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Wild wurde nur kurz, aber scharf angebraten, dann kam es in den heißen Ofen.

      Elisabeth stellte einen Wecker. »Fünf Minuten«, sagte sie. »Und danach noch kurz ruhen.«

      Ich stellte sie auf die Probe. »Zehn Minuten.«

      »Ach was«, sagte sie. »Vier Minuten reichen. Es ist nur ein kleiner Rücken. Flach.«

      Probe bestanden. Sie tat nicht nur so, sie verstand tatsächlich etwas vom Kochen. Trotzdem hatte ich ein weiteres Mal den Eindruck, dass ich einer Inszenierung beiwohnte, mit dem Ziel, mich zu beeindrucken und zu umgarnen. Ich war gespannt, wie weit sie gehen würde.

      Vorerst erhitzte sie eine andere Pfanne und gab einige Scheiben Serviettenknödel hinein.

      »Und jetzt brauche ich ein Glas Wein«, sagte sie. »Damit kocht es sich besser.«

      Wir prosteten uns zu, und während Serviettenknödel und Rehrücken vor sich hin brutzelten, der Wecker klingelte, das Fleisch aus der Röhre geholt und zugedeckt auf die Seite gestellt wurde, lüpfte ich die Deckel der anderen Töpfe auf dem Herd, sah einen Rahmwirsing, der warm gehalten wurde, eine dunkle, sehr sämige Soße, die leise vor sich hin köchelte, und freute mich auf meinen gefüllten Teller. Gleichgültig, was Elisabeth bezweckte und was der Abend noch bringen mochte: Für dieses Essen und diesen Wein hatte er sich allemal gelohnt.

      Die Frau wusste genau, wie sie mich ködern konnte.

      Woher sie das wohl hatte? Es war ja nicht so, dass ich der Vorsitzende des örtlichen Gourmetklubs wäre, der regelmäßig seine Ratschläge im Lokalblatt erteilte. Sicher, man kannte mich in der Stadt, doch nur in den einschlägigen Kreisen, und dazu hatten die Schindels bisher nicht gehört.

      Wir aßen mit Genuss. Alles war perfekt. Die teure Küche war nicht nur Show, da verstand jemand, sie auch zu nutzen.

      In stillschweigendem Einvernehmen vermieden wir während des Essens hässliche Themen wie zum Beispiel einen tödlichen Sturz vom Gerüst, fachsimpelten über gutes Essen und guten Wein, ließen ab und an etwas Privates aus der Geheimschublade lugen und plauderten weiter über dieses und jenes. Kurz, es war ein entspannter Abend.

      Doch ewig ließ sich das eigentliche Thema nicht umgehen.

      Nach dem Dessert, einer selbstgemachten Crème Bavaroise, einer Bayerischen Creme also, die klassischste Nachspeise überhaupt, die an sich kein Hexenwerk ist, aber viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung benötigt, was junge Köche nicht mehr haben, die lernen nur, wie man ein Päckchen aufreißt – nach dem Dessert also öffneten wir die zweite Flasche Spätburgunder und verzogen uns auf die Sitzlandschaft, die den Raum füllte. Bequem war anders, aber das wuchtige Ding machte was her.

      Ich hatte schon längst beschlossen, dass ich meinen Wagen stehen lassen und mir ein Taxi nehmen würde. Es gab also keinen Grund mehr, mich zurückzuhalten. Trotzdem versuchte ich es und achtete darauf, Elisabeth immer etwas mehr einzuschenken als mir.

      »Wie ist es passiert?«, fragte ich schließlich. Mal sehen, ob ihre Version von der des Poliers abwich.

      »Eigentlich ganz banal. Frieder ist noch mal auf die Baustelle und das Gerüst hoch, er wollte wohl was überprüfen, und dann ist er abgestürzt, aus welchen Gründen auch immer. So hat man es mir erzählt, ich war ja nicht dabei.«

      »Wer hat das erzählt?«

      »Stefan Kubitz, unser Polier.«

      »Er war dabei?«

      »Sozusagen. Er war ebenfalls noch auf der Baustelle, keine Ahnung, warum. Den Sturz selbst hat er nicht gesehen, sagt er, nur – nun ja, das Ende. Als Frieder da lag und sich nicht mehr gerührt hat. Muss ein schrecklicher Anblick gewesen sein. Einzelheiten hat er nicht erzählt, und ich wollte sie auch nicht wissen.«

      »Was hat der Polier sonst noch gesagt? War noch jemand auf der Baustelle? Hat es einen Streit gegeben? So was in der Art.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nichts.«

      Interessant. Entweder hatte der Polier der Witwe nicht alles gesagt, was er wusste. Oder sie sagte es mir nicht. Oder, dritte Möglichkeit, der Polier hatte mir etwas gesagt, was gar nicht zutraf. Oder etwas verschwiegen. Aber warum?

      »Was bringt dich auf den Gedanken, dass es kein Unfall gewesen sein könnte?«

      »Gerade weil dieser sogenannte Unfall so banal war. Himmel, Frieder ist sein ganzes Leben auf Gerüsten herumgeturnt, das war sozusagen sein zweites Zuhause. Er hat Maurer gelernt und auch dann, als er die Firma übernommen hatte, oft selber mit angepackt. Mir ist immer ganz schwindlig geworden, wenn ich ihn da oben gesehen habe, aber für ihn war das normal. Nein, da macht man nicht so einen Fehltritt. Ausgeschlossen.«

      Vielleicht eben doch. Wie hatte der Polier gesagt? Wenn man sich zu sicher fühlt, wird man leicht unaufmerksam, und dann kommt es eben doch zu einem Fehltritt.

      »Nehmen wir mal an, es war kein Unfall«, sagte ich. »Dann hat ihn jemand heruntergestoßen, und derjenige muss ein Motiv dafür gehabt haben. Wer könnte das sein? Gab es Ärger mit jemandem?«

      »Oh je, die Liste ist lang. Es gab ständig Ärger. Mit den Bauherren, mit den Lieferanten, mit den Mitarbeitern. Weißt du, Frieder war ein rechter Hitzkopf und konnte sehr grob werden. Das hat nicht jeder vertragen. Ich möchte jetzt niemanden anschwärzen, das wäre unfair. Und ich weiß ja auch nicht genau, was in der Firma gelaufen ist.«

      Sie machte es mir nicht leicht. Ein klitzekleiner Anfangsverdacht wäre schon hilfreich gewesen. Und den hatte sie bestimmt, das hatte ich schon gestern gespürt, als sie bei mir im Büro war. Aber bitte, wenn sie es so haben wollte! Das machte die Geschichte für mich nur spannender. Und rätselhafter.

      »Ich nehme an, du bist die Alleinerbin?«

      Sie nickte.

      »Verzeih mir, aber ich muss das so sagen: Damit hast du ein erstklassiges Motiv. Als Witwe bist du jetzt sozusagen eine gute Partie.«

      Sie sah mich erst erstaunt an, dann lachte sie schallend.

      »Gute Partie! Das ist gut, das ist wirklich gut.«

      Sie beugte sich zu mir vor. »Dieses Haus gehört mir. Die Hälfte der Firma gehörte vorher schon mir. Stimmt, es gibt da noch eine Lebensversicherung, aber die reicht gerade, um die Verbindlichkeiten der Firma zu decken. Was ich erbe, sind die 40 Prozent an der Firma, die Frieder hielt. Die restlichen zehn Prozent gehören zu gleichen Teilen seiner Mutter und seinem Bruder.«

      Jetzt sah ich sie erstaunt an, und sie lächelte.

      »Mein Vater hatte ein Sanitärgeschäft in Untermünkheim, mit allem, was so dazugehört. Bauflaschnerei, Heizung, Solar, die ganze Palette. Lief in den letzten Jahren offenbar blendend. Als es mit ihm gesundheitlich bergab ging, hat er verkauft. Zu einem guten Preis. Und gerade noch rechtzeitig, kurz darauf ist er an Krebs gestorben. Und meine Mutter wenig später an einem Herzinfarkt. Ich bin das einzige Kind, ich habe alles geerbt. Einschließlich meines Elternhauses und der drei anderen Häuser, in die mein Vater investiert hatte. Ließ sich alles finanziell sehr erfreulich loskriegen.«

      »Mit dem Geld bist du in die Firma deines Mannes eingestiegen?«

      Sie nickte. »Mit einem Teil davon, im Zuge einer Kapitalerhöhung. Die Firma konnte es gebrauchen, Frieder wollte expandieren, und man hilft ja seinem Mann, nicht wahr? Aber ich war nur stille Teilhaberin. Sicher, ich war grob informiert, was lief, aber um Details habe ich mich nie gekümmert. Davon verstehe ich nichts.«

      »Das heißt, es könnte einige Leichen im Keller geben, von denen du nichts weißt?«

      »Wie du das sagst! Da gruselt es einen ja richtig. Aber du hast recht, ich sollte mich drum kümmern.«

      »Und du hast mit deinem Erbe dieses Haus hier gebaut. Hübsch.«

      Sie stand auf, ging zu dem großen Panoramafenster und schaute hinaus ins Dunkle. Soweit man überhaupt von Dunkel reden konnte bei all den weihnachtlichen Lichterspielen in der Siedlung.

      »Anfangs

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