

      Umkämpfte Schriften Oktober 1621. Die Schlacht am Weißen Berg ist geschlagen, der Kurfürst auf der Flucht. Jakob Liebig sucht im Auftrag des bayerischen Herzogs Heidelberg auf, um die wertvollen Handschriften und wissenschaftlichen Aufzeichnungen aus der Bibliothek des geflohenen Kurfürsten zu sichern. Doch schon bei seiner Ankunft wird er ins Gefängnis geworfen, wegen eines brutalen Mordes, den er nicht begangen hat. Um seine Unschuld zu beweisen, muss er auf Befehl des Stadtkommandanten herausfinden, wer hinter der Bluttat steckt. Im Laufe der Ermittlungen trifft Jakob auf seine alten Freunde Matthias und Sophie. Sofort flammen vergessen geglaubte Gefühle auf. Während das katholische Heer näher rückt und verbotene Flugschriften den Hass zwischen den Religionen schüren, wird die Zeit knapp. Jakob ist gezwungen, mit dem undurchsichtigen Söldner Jiri eine Allianz einzugehen. Bald wächst in ihm die Gewissheit, dass er nicht der einzige Spion in Heidelberg ist.

      Birgit Erwin, geboren 1974, hat Anglistik und Germanistik in Heidelberg und Southhampton studiert. Inzwischen lebt und arbeitet sie als Gymnasiallehrerin in Karlsruhe. Die Autorin hat bereits mehrere Romane sowie zahlreiche Kurzgeschichten unterschiedlicher Genres veröffentlicht.

      Ulrich Buchhorn, Jahrgang 1961, lebt in Heidelberg. Der Althistoriker unterrichtet Latein und ist Autor von Kriminalkurzgeschichten, die in verschiedenen Anthologien erschienen sind. »Die Bibliothek des Kurfürsten« ist der sechste historische Roman des Autorenduos.

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      Alle Rechte vorbehalten

      Lektorat: Daniel Abt

      Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung der Bilder von: © https://commons.wikimedia.org/wiki/File:L._Block_-_In_a_library_we_are_surrounded_by_friends.jpg und https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Heidelberger_Ansicht_(Merian).png

      ISBN 978-3-8392-6900-8

      Widmung

      In memoriam Sebastian Messerschmid

      und

      Margarete Teriet, geb. Winz

      (18. Februar 1923 – 20. Januar 2021)

21. Oktober 1621

      I

      Lange Schatten senkten sich über das Land. Über den Wipfeln des Odenwaldes glitzerten die ersten Sterne. Nur im Westen schimmerte ein letzter Streifen Rot, der noch ein paar Minuten, vielleicht Sekunden Leben vor sich hatte. In den Häusern wurden Kerzen entzündet, vor der Stadtmauer flackerten Lagerfeuer, um die sich die Schanzarbeiter sammelten. Ihr Lachen nach einem arbeitsreichen Tag dröhnte tief und satt, während Brot, Käse, vielleicht etwas Schinken ausgepackt wurden. Bierkrüge machten die Runde. Auf dem Trutzkaiser, dem alten Turm, der seit zweihundert Jahren die Stadt beschirmte, loderte mittlerweile ein Feuer, das trotzig in die Rheinebene leuchtete. Die neuen Schanzen zerschnitten keilförmig das Land. An den Lücken in den Mauern stapelten sich Backsteine und Mörtel. Schutthalden und Gruben gähnten wie gierige Mäuler in der Dunkelheit.

      Vor dem Speyerer Tor begann die alte Straße. Wer ihr folgte, gelangte nach Frankenthal, doch das war nicht das Ziel des einsamen Reiters, der sein Tier in flottem Tempo Richtung Wald traben ließ. Erst als die Baumkronen mit dicken Ästen den Schein des zunehmenden Mondes zu verschlucken drohten, zügelte er das Pferd. Herbstlaub, bereits trocken, raschelte, Zweige knackten, wenn Nachträuber ihre Beute suchten und fanden. Das Ross schnaubte und tänzelte, worauf der Reiter sich vorbeugte und den mächtigen Hals tätschelte.

      »Ruhig, Junge«, grollte er. Der kehlige Bariton hatte einen fremdländischen Klang. Aber das Pferd beruhigte sich nicht. Im Gegenteil, plötzlich stieg es auf die Hinterhand, sodass der Mann fast aus dem Sattel geschleudert wurde. Allein seiner Geistesgegenwart verdankte er, dass er sich im letzten Moment vorwärts warf. »Racker, verdammter«, fluchte er erschrocken. Er hob den Kopf und lauschte. Wahrscheinlich war es nur eine Ratte oder ein Eichhörnchen gewesen, aber in einem Wald wie diesem gab es größere Räuber, vier- und zweibeinige. Niemand wusste das besser als er. Er schnalzte, doch das Pferd buckelte weiter und brach nach links aus. »Verdammt, dafür habe ich dich nicht vom Schlachtfeld geholt«, knurrte er. »Dir werde ich …« Er verstummte.

      Eine weiße, zur Faust verkrampfte Hand ragte aus einem Laubhaufen auf den ausgetretenen Pfad. Erstarrt schaute der Reiter auf die körperlos wirkende Hand. Er bekreuzigte sich und murmelte einen Bannspruch gegen Hexen, Dämonen und sämtliche blutrünstigen Geister der Nacht. Dann trieb er seinem Pferd die Hacken in die Flanken. Aus dem gemächlichen Trab wurde ein halsbrecherischer Ritt durch die Dunkelheit, der erst ein Ende fand, als schwacher Lichtschein eine menschliche Behausung ankündigte. Der Reiter wischte sich mit dem Unterarm über das schweißglänzende Gesicht, rückte den Hut zurecht und zwang sich, ruhig zu atmen. Noch einmal klopfte er dem Tier den Hals, ehe er, zu seiner ganzen beträchtlichen Größe aufgerichtet, auf den Hof des Gasthauses ritt. Er schwang sich aus dem Sattel.

      »Karl!«

      Auf seinen herrischen Ruf hin rannte ein junger Mann, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, aus dem heruntergekommenen Stall.

      »Oh, Ihr seid es.« Eifrig nahm er die Zügel aus der Hand des Reiters, der, ohne den Burschen eines weiteren Wortes zu würdigen, die Schenke betrat.

      Drei Jahre nach dem Mord an ihrem Besitzer hieß sie immer noch Reilings Hof, zumal der neue Wirt, der eines Tages einfach aufgetaucht war, von sich behauptete, der Vetter des Getöteten zu sein. Da dieser Gisbert Reiling ein vorzüglicher Braumeister war, fragte niemand genauer nach, auch wenn seine Neuerungen dafür gesorgt hatten, dass viele der vornehmeren Heidelberger Bürger nach und nach ausgeblieben waren. Dementsprechend rau war der Umgangston, das Gelächter laut und betrunken.

      Den nächtlichen Gast störte das nicht. »Guten Abend!« Ein herausfordernder Blick aus dunklen Augen überflog die Gesichter und blieb an der hübschen, nicht mehr ganz jungen Schankmagd hängen, die den Gruß kurz erwiderte, ehe sie sich abwandte.

      Gisbert kam ihm entgegen. Der Kerl sah zwar eher wie ein Mordbrenner aus als wie ein Braumeister, aber der Reiter nahm die ausgestreckte Rechte und schüttelte sie.

      »He, Leute«, rief der Wirt, »begrüßt unseren Helden vom Weißen

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